# taz.de -- Jette Nietzard gibt sich kämpferisch: „Die Grüne Jugend wird au… | |
> Die Grüne Jugend hat auf einem Delegiertentreffen neue | |
> Grundsatzpositionen zu Krieg und Frieden beschlossen. Sie fordert mehr | |
> Waffen für die Ukraine. | |
Bild: Die Grüne Jugend will, sagt deren Bundessprecherin, dass die Grünen nic… | |
taz: Frau Nietzard, haben Sie eigentlich gedient? | |
Jette Nietzard: Als Erzieherin habe ich gedient, in der Kindertagesstätte | |
und in einer Unterkunft für geflüchtete, unbegleitete Minderjährige. | |
taz: Die Grüne Jugend hat am Wochenende [1][neue Positionen zu | |
internationalen Konflikten beschlossen]. Für die Ukraine fordern Sie | |
Waffenlieferung, bis Kiew „das gesamte Staatsgebiet wieder selbstbestimmt | |
verwalten kann“. Das klingt ja schon wie bei Toni Hofreiter. | |
Nietzard: Das ist auf jeden Fall eine Veränderung zu dem, was wir bisher | |
gefordert haben: Wir priorisieren endlich die Sicherheit der Menschen. Wir | |
sollten priorisieren, dass Ukrainer in Sicherheit leben können. Und das | |
können wir nur tun, wenn die Ukraine ihr Gebiet selbst verwaltet. | |
taz: Glauben Sie wirklich, dass dieses Ziel noch realistisch ist? | |
Nietzard: Bei allen kriegerischen Konflikten geht es um Männer, die ihre | |
Macht ausbauen wollen und Ressourcen zu ihren Gunsten neu verteilen. | |
Darunter leidet immer die Zivilbevölkerung, allen voran Minderheiten und | |
Frauen, wenn sexualisierte Gewalt als Kriegswaffe eingesetzt wird. Es muss | |
realistisch sein, das zu ändern. | |
taz: Haben Sie in der Ukraine-Frage denn noch irgendeinen Dissens zur | |
Mutterpartei? | |
Nietzard: Mir ist keiner bekannt. Wir entwickeln Haltungen aber auch nicht, | |
damit wir auf anderer Linie sind als die Partei, sondern weil wir finden, | |
dass es das Richtige ist. | |
taz: Verstehe ich richtig, dass der Weg zu diesen Positionen für die Grüne | |
Jugend länger war als für die Grünen? | |
Nietzard: Ihnen ist sicherlich die [2][Neuaufstellung der Grünen Jugend] in | |
den vergangenen Monaten nicht entgangen. Und genauso wie für Personal und | |
Strukturen gilt das natürlich auch bei einigen Inhalten. | |
taz: Hat Außenpolitik unter [3][dem alten Vorstand] einfach nur eine | |
geringere Rolle gespielt oder gab es inhaltlichen Dissens? | |
Nietzard: In einem Verband mit 16.500 Mitgliedern gibt es immer Dissens. | |
Was fehlte, ist eine aktuelle Beschlusslage – gerade zu kriegerischen | |
Konflikten, die erst im letzten Jahr hochgekommen sind. Die Situation in | |
Syrien hat sich verändert und genauso gab es Entwicklungen in Israel und | |
den palästinensischen Gebieten. Zum Sudan fehlt jegliche Form der | |
Positionierung, obwohl sich dort zurzeit die größte Flüchtlingskrise der | |
Welt abspielt. Das wollen wir ändern. | |
taz: Die Grünen haben zuletzt auch unter jungen Wähler*innen stark | |
verloren. Auch wegen Krieg und Frieden? | |
Nietzard: Das Thema bewegt meine Generation sehr stark. Wir haben ein | |
großes Bedürfnis nach Gerechtigkeit und erleben die Weltlage heute in | |
Echtzeit auf unseren Bildschirmen. Allen Parteien, nicht nur den Grünen, | |
würde es guttun, das mehr anzuerkennen und diese Perspektiven stärker | |
wahrzunehmen. 50 Prozent der jungen Menschen sagen zum Beispiel, dass sie | |
sich wünschen, dass das Leid in Gaza stärker anerkannt wird. | |
taz: In ihrem Antrag kritisieren sie die Hamas in scharfen Worten und die | |
israelische Regierung in etwas sanfteren – ein ähnlicher Ton wie bei der | |
Bundesregierung. Wo sind Sie deutlicher? | |
Nietzard: Es gab in Deutschland die Debatte, wie man mit dem Haftbefehl des | |
Internationalen Strafgerichtshofs umgehen sollte, falls Netanjahu deutschen | |
Boden betritt. Wir finden: Man kann sich nicht aussuchen, in welchen | |
