# taz.de -- Trumps Forderungen und die Bundeswehr: Aus lauter Angst | |
> Fast alle Parteien versprechen mehr Geld für die Verteidigung. Aber wie | |
> seriös sind ihre Zahlen, und woher soll das Geld kommen? | |
Bild: Wer hat Angst vor der schwarzen Null? Die Bundeswehr auf jeden Fall nicht | |
Dass das 2-Prozent-Ziel der [1][Nato] nicht mehr ausreichend sei, da sind | |
sich mit Ausnahme der Linken und des BSW alle im Bundestag vertretenen | |
Parteien einig. Während SPD und CDU mehr fürs Militär ausgeben wollen, aber | |
vor der Wahl nichts Genaueres verraten, plädieren CSU und FDP für Ausgaben | |
in Höhe von 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), | |
Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck packt noch ein halbes Prozent drauf, | |
und AfD-Chefin Alice Weidel hat viel Verständnis dafür, wenn US-Präsident | |
Trump mehr als 5 Prozent fordert. | |
Dabei war bereits das 2-Prozent-Ziel von der Nato willkürlich gesetzt, denn | |
es sagt nichts über den realen Bedarf aus, um notwendig erachtete | |
militärische Fähigkeiten finanzieren zu können. Aber wen interessiert das | |
schon angesichts der angstgetriebenen Diskussion? Willfährig werden sich | |
Deutschland wie auch die anderen europäischen Nato-Staaten jetzt [2][nach | |
dem Amtsantritt Trumps] dazu bereit erklären, ihre Militärausgaben weiter | |
deutlich zu erhöhen. | |
Was bedeuten all die Prozentzahlen? Das deutsche BIP lag 2024 bei 4.306,4 | |
Milliarden Euro. 3 Prozent davon wären rund 129 Milliarden Euro pro Jahr, | |
Habecks 3,5 Prozent rund 150 und 5 Prozent etwa 215 Milliarden Euro. Das | |
wären mehr als 44 Prozent des gesamten Bundeshaushalts von 2024. Schon die | |
etwa 2,1 Prozent, die die BRD im vergangenen Jahr der Nato gemeldet hat, | |
summieren sich auf rund 90 Milliarden Euro. | |
Nun argumentiert das Kieler Institut für Weltwirtschaft – kurz IfW –, das | |
gerne als vermeintlich seriöse Quelle zur Propagierung des gegenwärtigen | |
Aufrüstungswahns bemüht wird, dass in den Zeiten des Kalten Krieges die | |
jährlichen Verteidigungsausgaben der Bundesrepublik auch oft um die 3 und | |
manchmal bis zu knapp 5 Prozent betragen hätten. Von daher solle man sich | |
nicht so anstellen, wenn’s jetzt wieder steil nach oben gehe. Doch das ist | |
ein billiger Taschenspielertrick. | |
## Nicht auf Kosten der breiten Masse | |
Zum einen: So verständlich es erscheint, dass nach Mauerbau und Kuba-Krise | |
die Regierung Konrad Adenauers die Militärausgaben 1963 auf ein Allzeithoch | |
von 4,9 Prozent des BIP schraubte, sagt das noch nichts über die | |
Notwendigkeit aus. Dass während der Kanzlerschaft Willy Brandts mehr als 3 | |
Prozent des BIP fürs Militär ausgegeben wurden, war auch vor allem Ausdruck | |
des Zeitgeistes und nicht unbedingt der realen Bedrohungslage geschuldet – | |
wobei die zu Unrecht heute kritisierte Entspannungspolitik Brandts | |
maßgeblich dazu beigetragen hat, diesen Geist zu verändern. | |
Zum anderen lässt nicht nur das Kieler IfW unerwähnt, dass zu Zeiten der | |
alten Bundesrepublik zwar der Wehretat (zu) hoch war, aber dies wenigstens | |
nicht auf Kosten der breiten Masse der Bevölkerung ging. Denn damals waren, | |
von der Miete angefangen, die Lebenshaltungskosten wesentlich niedriger als | |
heute. | |
Beispielsweise lag die Mehrwertsteuer bei ihrer Einführung 1968 noch bei 10 | |
