# taz.de -- BSW-Landeschef über Koalition mit SPD: „Herr Woidke wird im erst… | |
> Die Koalition mit der SPD ist stabil, versichert Brandenburgs BSW-Chef | |
> Crumbach vor der Ministerpräsidentenwahl. AfD-Anträge will er nicht | |
> unterstützen. | |
Bild: Sahra Wagenknechts Statthalter in Brandenburg: der Ex-SPD-Politiker und A… | |
taz: Herr Crumbach, Ihre Parteifreundin Sevim Dağdelen bezeichnet den | |
[1][Koalitionsvertrag Ihrer Partei mit der SPD] in Brandenburg als | |
„historisch“. Was ist daran historisch? | |
Robert Crumbach: Ich selbst würde nicht ganz so weit gehen. Aber es ist | |
schon sehr bedeutsam, dass wir zum ersten Mal in den Koalitionsvertrag | |
einer Landesregierung Positionen hineinverhandelt haben, die nicht nur | |
landespolitisch relevant sind. Das hat schon eine besondere Bedeutung. | |
taz: Sie meinen die Präambel, in der Sie die Stationierung von US-Raketen | |
in Deutschland und die Waffenlieferungen an die Ukraine in Zweifel ziehen. | |
Ist das nicht nur Symbolik? | |
Crumbach: Nein, sondern es macht deutlich, dass die Bevölkerung in diesem | |
Bundesland eine bestimmte Position hat, welcher die Mehrheit ihrer ins | |
Parlament gewählten Vertreterinnen und Vertreter, also die Landesregierung, | |
eine Stimme verleiht. Das ist mehr als Symbolik. | |
taz: Sie wollen in Brandenburg alle Krankenhausstandorte erhalten, mehr | |
Polizisten und Lehrer einstellen, die Kindergärten für Eltern beitragsfrei | |
lassen und günstigen Nahverkehr ermöglichen. Wie wollen Sie das | |
finanzieren? Sie werden ja jetzt Finanzminister. | |
Crumbach: Das Land Brandenburg verfügt immer noch über relativ große | |
Einnahmen. Aber wir werden Prioritäten setzen müssen. Wir werden uns jede | |
Ausgabe anschauen und fragen müssen: Ist es das, was wir wollen? Das wird | |
natürlich harte Verhandlungen mit den einzelnen Ministerinnen und Ministern | |
geben. Aber das ist, was Politik am Ende ausmacht. Das kennt jeder von zu | |
Hause: Man muss mit dem Geld auskommen, das man hat. Aber eine | |
Rotstift-Politik wird es mit uns nicht geben. Dafür sind die | |
Steuereinnahmen des Landes zu gut. | |
taz: Wo sehen Sie Wachstumschancen in Brandenburg? | |
Crumbach: Wir stehen in Deutschland an einem Kipppunkt, was die | |
wirtschaftliche Situation betrifft, und könnten in eine richtige Rezession | |
reinrutschen. Einen Teil der Probleme haben wir im Koalitionsvertrag | |
beschrieben. Wir müssen über die Energiepreise und die CO2-Preise | |
nachdenken, und wir müssen unseren Unternehmen im Land gute | |
Rahmenbedingungen bieten. Deshalb ist uns beispielsweise die | |
Tariftreueregelung so wichtig. Sie verpflichtet Auftragnehmer eines | |
öffentlichen Vergabeverfahrens dazu, ihren Arbeitnehmern Tariflöhne zu | |
zahlen. Das bedeutet für viele Unternehmen mehr Sicherheit und erleichtert | |
es ihnen, an der Vergabe teilzunehmen. Aber natürlich braucht es noch mehr | |
Rahmenbedingungen. Einfach wird das nicht, das ist richtig. | |
taz: Wie stehen Sie zu der Tesla-Fabrik in Brandenburg? Die SPD sieht sie | |
als Erfolg, weil dort 12 000 Arbeitsplätze geschaffen wurden, aber es gibt | |
auch [2][viel Kritik: am Ausbau und an der Arbeitssicherheit, am Wasser und | |
am Abwasser]. | |
Crumbach: Tesla zahlt relativ gute Löhne. Ich wünsche mir, dass auch dort | |
irgendwann der Flächentarifvertrag gilt, aber das ist Sache der | |
Gewerkschaft, das auszuhandeln. Was die Probleme mit dem Wasser und dem | |
Abwasser angeht, hat sich der zuständige Wasserverband Strausberg-Erkner | |
gerade auf einen neuen Vertragsentwurf für Tesla geeinigt. Ich hoffe, dass | |
das dann auch zufriedenstellend gelöst wird. Wir werden aufpassen, dass | |
nicht einfach nur die Interessen von Tesla bedient werden, sondern auch die | |
der Menschen, die in der Umgebung des Werks wohnen. | |
taz: Sie haben einen Neuanfang für Brandenburg versprochen. Enthält Ihr | |
Koalitionsvertrag nicht in Wirklichkeit ziemlich viel „weiter so“? | |
Crumbach: Der Koalitionsvertrag ist mit knapp 70 Seiten ein bisschen kürzer | |
ausgefallen als andere Koalitionsverträge. Wir haben Probleme und Chancen | |
benannt und konkrete Dinge miteinander vereinbart. Das macht mich | |
zuversichtlich, und ich kann Ihnen auch versprechen: Unsere Minister werden | |
nicht nur auf ihre Ressorts schauen, sondern wir werden uns gegenseitig in | |
unsere Ressorts einmischen, und das erwarte ich auch von der SPD. Denn es | |
