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# taz.de -- Vertrauensfrage von Scholz: Der AfD ist nicht zu trauen
> AfD-Abgeordnete könnten Montag im Bundestag dem Kanzler ein vergiftetes
> Angebot machen. Parteichef Chrupalla lässt offen, ob er für oder gegen
> Scholz stimmt.
Bild: Taschenspielertricks und falsches Vertrauen: Russlandtreue AfDler zeigen …
Berlin taz | Eine Sorge geht um im Bundestag: Seit Wochen befürchten die
Fraktionen vor allem der demokratischen Parteien, dass die
autoritär-nationalradikale AfD mal wieder auf das größtmögliche Chaos setzt
– und bei der am Montag anstehenden Vertrauensfrage von Bundeskanzler Olaf
Scholz (SPD) für den SPD-Politiker stimmen könnte. Das wäre ein Szenario,
[1][das mit der Kemmerich-Wahl in Thüringen 2020 vergleichbar wäre,] als
die AfD ihren eigenen Kandidaten leer ausgehen ließ und überraschend den
FDP-Politiker wählte und damit kalkuliert eine politische Hängepartie
auslöste.
Der Patei- und Fraktionsvorsitzende Tino Chrupalla nährte dieses Narrativ
am Mittwoch offensiv im RBB-Inforadio: Er könne nicht ausschließen, dass
einzelne Abgeordnete für Scholz stimmen würden, sagte er im [2][Inforadio
des RBB]: „Wir wollen natürlich auch verhindern, dass ein Friedrich Merz
relativ schnell Bundeskanzler wird, weil der wirklich das schlimmere Übel
wäre, gerade was Taurus-Lieferungen an die Ukraine angeht.“ Chrupalla ist
[3][für seine Russlandnähe berüchtigt] und hält auch seit Putins Überfall
auf die Ukraine den [4][Kontakt zur russischen Botschaft].
Der Fraktionsvorsitzende sagte aber weiter, dass er davon ausgehe, dass die
große Mehrheit seiner Fraktion Scholz nicht das Vertrauen aussprechen. Es
bleibe aber eine Gewissensfrage ohne Fraktionszwang. Auf die Frage der taz,
ob Chrupalla selbst für oder gegen Scholz stimmen werde, wollte er sich
nicht festlegen. Und das, obwohl die extrem rechte Partei seit Monaten
Neuwahlen fordert. Eine Aussprache in der Fraktion findet dazu erst am
Montagvormittag in einer Fraktionssitzung um 11 Uhr kurz vor der
Vertrauensfrage statt.
Scholz Minderheitsregierung aus SPD und Grünen hat 324 Abgeordnete. Teile
der Grünen wollen nach Information des Redaktionsnetzwerk Deutschland sich
bei der Wahl enthalten. Denn erhielte der Bundeskanzler bei der
Vertrauensfrage 367 Stimmen, wäre sie mit „Ja“ beantwortet.
## Weidel will gegen Scholz stimmen
Die AfD-Fraktion kommt auf 76 Abgeordnete. Chrupallas
Co-Fraktionsvorsitzende und Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl Alice
Weidel ist eindeutiger: Sie wird in der Vertrauensfrage gegen Scholz
stimmen, bestätigte ihr Sprecher der taz. Weidel geht weiter davon aus,
dass eine andere Haltung eine „starke Mindermeinung“ innerhalb der Fraktion
sei. Die üblichen Verdächtigen scherten nun aus, maximal rechne man mit
fünf Abgeordneten. Insgesamt sei doch klar, dass man jetzt nicht so eine
komische Wendung hinlegen können, nachdem man ewig Neuwahlen gefordert
hatte, [5][wie es vom Sprecher schon Mitte November hieß]. Daran habe sich
seither nichts geändert, betonte dieser.
Der üblichste Verdächtige ist der Höcke-Freund Jürgen Pohl aus Thüringen.
Der hatte bereits vor drei Wochen öffentlich kundgetan, dass er Scholz
gegenüber einem CDU-Kanzler Friedrich Merz in Sachen Ukraine-Unterstützung
als das „kleinere Übel“ ansehe. Er wollte der Fraktion ein Angebot machen,
es ihm gleichzutun. Wie ist diese interne Diskussion gelaufen? Aus seinem
Büro antwortet auf die taz-Anfrage der früher in der Neonazi-Szene aktive
Benedikt Kaiser: „Argumente für und wider wurden im internen Rahmen
ausgiebig konstruktiv debattiert.“ Ein Gespräch lehnt Pohl ab.
