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# taz.de -- Gewalt gegen Frauen: Deutschland macht zu wenig
> Eine Studie belegt erstmals konkret, wie wenig gegen
> geschlechtsspezifische Gewalt unternommen wird. Es fehlt eine
> bundeseinheitliche Strategie.
Bild: Banner auf einer Kundgebung gegen Femizide: Wer gegen patriarchale Gewalt…
Hamburg taz | Deutschland unternimmt zu wenig gegen geschlechtsspezifische
Gewalt und verfehlt viele Anforderungen der Istanbul-Konvention zur
Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Das belegen
nun erstmals umfangreiche Zahlen im [1][Monitor „Gewalt gegen Frauen“], den
die Berichterstattungsstelle geschlechtsspezifische Gewalt des Deutschen
Instituts für Menschenrechte (DIMR) am Dienstag veröffentlicht hat. Trotz
punktueller Verbesserungen habe Deutschland „gravierende Defizite bei der
Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt“, heißt es im Bericht.
Forscher*innen haben vor allem für die Jahre 2020–2022 unter anderem
Daten von Bund und Ländern, von Polizei und aus dem Hilfesystem
zusammengetragen. Seit 2022 untersuchen sie für die
Berichterstattungsstelle am DIMR im Auftrag der Bundesregierung,
[2][inwieweit Deutschland die Istanbul-Konvention umsetzt].
Diesen völkerrechtlichen Vertrag hat Deutschland 2018 teilweise und 2023
komplett ratifiziert und sich damit rechtlich bindend verpflichtet, die
festgelegten Maßnahmen umzusetzen. Zu diesen gehört unter anderem, dass
Betroffene geschlechtspezifischer Gewalt ausreichend Zugang zu
psychologischer Beratung, finanzieller Unterstützung und
Schutzeinrichtungen wie Frauenhäusern haben sollen.
Vor zwei Wochen war die Bestürzung mal wieder groß, als das Lagebild des
Bundeskriminalamts zu geschlechtsspezifischer Gewalt veröffentlicht wurde:
[3][2023 ist die Zahl der gegen Frauen gerichteten Straftaten im Vergleich
zum Vorjahr erneut gestiegen]. Fast jeden Tag geschieht ein Feminizid, alle
drei Minuten erleben Frauen und Mädchen sexualisierte Gewalt.
„Unerträglich“ nannte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) den Anstieg
und verlangte „konsequentes Handeln“. Dass ausreichend konsequentes Handeln
bislang fehlt, untermauert nun der Bericht des DIMR.
Demnach erfüllt Deutschland die Anforderungen der Istanbul-Konvention in
sehr vielen Punkten nicht. Die Konvention empfiehlt zum Beispiel pro 10.000
Einwohner:innen einen Familienplatz, also ein Zimmer mit Betten für
eine schutzsuchende Frau und zwei Kinder.
## Die meisten Frauenhausplätze in Berlin, Bremen und Hamburg
Diese Kapazitäten hat kein Bundesland. Über die Hälfte der empfohlenen
Plätze verfügen Berlin, Bremen, Hamburg und Niedersachsen. Mit etwas
Abstand liegt auf Platz fünf Schleswig-Holstein mit 1,23 Betten pro 10.000
Einwohnenden.
Dass es bundesweit zu wenig Betten für schutzsuchende Frauen gibt, lässt
sich auch an der Auslastung der Frauenhäuser ablesen. Die lag 2022 bei
durchschnittlich 82 Prozent. In der Praxis bedeute eine Auslastung von mehr
als 74 Prozent, dass eine Einrichtung ihrem Auftrag nicht mehr richtig
nachkommen kann, heißt es im Bericht. Die Folge: Betroffene müssen
abgewiesen werden.
Obwohl sie im Verhältnis zu Einwohnenden relativ viele Plätze in
Schutzeinrichtungen haben, wiesen Hamburg und Schleswig-Holstein für 2022
die höchsten Auslastungsquoten auf, von je über 90 Prozent. In
Niedersachsen waren die Einrichtungen im Schnitt um etwas weniger als 70
Prozent ausgelastet, für Bremen liegen keine Zahlen vor.
## Finanzierung von Frauenhäusern Ländersache
Der Monitor zeigt auch, dass es zwar bundesweit zu wenig Kapazitäten im
Hilfesystem gibt, die Lage von Bundesland zu Bundesland aber stark
variiert. Das liegt auch daran, dass die Finanzierung von Frauenhäusern
Ländersache ist.
Dazu kommt, dass Betroffene oft anteilig selbst für ihre Unterbringung
bezahlen müssen. Auch das ist auf Länderebene unterschiedlich geregelt,
teils durch gesetzliche Vorgaben, teils durch Verwaltungsvorschriften.
Komplett übernommen werden die Kosten der Unterbringung nur in Berlin,
Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen.
Um Betroffene geschlechtsspezifischer Gewalt wirksam zu unterstützen,
bräuchte es vor allem eine bundeseinheitliche Strategie. Das ist das
[4][Fazit des Monitors „Gewalt gegen Frauen“]. Das von der Bundesregierung
geplante Gewalthilfegesetz soll unter anderem einen solchen bundesweiten
Rechtsanspruch auf Schutz enthalten. Ob es noch vor den Neuwahlen
verabschiedet wird, ist derzeit aber fraglich.
4 Dec 2024
## LINKS
[1] /Gewalt-gegen-Maedchen-und-Frauen/!6049923
[2] /Statistik-zu-Frauenhaeusern/!6038331
[3] /Geschlechtsspezifische-Gewalt/!6047236
[4] https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/menschenrechtsschutz/berichters…
## AUTOREN
Amira Klute
## TAGS
Schwerpunkt Femizide
Gewalt gegen Frauen
Istanbul-Konvention
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Lesestück Recherche und Reportage
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