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# taz.de -- Migrationsdebatten: Fachkräfte rein
> Der rechte Diskurs in Europa und den USA prägt die Migrationspolitik –
> aber anders als viele denken. Er lehnt Migration eben nicht pauschal ab.
Bild: Wir sind die Guten! Tech-Geschäftsmann Sriram Krishnan mit Ehefrau Aarth…
Rechtspopulisten sind Ausländerfeinde – das ist eine Grundüberzeugung
linker Feindbildpflege. Von den „Remigrations“-Phantasien in der AfD bis zu
Trumps Beschuldigung illegaler Einwanderung für den Terroranschlag von New
Orleans gibt es dafür auch reichlich Belege. Umso irritierender ist es,
wenn Elon Musk und Donald Trump als Verteidiger der Zuwanderung auftreten.
Kur vor Weihnachten ernannte Trump den indischstämmigen Tech-Geschäftsmann
[1][Sriram Krishnan] zu seinem zukünftigen KI-Berater. Als die rechte
Publizistin Laura Loomer, angeblich Erfinderin von Trumps Märchen über
haustieressende Haitianer, daraufhin gegen [2][„Invasoren aus der Dritten
Welt“] holzte, regte sich Elon Musk fürchterlich auf und die Sache
eskalierte, bis Musk seinen Kritikern riet, [3][sie sollten sich ficken
gehen und er stehe bereit, Krieg zu führen.]
Musk ist in Südafrika geboren, Krishnan in Indien, ebenso Musks zukünftiger
Kollege [4][Vivek Ramaswamy] in der zukünftigen US-Regierungsbehörde
„Department for Government Efficiency“. Sie alle sind globalisierte
Tech-Überflieger, die entweder per Fachkräftevisum in die USA kamen oder
sich mit damit eingereisten Migranten umgeben. MAGA-Patrioten muss es wie
Verrat vorkommen, dass Trump sich nun auf die Seite dieser „Globalisten“
stellt: Das Fachkräftevisum H1-B sei eine sehr gute Sache, [5][sagte der
zukünftige US-Präsident der rechten New York Post;] er nutze es in seinen
eigenen Unternehmen natürlich auch.
Bricht damit das rechte Projekt unter seinen Widersprüchen zusammen, bevor
Trump überhaupt ins Weiße Haus einzieht? Das wäre Wunschdenken. In Wahrheit
gibt es keinen Widerspruch. Wer das nicht versteht, hat die „neue Rechte“
des 21. Jahrhunderts nicht begriffen.
## Öffnung für Fachkräfte
Die Frage ist nicht: Zuwanderung, ja oder nein? Die Frage ist:
kontrollierte oder unkontrollierte Zuwanderung? Die Rechte wirft der Linken
vor, letztere zu betreiben – mit Flüchtlingsrettung und großzügigem
Bleiberecht. Die Linke wirft der Rechten vor, gar keine Zuwanderung zu
wollen. In Wahrheit wollen natürlich auch Rechte Zuwanderung – nur eben
kontrolliert und selektiv: Die Aufnahmeländer suchen sich aus, wer kommen
darf.
Beim Brexit-Referendum in Großbritannien stritten die Brexit-Befürworter
nicht, wie oft irreführend dargestellt, für ein Ende der Zuwanderung. Sie
stritten für ein Ende der unkontrollierten Zuwanderung. Daher wollten sie
raus aus der EU, in der die Personenfreizügigkeit gilt.
„Take Back Control“ lautete Boris Johnsons Parole: Die Kontrolle
zurückholen. Ein Punktesystem nach australischem Vorbild war sein
Versprechen. Als er 2019 Premierminister wurde und 2020 der Brexit in Kraft
trat, lockerte Johnson, ehemals Bürgermeister der Weltstadt London, die
Zuwanderungsregeln: Hürden für Arbeitsvisa wurden gesenkt, neue Kategorien
wurden eingeführt. Die [6][Nettozuwanderung nach Großbritannien] hat sich
seit dem Brexit verdreifacht.
Die Öffnung für Fachkräfte aus aller Welt ist zentrales Projekt der rechten
Techies von Silicon Valley bis London. Johnsons Nachfolger Rishi Sunak,
ebenfalls indischstämmig, lud 2023 Elon Musk zum globalen KI-Gipfel nach
London. Der neue Trump-Berater Krishnan brachte jetzt Musk mit Boris
Johnson zusammen. Die anglo-amerikanische Achse der rechten Globalisierer
steht.
Grenzschließer wie Nigel Farage und die MAGA-Patrioten mit ihrem Gefasel
vom „Bevölkerungsaustausch“ fokussieren sich derweil auf illegal
einreisende Flüchtlinge, die nur wenige Prozent der Gesamtzahl der
Migranten ausmachen. Denn kontrollierte Zuwanderung funktioniert nur, wenn
unkontrollierte Zuwanderung rigoros unterbunden wird. Brutale
Flüchtlingsabwehr steht nicht im Widerspruch zu hoher kontrollierter
Zuwanderung, sie ist deren notwendige Kehrseite.
Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. In Großbritannien zeigt sich
bereits: Kontrollierte Zuwanderung verträgt sich nicht mit Deregulierung.
Wenn niemand prüft, ob die Studierenden wirklich studieren, ob die
Pflegekräfte wirklich pflegen, ob Eingereiste nach Auslaufen ihrer Visa
wieder ausreisen – dann ist nichts unter Kontrolle. Darauf macht mit
steigendem Erfolg Nigel Farage aufmerksam, und auch die neue
Labour-Regierung kritisiert die konservative Migrationspolitik als zu
großzügig. Der Musk-Streit in den USA ist ein Vorzeichen ähnlicher Debatten
dort.
Die angelsächsische Rechte steht für kontrollierte legale Migration
[7][gekoppelt mit rigoroser Abschottung] gegen Illegale. In der EU
betreiben Orbán, Meloni und Macron das ebenfalls, und [8][im deutschen
Wahlkampf] sind sich auch schon fast alle einig: Ausländer, die nützlich
und brav und fleißig sind, sind willkommen, die anderen nicht.
Als Elon Musk vor einer Woche in der Welt am Sonntag zur Wahl der AfD
[9][aufrief,] behauptete er, „die AfD setzt sich für eine kontrollierte
Einwanderungspolitik ein, die der Integration und dem Erhalt der deutschen
Kultur und der Sicherheit Vorrang einräumt“. Er hätte besser „die CDU“ …
„die SPD“ schreiben sollen. Das hätte dem deutschen Winterwahlkampf richtig
Feuer gegeben. Und es wäre sachlich korrekt.
4 Jan 2025
## LINKS
[1] /Die-USA-unter-Donald-Trump/!6059344
[2] https://x.com/LauraLoomer/status/1871639183900787083
[3] https://x.com/elonmusk/status/1872860577057448306
[4] /Kuenftige-US-Regierung/!6053999
[5] https://nypost.com/2024/12/28/us-news/donald-trump-backs-h-1b-visa-program-…
[6] https://www.tagesschau.de/ausland/europa/zuwanderung-grossbritannien-100.ht…
[7] https://www.upday.com/de/so-viele-tote-migranten-im-aermelkanal-2024-wie-no…
[8] https://www.deutschlandfunk.de/berliner-gespraech-csu-mit-neuen-forderungen…
[9] /Musks-AfD-Wahlempfehlung-in-der-Welt/!6056513
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Migration
Elon Musk
Schwerpunkt AfD
Fachkräfte
GNS
Geflüchtete Frauen
Frontex
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