| # taz.de -- Wegen Verbrechen gegen Menschlichkeit: Klage gegen Ex-Frontex-Chef | |
| > Menschenrechtsorganisationen verklagen den Ex-Frontex-Mann und | |
| > Rassemblement-National-Politiker Fabrice Leggeri. Grund: seine Rolle bei | |
| > Pushbacks. | |
| Bild: Fabrice Leggeri im Frontex-Hauptquartier in Warschau Polen im September 2… | |
| Paris taz | Die französische Menschenrechtsliga LDH und die | |
| Flüchtlingshilfsorganisation Utopia56 haben am Dienstag Klage gegen den | |
| früheren Exekutivdirektor der [1][EU-Grenzschutzagentur Frontex], Fabrice | |
| Leggeri, eingereicht. Sie beschuldigen ihn der Beihilfe zu Folter und | |
| Verbrechen gegen die Menschlichkeit. | |
| Leggeri, der bei der kommenden Wahl der EU-Abgeordneten auf dem dritten | |
| Listenplatz des rechtsextremen Rassemblement National (RN) kandidiert, | |
| weist diese Vorwürfe empört als „politisches Manöver“ zurück und droht … | |
| einer Gegenklage wegen Verleumdung. Die Vorwürfe gegen den Ex-Chef der | |
| Frontex sind nicht neu. Sie erhalten aber im innen- und europapolitischen | |
| Kontext der Wahlen eine zusätzliche Brisanz. | |
| Im November 2022 hatte bereits das European Center for Constutional and | |
| Human Rights (ECCHR) zusammen mit der Nichregierungsorganisation Sea-Watch | |
| gegen ihn und weitere hochrangige Verantwortliche der EU vor dem | |
| Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen einer „individuellen | |
| Verantwortung“ in zahlreichen Fällen von Freiheitsberaubung geklagt. Zu den | |
| weiteren Beklagten zählen Ex-Innenminister Matteo Salvini und die frühere | |
| EU-Delegierte für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini. | |
| Schon in der Strafklage des ECCHR war geltend gemacht worden: Das Stoppen | |
| von Booten und Schiffen mit Migranten und Geflüchteten zum Zweck ihrer | |
| Rückführung nach Libyen, oder die Weitergabe von Standortangaben in Seenot | |
| geratener Boote an die libysche Küstenwache könne nicht als Rettungsaktion | |
| aus Lebensgefahr rechtfertigt werden. Es stelle stattdessen einen krassen | |
| Verstoß gegen das internationale Seerecht dar. Denn, wie seit mindestens | |
| 2011 bekannt ist, würden in Libyen die retournierten Geflüchteten | |
| inhaftiert. Vor allem aber seien sie einer „systematischen Ausbeutung“ | |
| sowie Misshandlungen, sexueller Gewalt und Versklavung ausgesetzt. Dies | |
| wurde auch von den Vereinten Nationen festgestellt. | |
| ## Klage spricht von Beihilfe zur Folter | |
| Aufgrund dieser Situation spricht die Klage in Frankreich von Beihilfe zu | |
| Folter und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Dafür ist dann auch die | |
| französische Justiz zuständig. Die Klage der beiden französischen | |
| Organisationen beruft sich auch auf einen belastenden Bericht des | |
| Europäischen Amts für Betrugsbekämpfung (OLAF), der 2022 zu [2][Leggeris | |
| Rücktritt als Frontex-Direktor] geführt hatte. | |
| Mit der Klage wurde dem Gericht in Paris eine 53-seitige Dokumentation | |
| überreicht. Der Anwalt der LDH, Emmanuel Daoud, erklärte dazu: „Der Vorwurf | |
| der Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist sehr gravierend, | |
| aber noch gravierender ist es, Zehntausende von Männern, Frauen und Kindern | |
| in Mittelmeer sterben zu lassen oder ihre [3][gewaltsame Rückschaffung] in | |
| libysche Sklaverei zu erleichtern.“ Leggeri habe eine persönliche | |
| Verantwortung dabei, weil er – statt die Regeln der Genfer Konvention und | |
| des Seerechts zu respektieren – die Rettungsuchenden an Libyen, Tunesien | |
| oder die Türkei ausgeliefert und dies in den offiziellen Berichten auch | |
| noch verheimlicht habe. | |
| Leggeri entgegnet dem, er habe mit der Frontex von 2015 bis 2022 im | |
| Gegenteil „350.000 Migranten im Einklang mit dem internationalen Seerecht | |
| das Leben gerettet“. | |
| 24 Apr 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Die-Rolle-von-Frontex-im-Grenzregime/!5900343 | |
| [2] /Europas-Grenzschutz/!5900923 | |
| [3] /Gewalt-an-EU-Aussengrenzen/!5986744 | |
| ## AUTOREN | |
| Rudolf Balmer | |
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