ist unsere Aufgabe, das gemeinsam hinzukriegen, um das Land nach vorne zu | |
bringen. Das ist kein Weiter so, das ist anders als bisher. | |
taz: Fürchten Sie nicht, dass manche Wähler enttäuscht sein können, weil | |
sie mehr erwartet haben? | |
Crumbach: Ich weiß, dass viele Menschen auf uns vertrauen, und ich weiß, | |
dass man Vertrauen auch enttäuschen kann, und das dürfen wir nicht. Aber | |
Angst habe ich keine, und Lob oder Tadel spornen mich auch nicht an. Wer | |
sich um Verantwortung bemüht, darf nicht davor zurückschrecken, wenn er sie | |
tatsächlich tragen muss. | |
taz: Die Bundeswehr baut den Fliegerhorst Holzdorf an der Grenze von | |
Brandenburg zu Sachsen-Anhalt zum größten Luftwaffenstützpunkt der | |
Bundeswehr im Osten Deutschlands aus. Ihr [3][Abgeordneter Sven Hornauf | |
hatte gedroht, Ministerpräsident Dietmar Woidke seine Stimme zu | |
verweigern], wenn dort das Raketenabwehrsystems Arrow 3 stationiert werden | |
soll. Hat er recht? | |
Crumbach: Wir halten die Anschaffung von Arrow 3 nicht für besonders klug, | |
wir lehnen sie ab. Das System ist viel zu teuer und untauglich, das sehen | |
auch viele Militärexperten so. Nichtsdestotrotz hat die Bundesregierung | |
dieses System angeschafft und stellt Mittel zur Stationierung zur | |
Verfügung. Es fließt kein Geld aus unserem Landeshaushalt da rein. | |
taz: Zur Entwicklung der Infrastruktur in der Region sollen auch | |
Landesmittel fließen. | |
Crumbach: Es werden viele Soldatinnen und Soldaten auf diesem Standort | |
Dienst tun. In Holzdorf werden auch neue Transporthubschrauber stationiert. | |
Die werden dann nicht mehr in Bayern, sondern in Brandenburg gewartet | |
werden. Da entstehen Arbeitsplätze, und dafür braucht es Infrastruktur wie | |
Schulen und Kindergärten. Ich halte es für richtig, dass dafür Mittel zur | |
Verfügung gestellt werden. Der Bund stellt dafür Mittel aus dem | |
Bundeshaushalt zur Verfügung. Warum sollten wir darauf verzichten? | |
taz: Wird Sven Hornauf in Ihrer Fraktion bleiben? Sie hatten ihm | |
nahegelegt, sein Mandat zurückzugeben. | |
Crumbach: Wir hatten am Dienstag eine sehr offene, ehrliche Diskussion und | |
sind uns in der Sache völlig einig. Ich weiß, dass Herr Hornauf gesagt hat, | |
dass er nicht für Herrn Woidke stimmen will, aber bis Mittwoch hat er ja | |
noch Zeit, sich das zu überlegen. Im Übrigen ist das eine geheime Wahl. | |
Aber ich bin mir ganz sicher, dass Herr Woidke schon im ersten Wahlgang | |
genügend Stimmen erhalten wird, um Ministerpräsident zu werden. | |
taz: Rechnen Sie mit Stimmen über Ihre Koalition hinaus? | |
Crumbach: Dietmar Woidke ist als Ministerpräsident sehr anerkannt. Er hat | |
lange mit der Linken und später mit der CDU regiert, und möglicherweise | |
wird er von dort Stimmen bekommen, die das honorieren und ihn stützen. Aber | |
eins ist auch klar: Von uns kommen 13 Stimmen, und die 14. möglicherweise | |
von Herrn Hornauf. Ich bin kein Hellseher, aber ich hoffe es sehr. | |
taz: Ein Ausschluss aus der BSW-Fraktion ist damit vom Tisch? | |
Crumbach: Wir haben am Dienstag miteinander gesprochen, so wie sich das für | |
eine gute Familie und für eine gute Fraktion gehört. Und das, was zu | |
bereden war, haben wir beredet. | |
taz: Wie werden Sie [4][mit der AfD umgehen?] Im Koalitionsvertrag haben | |
Sie es ausgeschlossen, für Anträge der Opposition zu stimmen. | |
Crumbach: In einer Demokratie gibt es Spielregeln, und an die muss man sich | |
halten, auch wenn wir gerne neue Spielregeln für das demokratische | |
Miteinander aufstellen würden. Aber noch gibt es sie nicht. | |
taz: Sie haben einmal gesagt, Ihre Partei könnte Anträgen der AfD | |
zustimmen, wenn diese sachgerecht und gut für Brandenburg sind. | |
Crumbach: Sie können sich ja mal anschauen, was die AfD so für Anträge ins | |
Parlament einbringt. Sie selbst spricht davon, dass sie uns testen will. | |
Aber da ist dann zum Beispiel von Nordostpreußen die Rede. Es fällt mir | |
schwer anzunehmen, dass die keinen aktuellen Atlas zur Hand hatten. Solange | |
die AfD nicht von ihrem rechtsextremen Weg abkommt, kann ich mir nicht | |
vorstellen, einem ihrer Anträge zuzustimmen. Aber wenn sie davon ablässt | |
und sich ändert, dann kann ich mir das vorstellen. | |
10 Dec 2024 | |
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## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
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