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# taz.de -- Europäische Abschottungspolitik: Wettbewerb der menschenrechtliche…
> Die Europäische Union könnte das Sterben im Mittelmeer stoppen – wenn sie
> denn wollte. Doch danach sieht es momentan nicht aus.
Bild: Vom Künstler Bansky gespendet: NGO-Seenotrettungsboot Louise Michel im H…
Die Flucht von Afrika nach Europa müsste nicht gefährlich sein. Es gibt
Flugzeuge und Fähren, und dennoch war auch dieses Jahr voll von Meldungen
über Geflüchtete in Seenot. Eine der jüngsten Tragödien ereignete sich am
19. Dezember vor der marokkanischen Küste. Mindestens 69 Menschen ertranken
bei dem Versuch, die zu Spanien gehörenden Kanarischen Inseln zu erreichen.
In Afrika zählt das Missing Migrants Project der Internationalen
Organisation für Migration 16.428 Menschen, die seit 2014 vermisst werden.
Bei der Überquerung des Mittelmeers wurden seit 2014 [1][31.178 als tot
oder vermisst gemeldet]. Die Nichtregierungsorganisation SOS Humanity
beklagt allein für dieses Jahr bis Mitte Dezember hierbei über [2][1.600
Tote].
Wie viele Migrant*innen auf dem Meer gestorben sind, lässt sich nicht
abschließend erfassen. Sicher ist: Jeder Tote ist einer zu viel. Hinter
jeder Person, die sich auf ein Boot wagte und verunglückte, stehen Träume
von einem besseren Leben, die nun niemals Wirklichkeit werden. Familien,
die um ihre Kinder trauern. Geliebte, die ihre Partner*innen niemals
wiedersehen werden. Kinder, deren Eltern nie zu ihnen zurückkehren werden.
Freund*innen, die weiter nach ihren Liebsten suchen werden, weil doch noch
die Hoffnung da ist, die Verschwundenen lebend wiederzufinden.
Niemand müsste auf seeuntauglichen Booten das Mittelmeer oder den Atlantik
überqueren, wenn die Europäische Union eine menschenrechtskonforme
Migrationspolitik umsetzte. Weil legale Routen geschlossen sind und die
weniger gefährlichen abgeriegelt, bleibt den Flüchtenden nichts anderes
übrig, als immer größere Risiken in Kauf zu nehmen. Etwa, die Route über
den Atlantik zu den Kanarischen Inseln einzuschlagen.
## Konzept, um das Sterben zu beenden, gibt es längst
Für die Seenotrettung auf dem Mittelmeer haben NGOs pünktlich zum Start der
neuen EU-Kommission ein [3][Konzept vorgelegt]. Statt Meeresüberwachung
durch die Grenzschutzagentur Frontex soll das bereits bestehende EU-Zentrum
für die Koordination von Notfallmaßnahmen für die europäische Seenotrettung
zuständig sein. Die Mitgliedstaaten würden Ausrüstung und
nichtpolizeiliches Personal aus ihren Katastrophenschutzeinrichtungen
bereitstellen. Menschen vorm Ertrinken zu retten wäre der ausschließliche
Zweck der Mission, mit Grenzschutz hätte sie nichts zu tun. Laut den NGOs
kostete das etwa ein Viertel des Frontex-Budgets.
Dass ein klares Aufgabenprofil das Sterben im Mittelmeer massiv reduzieren
kann, bewies die italienische Mission „Mare Nostrum“. Doch nach nur einem
Jahr wurde das Programm 2014 eingestellt, nachdem die europäischen Nachbarn
weder mitzahlen noch sich an einer solidarischen Verteilung der zahlreichen
Geretteten beteiligen wollten.
Stattdessen riskieren zivile Seenotretter*innen juristische
Verfolgung, wenn sie Migrant*innen an Bord nehmen, während Frontex dabei
unterstützt, dass Menschen von der libyschen Küstenwache zurück nach Libyen
gebracht werden. Was sie dort erwartet, bleibt nur eine Nebensächlichkeit.
Und als Kommissarin für den Mittelmeerraum – der Posten wurde erstmals
vergeben – ist nun die nationalkoservative Dubravka Šuica zuständig. Der
Wettbewerb der menschenrechtlichen Unterbietung wird wohl weitergehen. Die
Europäische Union könnte ihn beenden – wenn sie nur wollte.
27 Dec 2024
## LINKS
[1] https://missingmigrants.iom.int/data
[2] https://sos-humanity.org/presse/jahreschronik-2024/
[3] /Reform-fuer-Seenotrettung/!6053334
## AUTOREN
Franziska Schindler
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