Konflikten man den Gerichtshof achtet und in welchen nicht. Wir fordern | |
auch, dass keine weiteren Offensivwaffen nach Israel geliefert werden | |
dürfen, bis Gerichte geurteilt haben, ob Kriegsverbrechen begangen werden. | |
taz: Wie oft sagen Sie das Annalena Baerbock? | |
Nietzard: Wir sind vor allem mit der Bundestagsfraktion im Austausch, wo | |
wir junge Abgeordnete haben, die Außenpolitik machen und auf den Werten der | |
Grünen Jugend stehen. Was ich aber allen sagen möchte ist, dass ich mir | |
Menschlichkeit in die Debatte zurückwünsche. Wir sollten nicht aus Angst | |
vor einer Debatte die Zerstörung und Unterversorgung der Zivilbevölkerung | |
in Gaza ignorieren, wir sollten nicht aus Angst vor Nazis Abschiebungen | |
fordern und wir sollten nicht aus Angst vor Autokraten die Unterdrückung | |
von Kurd*innen mittragen. | |
taz: Die [4][Rüstungsexporte an die Türkei] sind während der | |
Regierungsbeteiligung der Grünen auf den höchsten Stand seit 2006 | |
gestiegen. | |
Nietzard: Erdoğan ist ein Autokrat und kein vernünftiger | |
Verhandlungspartner. Ich finde nicht alles gut, was die Bundesregierung | |
macht. Surprise. | |
taz: Was fordern Sie darüber hinaus in der Syrienpolitik? | |
Nietzard: Syrien wurde von der Diktatur befreit. Das ist sehr gut. Wie es | |
dort weitergeht, ist aber unklar. Gerade deshalb ist es wichtig, jetzt | |
nicht als allererstes nach Abschiebungen zu schreien. Ich würde mir | |
wünschen, dass Menschen in ihre Heimat zurückgehen können. Und ich würde | |
mir wünschen, dass Deutschland hilft, vor Ort die Bedingungen dafür zu | |
schaffen. Aber das ist ein langer Prozess mit ungewissem Ausgang und | |
solange können wir Menschen nicht in Unsicherheit entlassen und müssen ihre | |
Anträge auf Schutz weiter genehmigen. | |
taz: Angenommen, die Grünen regieren weiter, womöglich mit der Union. Wie | |
lange dauert es dann, bis sie Abschiebungen nach Syrien „unter | |
Bauchschmerzen“ mittragen? | |
Nietzard: Ich erwarte, dass sie das nicht machen werden. Sollte sich so | |
etwas andeuten, kann ich hier das Versprechen abgeben: Die Grüne Jugend | |
wird für Menschen- und Asylrechte auf die Barrikaden gehen. | |
taz: Das ändert ja nichts, wenn sich der Rest der Partei und vor allem der | |
linke Flügel mal wieder nicht am Aufstand beteiligen. | |
Nietzard: Die Parteilinken haben in der Vergangenheit Gesetze und | |
Richtungsentscheidungen mitgetragen, die negative Auswirkungen auf Asyl- | |
und Menschenrechte hatten, das stimmt. Aber die Vergangenheit darf keine | |
Ausrede für Mutlosigkeit sein. Menschenrechte, Frauenrechte und | |
Kinderrechte sind mit Schwarz-Grün nicht vereinbar. Die grüne Basis ist | |
klug genug, das zu erkennen, wenn es eine Urabstimmung über einen | |
Koalitionsvertrag gibt. | |
taz: Am Dienstag kommt erst mal der Entwurf fürs grüne Wahlprogramm. Was | |
sollte zur Migrationspolitik drinstehen? | |
Nietzard: Keine weiteren Asylrechtsverschärfungen mit uns. | |
taz: Daran glauben Sie wohl nicht ernsthaft? | |
Nietzard: Wir haben auf dem letzten Parteitag einen guten Beschluss für die | |
Asylpolitik verhandelt und ich hoffe, dass die Partei auch jetzt eine | |
entsprechende Formulierung findet. Die gesellschaftliche Debatte hat sich | |
weit nach rechts verschoben und die Grünen würden gut daran tun, dem nicht | |
mehr hinterherzurennen. Überhaupt würde ich mir gerade für junge Menschen | |
wünschen, dass Parteien wieder den Mut haben, Konflikte zu benennen und zu | |
Positionen zu stehen – auch wenn es gerade ungemütlich ist. | |
15 Dec 2024 | |
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## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
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