Fragt man in der Fraktion herum, hört man vereinzelt noch Zweifel bei vier
bis fünf Abgeordneten, die ebenfalls für Scholz stimmen könnten: die
[6][Höcke-Getreue Christina Baum]; der [7][Berufs-Cellist mit
Honorar-Professur in Moskau, Matthias Moosdorf], sowie möglicherweise
Gerold Otten [8][aus dem sich häufig russlandnah positionierenden
Landesverband Bayern] sowie der notorische Russlandreisende [9][Rainer
Rothfuß]. Rothfuß und Otten kündigten der taz gegenüber allerdings an,
gegen Scholz stimmen zu wollen. Baum und Moosdorf reagierten auf Anfragen
zunächst nicht.
Stefan Keuter aus dem Arbeitskreis Außenpolitik war vor dem Krieg auch mit
freundlicher russischer Genehmigung [10][als Pseudo-Wahlbeobachter in
Putins Autokratie unterwegs], um ihr Legitimation zu verschaffen. In der
Vertrauensfrage aber legte er sich der taz gegenüber fest: Er werde
„selbstverständlich“ gegen Scholz stimmen, man fordere ja schließlich seit
Jahren, dass Scholz und die Ampel „weg„müssten: „Ich hoffe, dass niemand
aus unserer Fraktion für Scholz stimmen wird.“
## Restrisiko bleibt
Der parlamentarische Geschäftsführer Bernd Baumann hoffte ebenfalls auf ein
einheitliches Bild: Die AfD-Fraktion wolle ein „schnellstmögliches Ende“
der noch amtierenden Regierung: „Dementsprechend spricht sie dem Kanzler
nicht ihr Vertrauen aus“, sagte Baumann. Einen absoluten Fraktionszwang
gebe es dabei aber nicht. Der Stellvertretende parlamentarische
Geschäftsführer, Stephan Brandner, wollte ebenfalls gegen Scholz stimmen.
Auch wenn weitere Anfragen an AfD-Abgeordnete bislang unbeantwortet
blieben, positioniert sich die Mehrzahl der AfD-Politiker gegen Scholz und
geht davon aus, dass es bei einzelnen Voten für Scholz bleibt. Selbst
Querulanten wie der nicht in die Fraktion aufgenommene AfD-Politiker
Matthias Helferich, ebenfalls gut vernetzt in der extrem rechten Szene,
sind gegen Scholz – er werde Scholz sein Vertrauen nicht aussprechen, sagte
er.
Ob der AfD bei der Vertrauensfrage zu vertrauen ist, bleibt dennoch
fraglich: Schließlich operiert man in der extrem rechten Partei gerne mit
Taschenspielertricks: nicht nur 2020 in Thüringen. Ein ähnliches Manöver
hatte die AfD Berlin bei der Wahl des CDU-Bürgermeisters Kai Wegner im
April 2023 aufgeführt, der [11][ebenfalls mutmaßlich mit AfD-Stimmen
gewählt wurde]. Und zuletzt zeigte sich mal wieder in Thüringen, wie die
Partei den Parlamentarismus instrumentell nutzt, um die demokratischen
Institutionen selbst zu bekämpfen – als der [12][AfD-Alterspräsident die
konstituierende Sitzung des Landtags blockierte] und das
Landesverfassungsgericht intervenieren musste.
Dennoch bleibt es bei der Vertrauensfrage von Scholz eher unwahrscheinlich,
dass ein größerer Teil der AfD-Fraktion oder gar die ganze Fraktion
geschlossen für Scholz stimmt: Eine Neuwahl dürfte der Partei angesichts
der hohen Umfragewerte langfristig mehr nutzen als das kurzfristig
gestiftete Chaos – zumal es für die eigene Klientel schwer zu erklären
wäre, warum man ausgerechnet eine rot-grüne Minderheitsregierung stützt.
Hinweis, 12.12.24: Der Text wurde um die Antworten von Rothfuß und Otten
auf die taz-Anfrage zum Abstimmverhalten aktualisiert.
11 Dec 2024
## LINKS
[1] /Die-FDP-im-Thueringer-Wahlkampf/!6030259
[2] https://www.inforadio.de/rubriken/interviews/2024/12/11/chrupalla-afd-schol…
[3] /Die-AfD-und-der-Krieg-in-der-Ukraine/!5844230
[4] /Gerhard-Schroeder-bei-russischem-Empfang/!5930543
[5] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/vertrauensfrage-bundestag-afd…
[6] /Neues-AfD-Spitzenpersonal/!5859328
[7] https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/innenpolitik/id_100529126/z…
[8] https://correctiv.org/aktuelles/russland-ukraine-2/2023/09/22/alternative-f…
[9] /AfD-Abgeordnete-reisten-nach-Russland/!6049991
[10] https://www.tagesschau.de/investigativ/kontraste/russland-demokratie-wahlb…
[11] /Wahl-von-Kai-Wegner-in-Berlin/!5931160
[12] /AfD-blockiert-Landtag-in-Thueringen/!6036651
## AUTOREN
Gareth Joswig
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