Prozent, der ermäßigte Steuersatz bei 5 Prozent. Heute sind es 19 und 7 | |
Prozent. Dafür gab es eine Vermögensteuer, eine höhere Körperschaftsteuer | |
und einen Spitzensteuersatz, der zwischen 1975 und 1989 56 Prozent betrug. | |
Inzwischen liegt er nur noch bei 42 Prozent. | |
Steuererhöhungen für diejenigen, die es sich leisten könnten, lehnt das IfW | |
jedoch ab. Das gilt ebenso für die Union, die FDP und die AfD, die laut | |
ihren Wahlprogrammen den Wohlhabenden in diesem Land sogar noch mehr | |
zuschustern wollen. Und dass SPD und Grüne zur Finanzierung höherer | |
Militärausgaben tatsächlich an den Reichtum der Reichen gehen würden, kann | |
ebenfalls nicht ernsthaft behauptet werden. Dann ist jedoch klar, wer dafür | |
wird zahlen müssen. | |
## Frontlinie geht nicht mehr durch Deutschland | |
Wie auch die Grünen will das Kieler IfW zunächst vor allem über neue | |
Kredite die Steigerung der Militärausgaben finanzieren. „Kurzfristig“ seien | |
Kürzungen im Sozialbereich zwar noch „kontraproduktiv“, aber mittel- und | |
langfristig werde es ohne diese nicht gehen. So ist die Forderung des IfW, | |
die Ausgaben sollten „vom Konsum auf Investitionen in Sicherheit und | |
Innovation für die Verteidigung verlagert“ werden, nur eine harmlos | |
klingende Formulierung für die Befürwortung gesellschaftlicher Verarmung. | |
Wobei es naiv wäre, zu glauben, nur im Sozialbereich würden Kürzungen | |
drohen. Auch für eine ernsthafte Klimaschutzpolitik würde das Geld fehlen. | |
Ja, Putin ist ein [3][übler autokratischer Herrscher mit imperialistischen | |
Ambitionen]. Aber er ist weder ein Napoleon noch ein Hitler, der ganz | |
Europa erobern will. Putin strebt nach alter großrussischer | |
Zarenherrlichkeit. Für alle Länder, die aus der Sowjetunion entstanden | |
sind, ist das eine ganz reale Bedrohung, für Deutschland jedoch nicht. | |
Anders als zu Zeiten des Kalten Krieges geht die Frontlinie zwischen (mehr | |
oder weniger) Gut und (mehr oder weniger) Böse auch weiterhin nicht mehr | |
quer durch Deutschland. Die Bundesrepublik ist nach wie vor „umzingelt von | |
Freunden“. Daran hat sich seit dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes | |
nichts geändert. | |
Zur Verteidigung des Völkerrechts ist es geboten, der Ukraine die | |
militärische Hilfe zukommen zu lassen, die sie benötigt, damit Russland sie | |
nicht besiegen kann. Auch müssen sich die baltischen Staaten auf den | |
Beistand Deutschlands, der EU und der Nato verlassen können. Aber dafür ist | |
es irrelevant, [4][ob die BRD für sich selbst „verteidigungsfähig“ ist]. | |
Die Frage ist vielmehr, ob es die Nato als Verteidigungsbündnis ist. Und | |
das lässt sich nicht bestreiten. | |
Selbst ohne die USA gibt es schon jetzt eine deutliche konventionelle | |
militärische Überlegenheit, die abschreckend genug wirken dürfte. Da bedarf | |
es keiner weiteren Steigerung der Militärausgaben. Alles andere ist eine | |
verzerrte Wahrnehmung der Realität. Sie wird die Menschen in Deutschland | |
teuer zu stehen kommen. Und das ist gefährlich. Denn aus Angst vor der | |
Bedrohung von außen den gesellschaftlichen Zusammenhalt im Inneren und | |
damit letzlich die Demokratie zu gefährden, ist keine gute Idee. | |
24 Jan 2025 | |
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## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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