# taz.de -- Staatsanwaltschaft klagt an: VW muss sich wegen Sklavenarbeit in Br… | |
> Auf der Rinderfarm einer Volkswagen-Tochter wurden vor vierzig Jahren | |
> Arbeiter eingesperrt und misshandelt. Der Vorstand soll davon gewusst | |
> haben. | |
Bild: Farm im Bundesstaat Pará um 1978: Hier betrieb die VW do Brasil auf rund… | |
Berlin taz | Sie sollen geschlagen und gedemütigt, eingesperrt und | |
misshandelt worden sein, Berichten zufolge gab es sogar Tote. Zwischen 1974 | |
und 1986 sollen auf der von einer Tochterfirma Volkswagens betriebenen | |
Rinderfarm Cristalino am Rande des Amazonasbeckens [1][schwere Verbrechen | |
verübt worden sein]. | |
Nun hat das brasilianische Arbeitsministerium Klage gegen Volkswagen | |
Brasilien eingereicht. Laut der Staatsanwaltschaft für Arbeitsrecht seien | |
die Arbeiter extrem langen Arbeitszeiten, entwürdigenden Bedingungen und | |
Schuldknechtschaft ausgesetzt gewesen, was als „sklavereiähnliche | |
Bedingungen“ bezeichnet wurde. Zeugenaussagen würden die „gravierenden | |
Menschenrechtsverletzungen“ belegen. Der Vorstand von Volkswagen do Brasil | |
soll von den systematischen Menschenrechtsvergehen in Hunderten von Fällen | |
gewusst haben. | |
Brasilien und Volkswagen haben eine lange gemeinsame Geschichte. Seit | |
vielen Jahrzehnten verkauft der deutsche Wolfsburger Konzern Autos im | |
größten Land Lateinamerikas. Mitte der 1970er Jahre expandierte Volkswagen | |
do Brasil und eröffnete Farmen im abgelegenen Amazonasgebiet, um in der | |
Fleischproduktion zusätzliche Gewinne zu erzielen. | |
Der damalige VW-Chef Rudolf Leiding setzte sich persönlich dafür ein, Land | |
im Bundesstaat Pará für das Projekt zu sichern. Dabei profitierte der | |
Konzern von engen Verbindungen zur Führungsspitze der Militärdiktatur. Erst | |
1986, kurz nach dem Übergang zu einer demokratischen Regierung, zog sich VW | |
aus dem umstrittenen Rindfleischgeschäft in Brasilien zurück. | |
## VW sieht sich nicht in der Verantwortung | |
Dass die Menschenrechtsverletzungen überhaupt ans Licht kamen, ist vor | |
allem einem Mann zu verdanken: [2][Ricardo Rezende Figueira]. Der Priester | |
war damals in der Nähe der Farm tätig, als geflohene Arbeiter bei ihm | |
Zuflucht suchten. „Es waren junge Männer, einer war gerade einmal 16 Jahre | |
alt. Was sie uns erzählten, war der reine Horror: Sie wurden gequält, | |
lebten in erbärmlichen Verhältnissen, es soll Morde gegeben haben“, sagte | |
Rezende im vergangenen Jahr der taz. | |
Jahrzehntelang sammelte er Beweise und Zeugenaussagen zu den Gräueltaten. | |
Die Staatsanwaltschaft stützte sich bei ihren Ermittlungen maßgeblich auf | |
die Recherchen von Rezende, der heute als Professor für Menschenrechte an | |
der Föderalen Universität von Rio de Janeiro lehrt. | |
In der Vergangenheit hatte Volkswagen erklärt, nicht verantwortlich zu | |
sein, da die betroffenen Arbeiter nicht direkt beim Konzern angestellt | |
gewesen seien. Der ehemalige Leiter der Cristalino-Farm, der Schweizer | |
Friedrich Brügger, wies jede Verantwortung der VW-Konzernleitung für die | |
Geschehnisse in Amazonien zurück. Er machte die Arbeitervermittler | |
verantwortlich, die mit der Durchführung der Rodungen beauftragt worden | |
waren. | |
Auf Presseanfragen zur jüngsten Anklage teilte Volkswagen Brasilien mit, | |
noch nicht formell benachrichtigt worden zu sein und damit keinen Zugang | |
zum Inhalt der Klage zu haben. Zudem äußere VW sich nicht zu laufenden | |
Verfahren. | |
## Staatsanwaltschaft fordert ein Schuldeingeständnis | |
In der Zivilklage fordert die Staatsanwaltschaft Entschädigungszahlungen in | |
Höhe von 165 Millionen Reais (rund 26 Millionen Euro). Eine | |
außergerichtliche Einigung kam nicht zustande. | |
„Es ist eines Großkonzerns unwürdig, sich der historischen Verantwortung | |
nicht zu stellen“, sagte der Freiburger Aktivist Günther Schulz, der seit | |
Jahren zu dem Fall arbeitet, der taz. „Unsere brasilianischen Partner | |
erwarten jetzt schnellstens ein Entgegenkommen, um auch den noch lebenden | |
Arbeitern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.“ Die Staatsanwaltschaft | |
fordert auch ein Schuldeingeständnis. | |
Christian Russau vom Dachverband der Kritischen Aktionär:innen warnte | |
in einer Pressemitteilung, dass VW [3][seine hausgemachten wirtschaftlichen | |
Probleme] nicht als Vorwand nehmen dürfe, um Wiedergutmachung abzulehnen. | |
Die Anhörung vor Gericht ist für Februar 2025 geplant. | |
10 Dec 2024 | |
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## AUTOREN | |
Niklas Franzen | |
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