# taz.de -- Blinken in Ankara: Die kurdische Frage | |
> Mit seinem türkischen Amtskollegen Hakan Fidan will der US-Außenminister | |
> über das weitere Vorgehen in Syrien sprechen. Thema sind die syrischen | |
> Kurden. | |
Bild: Gelandet: US-Außenminister Antony Blinken (r.) in Ankara, Türkei | |
Istanbul taz | Am heutigen Freitag trifft US-Außenminister Antony Blinken | |
in Ankara ein, um mit seinem türkischen Kollegen Hakan Fidan die weitere | |
Vorgehensweise in Syrien zu besprechen. Das ist in mehrerer Hinsicht | |
bemerkenswert. | |
Bislang hat die Türkei in den letzten Jahren ü[1][ber die Situation in | |
Syrien mit dem Iran und Russland im sogenannten „Astana-Format“ | |
gesprochen], jetzt sind wieder die USA am Zug, indirekt auch Israel und | |
danach auch die Europäische Union. EU-Kommissions-Chefin Ursula von der | |
Leyen hat sich bereits für Anfang kommender Woche in Ankara angekündigt. | |
Besonders heikel bei dem Treffen zwischen Blinken und Fidan wird das Thema | |
syrische Kurden und die Ansprüche der Türkei auf eine Pufferzone entlang | |
der Grenze zum von den Kurden kontrollierten Teil in Nordostsyrien. | |
Präsident Recep Tayyip Erdogan, der schon jetzt als einer der Gewinner im | |
neuen Machtspiel in Syrien gilt, hat bereits die letzten zwei Wochen, als | |
alle Welt auf den Vormarsch der HTS nach Damaskus schaute, die mit der | |
Türkei verbündete Miliz „Syrische Nationale Armee“ (SNA) massiv die letzt… | |
kurdisch kontrollierten Gebiete in und um Aleppo und den größten kurdischen | |
Brückenkopf westlich des Euphrats, Manbidsch angreifen lassen. | |
## 80.000 kurdische Flüchtlinge | |
Nach der Flucht der kurdischen YPG-Miliz und der meisten kurdischen | |
Zivilisten aus Aleppo – die Kurden sprechen von [2][80.000 Flüchtlingen die | |
nun in das von ihnen kontrollierte Gebiet östlich des Euphrats drängen] – | |
konzentrierten sich die Kämpfe zuletzt auf Manbidsch, eine 70.000 Einwohner | |
Stadt, die die Türkei schon seit Jahren zu erobern versucht hat. Am | |
Dienstag dieser Woche gab die YPG offiziell bekannt, die Stadt sei von der | |
Syrischen Nationalen Armee erobert worden und sie werde sich auf das Gebiet | |
östlich des Euphrats zurückziehen. | |
Nach kurdischen Angaben versuchte die SNA mit türkischer Luftunterstützung | |
sofort nachzusetzen und als nächstes die kurdische Stadt Kobane ins Visier | |
zu nehmen. In diesem Moment griff die US-Armee, die nach wie vor in den | |
kurdisch kontrollierten Gebieten Syrien mit rund 1.000 Mann präsent ist, | |
ein und vermittelte schließlich einen Waffenstillstand zwischen der | |
kurdischen YPG-Miliz und der von der Türkei unterstützten SNA. | |
Hintergrund der Kämpfe ist, dass auf der einen Seite die Türkei die | |
kurdische YPG-Miliz in Syrien für einen unmittelbaren Ableger der | |
türkisch-kurdischen Terrororganisation PKK hält und andererseits die | |
US-Armee just mit dieser YPG-Miliz seit Jahren gegen den Islamischen Staat | |
in Syrien kämpft. | |
## Erdogan plant Pufferzone im Grenzgebiet | |
Immer wieder hatte Erdogan in Washington darüber geklagt, dass die USA mit | |
einem PKK-Ableger zusammen arbeiten würden, obwohl doch die PKK auch in | |
Washington als Terrororganisation gelistet ist. Jetzt sollen die Karten in | |
Syrien neu gemischt werden und Erdogan will die Chance, nun in seinem Sinne | |
Fakten zu schaffen, nicht ungenutzt verstreichen lassen. | |
Da die politische und militärische Organisation der syrischen Kurden von | |
Ankara als feindlich eingestuft wird, im Gegensatz zu der autonomen | |
kurdischen Region im Nordirak, will Erdogan entlang der gesamten | |
syrisch-türkischen Grenze, die von den Kurden kontrolliert wird, ähnlich | |
wie Israel im Libanon, eine 30 Kilometer breite Pufferzone einrichten, in | |
der sich keine YPG-Kämpfer aufhalten dürfen. | |
## Kobane als Symbol kurdisch-amerikanischer Zusammenarbeit | |
Im Jahr 2019 hatte die türkische Armee durch einen begrenzten Einmarsch | |
bereits einen Teil dieser Pufferzone errichtet. Nachdem die Kurden aus dem | |
Gebiet westlich des Euphrats vertrieben wurden, liegt zwischen der bereits | |
bestehenden Pufferzone östlich des Euphrats und dem jetzt türkisch | |
kontrollierten Manbidsch ein relativ schmaler Streifen mit der Stadt Kobane | |
im Zentrum, der bis vor kurzem noch von russischen Truppen überwacht wurde. | |
Aus türkischer Sicht müsste ein Vormarsch auf Kobane folgen. | |
Doch die Stadt ist nicht irgendeine Stadt im syrischen Kurdengebiet. | |
[3][Hier hatte 2015 der Islamische Staat versucht], die Kurden zu | |
vertreiben und die Kontrolle zu übernehmen, und war damals von der YPG mit | |
Luftunterstützung der USA geschlagen worden. Kobane ist also ein Symbol | |
kurdisch-amerikanischer Zusammenarbeit. | |
Blinken wird deshalb versuchen, die türkische Regierung von einem weiteren | |
Vormarsch abzuhalten und sie davon zu überzeugen, dass das Gebiet östlich | |
des Euphrats nicht weiter angegriffen wird. Ob ihm das als Außenminister | |
einer scheidenden Regierung noch gelingt, wird die Frage der kommenden Tage | |
sein. | |
13 Dec 2024 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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