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# taz.de -- Deutsche Konjunkturflaute: Schwarze Nullkommanull
> China ist vielleicht eine Gefahr für die deutsche Wirtschaft, die Union
> ist es sicher. Warum Schulden gut sein können, versteht sie bis heute
> nicht.
Bild: Die Export-Schlager schwächeln: Autos von VW
Auf Deutschland kommen neue Zeiten zu: Seine Exportprodukte sind nicht mehr
so gefragt wie früher. Andere Anbieter sind interessanter – vorneweg China.
Zwei Zahlen illustrieren die Misere: Die Weltwirtschaft wuchs 2024 um 2,6
Prozent, während die Bundesrepublik einen Rückgang von 0,1 Prozent
verzeichnete. Vom globalen Aufschwung [1][hatten die Deutschen wenig] .
Besonders hart trifft es die klassischen Industriezweige – also den
Maschinenbau und die Autobranche. Der „Weihnachtsfrieden“ bei VW sieht
jetzt vor, jährlich 700.000 Wagen weniger herzustellen und bis zum Jahr
2030 etwa 35.000 Beschäftigte sozialverträglich abzubauen. Momentan hat VW
in Deutschland noch 130.000 Angestellte.
Die deutschen Firmen leiden, weil die Chinesen aufholen. Diese bieten jetzt
oft gleichwertige Produkte an – aber günstiger. Diese attraktiven Preise
spiegeln die niedrigeren Löhne in China wider, aber nicht nur. Die Chinesen
haben zudem einen strukturellen Wettbewerbsvorteil:
Sie verfügen über einen Binnenmarkt mit 1,4 Milliarden Menschen. Ihre
Unternehmen können also riesige Mengen direkt vor Ort absetzen – und
entsprechend gigantische Werke bauen. Die Chinesen profitieren daher von
enormen Skaleneffekten: Je mehr Stücke von einem Produkt hergestellt
werden, desto günstiger wird die Ware. Die EU hat hingegen nur 449
Millionen Einwohner – und ist auch noch damit konfrontiert, dass der
künftige US-Präsident Donald Trump mit Zollschranken droht.
Bisher waren die chinesischen Skaleneffekte nicht bedrohlich, weil das Land
lange Zeit vor allem Billigwaren herstellte, die sowieso keine deutsche
Firma produziert hätte – etwa Weihnachtsmänner aus Plastik. Doch jetzt
dringen die Chinesen auf die hochpreisigen Qualitätsmärkte vor, die bisher
den angestammten Industrieländern gehörten.
## Die Ignoranz hat einen Namen: die Schuldenbremse
[2][Die Exportaussichten sind also trübe]. Trotzdem wäre es übertrieben, in
Existenzangst zu verfallen. Denn Deutschland verbucht immer noch
Exportüberschüsse, führt also mehr Waren aus, als es importiert. Im ersten
Halbjahr 2024 betrug dieses Plus 138,8 Milliarden Euro.
Die Exporte sind nicht verschwunden, schrumpfen aber leicht – was sich
sofort bemerkbar macht, weil die gesamte deutsche Wirtschaft darauf
ausgerichtet ist, dass die Ausfuhren ständig steigen. Die Binnenwirtschaft
wurde vernachlässigt in der Hoffnung, Exporte würden alles richten.
Diese ignorante Attitüde hat einen Namen: Schuldenbremse. Bis heute
verstehen FDP und Union nicht, warum Schulden gut sein sollen, wenn sie in
Investitionen fließen. Dabei ist es schlicht: Investitionen lassen sich nur
durch Kredite finanzieren. Müsste man immer erst sparen, bevor neue
Maschinen angeschafft oder neue Produkte entwickelt werden, würde die
Nachfrage einbrechen, weil ja gespart wird, sodass sich neue Maschinen gar
nicht mehr rechnen.
Eigentlich einfach. Aber diese Zusammenhänge fallen nicht auf, jedenfalls
nicht den selbst ernannten Wirtschaftsexperten in FDP und Union, weil es ja
die Exportüberschüsse gibt, die die deutsche Wirtschaft am Laufen halten.
Dieses Plus bedeutet letztlich, dass das Ausland jene Schulden aufnimmt,
die Deutschland meidet. Ohne Kredite wäre es nämlich unmöglich, dass das
Ausland ständig mehr in Deutschland einkauft, als wir umgekehrt erwerben.
Denn woher sollten die anderen Länder das nötige Geld haben, wenn nicht
durch Schulden?
## Prinzip Gießkanne
Dieses seltsame Geschäftsmodell kommt nun langsam an sein Ende. Die Exporte
schwächeln, und die deutschen Firmen verlieren den technologischen
Anschluss. Der aktuelle Wahlkampf wäre eine gute Gelegenheit, um nach
Lösungen zu suchen. Stichworte wären: Klimatechnologien, eine bessere
Infrastruktur, Forschungsförderung. Diese Programme würden staatliches Geld
kosten – doch FDP und Union wollen es lieber verschleudern, um die
Wohlhabenden zu beglücken.
Beide Parteien packen [3][in ihren Wahlprogrammen] die berühmte „Gießkanne�…
aus. Wahllos sollen Steuern und Abgaben gekürzt werden, um Unternehmen und
Reiche zu entlasten. Bei der Union würde dieser Geldsegen 89 Milliarden
Euro kosten, und die FDP treibt es sogar noch doller: Sie will 138
Milliarden Euro spendieren. Dieses Geld hat der Staat nicht, was beide
Parteien indirekt auch zugeben: Nirgendwo steht, wie die Wahlgeschenke
finanziert werden sollen.
Die Chinesen sind vielleicht eine Gefahr für den deutschen Standort – die
Union ist es ganz sicher.
27 Dec 2024
## LINKS
[1] /Wirtschaft-in-Deutschland/!6051324
[2] /Lage-der-deutschen-Wirtschaft/!6042784
[3] /Wahlprogramm-der-Union/!6056358
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
## TAGS
Wirtschaft
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