# taz.de -- Anschlag in Magdeburg: Die Waffe regulieren | |
> Nicht erst seit dem Attentat auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt gilt: | |
> Fußgänger müssen endlich besser vor Autos geschützt werden. | |
Bild: Automatische Tempobegrenzer sollen das Risiko senken, sagt unser Autor | |
Der Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg zeigt einmal mehr: | |
Fußgänger müssen besser geschützt werden vor Autos. Nach dem Attentat in | |
Solingen im August hat der Staat das Mitführen von Messern bei Volksfesten | |
und anderen öffentlichen Veranstaltungen [1][schärfer reguliert]. Jetzt | |
sollten wir darüber diskutieren, wie die tödliche Gefahr durch Autos | |
mithilfe von Sicherheitsvorkehrungen vermindert werden kann. | |
In Magdeburg gab es zwar einige Durchfahrtsperren. Aber an mindestens einer | |
Zufahrt zum Weihnachtsmarkt eben nicht. Der Attentäter suchte sich diese | |
nach Angaben der Polizei gezielt aus. Dass sie nicht versperrt war, war | |
unverantwortlich. | |
Dennoch verteidigte der für öffentliche Ordnung zuständige Beigeordnete der | |
Stadtverwaltung, [2][Ronni Krug], die Lücke bei den Durchfahrtssperren auch | |
noch. Sie sei nötig gewesen als Rettungsgasse für Krankenwagen und Ausweg | |
für fliehende Menschen, behauptete der CDU-Politiker. | |
## Angeblich nicht vorhersehbar | |
Beides ist falsch. „Wenn eine Zufahrt ungeschützt bleibt, nutzen alle | |
anderen Betonpoller nichts. Dabei gäbe es auch für Rettungsgassen Lösungen | |
– etwa ein Auto, das die Zufahrt blockiert und im Notfall weggefahren wird. | |
Oder versenkbare Poller“, sagte [3][Peter R. Neumann], Professor für | |
Sicherheitsstudien am King’s College London, dem Spiegel. | |
[4][Christian Schneider], Sachverständiger für Zufahrtsschutz, kritisierte, | |
die Absperrmaßnahmen in Magdeburg hätten nicht den allgemein anerkannten | |
Regeln entsprochen. „Die Regelung sieht so aus, dass alle offenen Stellen, | |
also alle möglichen Angriffsrouten, so geschützt werden müssen, dass eine | |
unautorisierte Einfahrt gar nicht möglich ist“, so Schneider im MDR. Die | |
Zufahrten für Rettungsfahrzeuge könne man mit baulichen Maßnahmen so | |
ausführen, dass eine Kontrolle möglich ist, bevor das Auto durchfährt. | |
So ist es. Notwendig sind Absperrungen auch an einer Rettungsgasse, dort | |
müssen sie sich aber im Notfall schnell öffnen lassen. Und was die | |
Fluchtwege für die Menschen auf dem Weihnachtsmarkt angeht: Schmale | |
Betonpoller bringen Autos zum Halten, aber keine Fußgänger. | |
## Strengere Regelung scheiterte – wegen Deutschland | |
Spätestens seit dem Attentat mit einem Lastwagen beim Weihnachtsmarkt auf | |
dem Berliner Breitscheidplatz 2016 müssen Behörden und Veranstalter mit | |
ähnlichen Taten rechnen. Um so unbegreiflicher ist es, dass der Magdeburger | |
Beigeordnete Krug sagte, der Anschlag in seiner Stadt sei ein Fall, „mit | |
dem wir nicht rechnen konnten in seiner Dimension und der vielleicht auch | |
nicht zu verhindern war“. | |
Weihnachtsmärkte und andere sensible Massenaufläufe müssen praktisch | |
lückenlos mit Durchfahrtsperren geschützt werden. Aber das ist nur ein | |
Mittel, um Fußgänger vor potenziell tödlichen Kollisionen mit Autos zu | |
bewahren. | |
Zusätzlich sollten Autos mit automatischen Tempobegrenzern ausgestattet | |
werden. Diese Intelligent-Speed-Assistance-Systeme (ISA) erkennen die | |
zugelassene Höchstgeschwindigkeit an einem Ort, etwa mithilfe von | |
Satellitennavigation und digitalen Karten. Wenn das Auto zum Beispiel in | |
eine Fußgängerzone fährt, könnte es der Tempobegrenzer bremsen. | |
Leider schreibt die Europäische Union seit Kurzem nur einen | |
[5][Geschwindigkeitswarner] in neu zugelassenen Fahrzeugen vor. Der weist | |
den Fahrer beispielsweise durch einen Alarmton auf ein zu hohes Tempo hin – | |
bremst aber das Auto nicht. Eine strengere Regelung scheiterte auch an | |
Druck aus Deutschland. Da muss die EU nachbessern. | |
## Was ist die Alternative? Nichts tun? | |
Es wäre wahrscheinlich nicht durchsetzbar, dass alle bereits gebauten Autos | |
mit einem Tempobegrenzer nachgerüstet werden. Aber für neue Fahrzeuge | |
sollten sie so schnell wie möglich vorgeschrieben werden. Nach und nach | |
wird das die Sicherheit auf den Fußwegen erhöhen. | |
Natürlich bieten alle Maßnahmen keine hundertprozentigen Garantien. Aber | |
jeder Schritt senkt das Risiko. Was ist die Alternative? Nichts tun? | |
Vielleicht wenden einige ein, bei den wenigen Attentaten lohne sich der | |
Aufwand nicht. Das ist zynisch angesichts der Todesopfer. Zudem: | |
Durchfahrtssperren und Geschwindigkeitsbegrenzer würden auch viele Unfälle | |
verhindern. Ungefähr [6][2.800 Menschen] sterben jedes Jahr in Deutschland | |
bei Verkehrsunfällen, viele, weil Autos zu schnell fahren und/oder die | |
Fahrer die Kontrolle über ihren Wagen verlieren. Ist das nicht genug Grund, | |
um endlich zu handeln? | |
23 Dec 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.vdb-waffen.de/de/service/nachrichten/aktuelle/25102024_was_komm… | |
[2] https://www.magdeburg.de/Kurzmen%C3%BC/Start/index.php?NavID=37.459.1&o… | |
[3] https://www.spiegel.de/panorama/magdeburg-terrorismus-experte-peter-neumann… | |
[4] https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/magdeburg/magdeburg/sicherhei… | |
[5] https://www.autoscout24.de/informieren/news/neue-eu-vorschrift-ab-juli-2024… | |
[6] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/12/PD23_471_46241… | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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