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# taz.de -- 10 Jahre nach Anschlag auf Charlie Hebdo: Den Verstand nicht verlie…
> Der islamistische Anschlag auf „Charlie Hebdo“ lehrt uns: Nur humorvolle
> Kaltblütigkeit lässt uns ideologische Verbohrtheit halbwegs ertragen.
Bild: Sonderausgabe von Charlie Hebdo zehn Jahre nach dem Anschlag
Wie komisch sind Idioten? Doofe Frage? Mitnichten. Wer auch nur halbwegs
ein Herz und einen funktionierenden Denkapparat hat, kann nur komisch
finden, was etwa ein bräsig und menschenfeindlich agierender Donald
[1][Trump als unvermeidlich kommender US-Präsident] und sein narzisstischer
[2][Tech-Kumpan Elon Musk] an Unterste-Schublade-Brutalo-Fake-Fetzen in die
Welt setzen. Also komisch im Sinne von lächerlich, nicht lustig.
Und dennoch: Diese beiden – letztlich sind es Pechritter von höchst
trauriger Gestalt, die permanent der Weltöffentlichkeit perfide
Größenwahnsinniges, Hass und Hetze bescheren – benehmen sich, wenn man bei
ihnen von Benehmen sprechen will, besser: sie gerieren sich so derart
absurd, dass es doch schon wieder – lustig ist, ginge es nicht so traurig
verroht bei ihnen und in ihrem mit Cash überquellenden Lager zu, dass einem
immer wieder das Lachen vergeht.
Wären da also nicht die von solchen Knallchargen niedergeknüppelten
zentralen Werte wie Humanismus, Toleranz und Demokratie, die es zu
verteidigen gilt: Man könnte sich einfach und schlicht und folgenlos
beömmeln über Idioten wie Trump und Musk und andere gefährlich mächtige und
fast ausnahmslos männliche Vertreter ihrer Art aus Religion, Politik oder
Wirtschaft. Leider reicht das nicht, es wird immer weniger reichen.
## 30 Jahre Wahrheit bei der taz
Schluss mit lustig also? Keineswegs, nie und nimmer, das wäre ja noch
hässlicher, so, als hätten wir bisher umsonst gelacht. „Ridentem dicere
verum“ – lachend die Wahrheit sagen: Das ist nicht nur das Motto der seit
über 30 Jahren existierenden täglichen satirischen Wahrheit-Seite der taz.
Es sollte auch immer wieder das Motto sein in der Auseinandersetzung mit
Engstirnigkeit, Borniertheit und politischer Amnesie.
Lachend die Wahrheit sagen, die natürlich niemand, auch wenn ideologische
Fanatiker rund um den Globus das anders sehen und herausschreien, zur Gänze
kennt, geschweige denn sie restlos durchdringt (Smiley!).
Denn es geht in diesen weiträumig verfahrenen Zeiten unter nicht wenigen
anderen wichtigen To-dos auch darum, Humor und einen klaren Kopf zu
bewahren. Komme, was wolle: Wir brauchen einen tatkräftigen, allen Übeln
und Kümmernissen zum Trotz beschwingten, möglichst angstfreien Fatalismus.
Es muss und darf auch gelacht werden über all diese viel zu vielen fies
gelaunten, dümmlichen und leider oft gemeingefährlichen Trottel.
## Manche Dinge sind nicht lustig
Die Redaktion der französischen Satirezeitung Charlie Hebdo – und ja, hier
zum eigentlichen Anlass dieses Meinungsstücks – verkörpert seit 55 Jahren
via ihrer Texte, Cartoons und Karikaturen rotzig, trotzig und letztlich
ungebrochen genau jenes nonchalante Paradoxon. Und das auch nach dem
verheerenden Brandanschlag, der 2011 die damaligen Pariser Redaktionsräume
verwüstete, und noch viel stärker nach dem brutalen islamistischen Anschlag
auf die Redaktionskonferenz von Charlie Hebdo am Mittwoch, dem 7. Januar
2015.
Denn trotz dieses entsetzlichen und traumatisierenden Vorfalls, bei dem
insgesamt zwölf Menschen erschossen wurden von den Attentätern Saïd und
Chérif Kouachi, die sich zu Al-Qaida im Jemen bekannten, und bei dem viele,
viele Menschen an Seele und Körper verletzt wurden: Charlie Hebdo zeichnet
immer noch eine gegenüber weltlichem wie religiösem Schwachsinn komplett
unerschütterliche, beißend humorvolle Grundhaltung aus. Das muss man erst
mal hinkriegen – und das darf man in der journalistischen und
künstlerischen Umsetzung als Außenstehende getrost auch mal geschmacklos,
brachial, nicht lustig finden.
Man muss es aber in einer Demokratie im Rahmen der geltenden Gesetze zu
Kunst- und Meinungs- und Pressefreiheit hinnehmen und aushalten. Und im
besten Falle dagegenhalten, wenn illegitime, antidemokratische Regime oder
gar sogenannte Gottesstaaten die eine weltliche oder gar göttliche und
garantiert immer komplett unlustige, humorbefreite und allermeist auch
frauen-, queer- und liebesfeindliche Wahrheit brutal durchdrücken wollen.
## Eitelkeit ist kein guter Ratgeber
Werden etwa religiös konnotierte Cartoons oder Karikaturen zum
eindimensionalen, sehr oft aus ihrem Kontext gerissenen und quer durch alle
sozialen Medien gejagten Politikum, wird das, was Privatsache von uns allen
ist, nämlich der religiöse Glaube oder Unglaube, so verhandelt, als wenn
mit nur einer einzigen Zeichnung wir selber, unser Innerstes angegriffen
würde. Es geht aber bei sitzender, gutgemachter Satire nicht darum,
einzelne Menschen fertigzumachen.
Es geht darum, lächerliche Hauruckideologien und dogmatischen Starrsinn,
die ohne Unterlass seit Erfindung und Start dieser Welt herumwabern und
klar denkende, mitfühlende Menschen seit immer schon nerven und behindern,
mit Esprit und Verve zu entlarven. Es geht darum, selbsternannten
Obermuftis und Pharisäern jeglicher Couleur die Luft zum Weiterherumpesten
gescheit und beherzt herauszulassen, sie nachhaltig, überlegt und mit
Weitsicht lächerlich zu machen. Und es geht darum, wo immer möglich und
sinnvoll, humane Alternativen aufzuzeigen.
Merci dafür an Wolinski und Cabu, Tignous, Elsa Cayat, Philippe Honoré,
Mustapha Ourrad und Bernard Maris! Der bei dem feigen islamistisch
motivierten Anschlag vom 7. Januar 2015 ebenfalls ermordete [3][Charlie
Hebdo-Chefredakteur Stéphane Charbonnier] alias Charb schrieb über sein
umstrittenes Medium zwei Jahre zuvor in einem Debattentext in Le Monde
übrigens brachial-zärtlich Folgendes: „Charlie Hebdo ist ein Kind des Mai
1968, der Freiheit, der Unverschämtheit. Aber wir verteidigen den Menschen
und seine universellen Werte.“
7 Jan 2025
## LINKS
[1] /Politische-Krise-in-Suedkorea/!6057057
[2] /Musks-AfD-Wahlempfehlung-in-der-Welt/!6056513
[3] /Trauer-um-Stephane-Charbonnier/!5024237
## AUTOREN
Harriet Wolff
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