# taz.de -- Grundgesetzänderung im Bundestag: BSW und AfD sollen draußen blei… | |
> Die Resilienz des Bundesverfassungsgerichts soll gegen Demokratiefeinde | |
> gestärkt werden. Der Bundestag hat mit großer Mehrheit zugestimmt. | |
Bild: Die Änderung des Grundgesetzes soll AfD und BSW davon abhalten, die Wahl… | |
Karlsruhe taz | Die Parteien der Mitte – SPD, Grüne, FDP und CDU/CSU – | |
wollen [1][mit einer Verfassungsänderung] verhindern, dass AfD und BSW die | |
Wahl der Richter zum Bundesverfassungsgericht blockieren können. Im | |
Bundestag stimmten am Donnerstag 600 Abgeordnete für die Änderung des | |
Grundgesetzes, 69 stimmten dagegen. An diesem Freitag muss noch der | |
Bundesrat mit Zwei-Drittel-Mehrheit zustimmen. Im Bundestag ging es um zwei | |
Gesetzentwürfe, die SPD, CDU/CSU, Grüne und FDP gemeinsam eingebracht | |
hatten. Mit dem ersten Gesetzentwurf sollte das Grundgesetz geändert | |
werden, mit dem zweiten das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht. | |
Es war nicht selbstverständlich, dass die gemeinsame Initiative trotz des | |
Ampelbruchs und der anstehenden Neuwahlen weiterverfolgt wurde. „Hier zeigt | |
sich die Stärke unserer politischen Kultur“, sagte Neu-Justizminister | |
Volker Wissing (parteilos). Die CDU/CSU hatte die Gespräche im Februar | |
sogar einmal platzen lassen, die Grundgesetzänderung sei nicht | |
erforderlich, hieß es damals. [2][CDU-Chef Friedrich Merz] erhielt dafür | |
jedoch so empörte öffentliche Reaktionen, dass er bereits nach einem Tag | |
zurückruderte und die Union sich wieder an der Initiative beteiligte. | |
Wichtigster Punkt der Reform ist es, AfD und BSW bei der | |
Verfassungsrichterwahl ausgrenzen zu können. Bisher wird die Hälfte der 16 | |
Verfassungsrichter:innen im Bundestag und die andere Hälfte im | |
Bundesrat gewählt. Da jeweils eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich ist, | |
müssen sich die Parteien der Mitte einigen. In der Praxis haben CDU/CSU und | |
SPD je sechs Vorschlagsrechte, Grüne und FDP können jeweils zwei | |
Verfassungsrichter:innen vorschlagen. | |
Sollten AfD und BSW zusammen mehr als ein Drittel der Sitze im Bundestag | |
erreichen, müssten sie nach den bisherigen Regeln auch beteiligt werden. | |
Sie hätten dann eine „Sperrminorität“. Damit könne man die Richterwahl | |
allerdings auch „sabotieren“, warnte Minister Wissing. | |
Harsche Kritik von der AfD | |
Die Parteien der Mitte haben deshalb einen Ersatzwahlmechanismus | |
eingeführt: Wenn einige Monate lang im Bundestag keine | |
Zwei-Drittel-Mehrheit für die Wahl neuer Verfassungsrichter:innen | |
zustande kommt, darf der Bundesrat die Richter:innen wählen – und | |
umgekehrt. | |
Die AfD kritisierte die Mehrheitsparteien heftig. „Sie wollen bewährte | |
Strukturen zerschlagen“, sagte der Abgeordnete Stephan Brandner, „sie | |
greifen das Bundesverfassungsgericht an, nicht wir“. Der Abgeordnete Fabian | |
Jacoby rief der Mehrheit zu: „Sie delegitimieren das | |
Bundesverfassungsgericht. Sie sagen einer immer größeren Zahl von Wählern, | |
dass dies nicht ihr Verfassungsgericht ist.“ Das „Parteienkartell“ sei | |
nicht bereit, „das Verfassungsgericht als Herrschaftsinstrument aus der | |
Hand zu geben“, so Jacoby. | |
Auch [3][die BSW-Abgeordnete Amina Mohamed Ali] kritisierte die Pläne: „Sie | |
befürchten offensichtlich, bei der Bundestagswahl so abgestraft zu werden, | |
dass sie nicht mehr die Zwei-Drittel-Mehrheit erreichen“, sagte sie. | |
Vertrauensverlust sei aber kein Konstruktionsfehler der Demokratie, der | |
durch eine Grundgesetzänderung korrigiert werden müsse. | |
Neben dem neuen Ersatzwahlmechanismus sollen in der Verfassung einige | |
bekannte Merkmale des Bundesverfassungsgerichts festgeschrieben werden, die | |
bisher nur gesetzlich geregelt sind, etwa, dass das Gericht aus zwei | |
Senaten mit je acht Richter:innen besteht. „So kann verhindert werden“, | |
erklärte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese, „dass antidemokratische Kräfte, wenn | |
sie eine Mehrheit im Bundestag haben, etwa einen dritten Senat mit | |
linientreuen Richtern installieren, der alle wichtigen Verfahren | |
entscheidet.“ | |
Dass die Verfassungsrichter mit Zwei-Drittel-Mehrheit gewählt werden, soll | |
auf Wunsch der CDU/CSU allerdings nicht im Grundgesetz festgeschrieben | |
werden, obwohl viele Expert:innen in dieser breiten Verankerung des | |
Bundesverfassungsgerichts einen Hauptgrund für seine große Akzeptanz sehen. | |
Die Union will dem Bundestag aber die Möglichkeit belassen, bei Bestehen | |
einer destruktiven Sperrminorität das Wahlquorum abzusenken. Zwar ist für | |
solche Fälle künftig der Ersatzwahlmechanismus vorgesehen, die CDU/CSU will | |
sich aber alle Optionen offen lassen. | |
In einem Änderungsantrag hatte die AfD beantragt, dass die Nichtannahme von | |
Verfassungsbeschwerden künftig begründet werden muss. Ansgar Heveling, der | |
Justiziar der CDU/CSU-Fraktion, wertete dies als Beleg dafür, dass die AfD | |
das Bundesverfassungsgericht durch Mehrarbeit „lahmlegen“ wolle. | |
19 Dec 2024 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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