# taz.de -- Tarifeinigung bei Volkswagen: IG Metall erlebt ihr blaues „Weihna… | |
> Deutschlands größter Autobauer vereinbart mit Beschäftigten, bis 2030 | |
> mehr als 35.000 Stellen zu streichen – aber ohne betriebsbedingte | |
> Kündigungen. | |
Bild: VW macht doch nicht das Licht aus in einigen Werken: mit Lichterketten ge… | |
Wolfsburg rtr/taz | Abbau von 35.000 Stellen, Kapazitätskürzung von einem | |
Viertel, aber zunächst keine Werksschließungen – in einem | |
Verhandlungsmarathon haben [1][Volkswagen] und die Arbeitnehmervertreter | |
einen Kompromiss geschmiedet, der auf einen tiefgreifenden Umbau des | |
größten deutschen Autokonzerns hinausläuft. | |
IG-Metall-Chefunterhändler Thorsten Gröger sagte am Freitagabend auf einer | |
Pressekonferenz in Hannover, es sei ein Paket geschnürt worden, „das | |
schmerzliche Beiträge der Beschäftigten beinhaltet, aber im gleichen | |
Atemzug Perspektiven für die Belegschaften schafft“. VW-Finanzchef Arno | |
Antlitz schrieb auf der Plattform LinkedIn von einer dringend benötigten | |
Kostenentlastung. Die Autobranche ist laut dem Statischen Bundesamt mit | |
rund [2][773.000 Beschäftigten] Deutschlands zweitgrößte Industriebranche, | |
die Jobs in der Zulieferindustrie kommen noch dazu. | |
Nach mehr als 70-stündigen Verhandlungen einigten sich beide Seiten darauf, | |
dass zwar die seit drei Jahrzehnten geltende Beschäftigungssicherung wieder | |
in Kraft gesetzt und bis 2030 verlängert wird. Allerdings sollen im | |
gleichen Zeitraum an den deutschen Standorten mehr als 35.000 Jobs | |
sozialverträglich abgebaut werden. Das ist in Deutschland jede vierte | |
Stelle. Die Beschäftigten verzichten in den kommenden Jahren außerdem auf | |
Lohnerhöhungen, Boni werden gekürzt. Gleichzeitig rückte Volkswagen bis auf | |
Weiteres von dem Plan ab, Werke zu schließen, was ein Novum in der | |
Firmengeschichte gewesen wäre. Die technische Kapazität der Werke soll aber | |
dauerhaft um 734.000 Einheiten gekürzt werden – das ist rund ein Viertel | |
der Produktion der Volkswagen AG in Deutschland. | |
Mit der Einigung, die die IG Metall als „Weihnachtswunder“ bezeichnete, | |
wehrte Volkswagen großangelegte Streiks ab, die für den Konzern teuer | |
geworden wären. In den vergangenen Wochen hatten sich an zwei Warnstreiks | |
nach Gewerkschaftsangaben jeweils rund 100.000 VW-Mitarbeiter beteiligt. | |
Durch den Abschluss würden mittelfristig mehr als 15 Milliarden Euro pro | |
Jahr an Kosten gespart, allein die Arbeitskostenentlastung betrage jährlich | |
1,5 Milliarden Euro, erklärte der Wolfsburger Konzern. VW-Markenchef Thomas | |
Schäfer ergänzte, dass man die drei Ziele geschafft habe: Arbeitskosten | |
senken, Entwicklungskosten auf ein wettbewerbsfähiges Niveau bringen und | |
Überkapazitäten an den deutschen Standorten abbauen. | |
Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete die Einigung als gute Nachricht. „Bei | |
allen Härten stellt sie sicher, dass Volkswagen und seine Mitarbeiterinnen | |
und Mitarbeiter gut in die Zukunft kommen können.“ Alexander Krüger, | |
Chefvolkswirt bei der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe, sieht weitere | |
Einschnitte in der Zukunft: „Der preisliche Wettbewerbsdruck wird wohl | |
weitere Anpassungen zu einem späteren Zeitpunkt erfordern.“ Es sehe aber | |
nach einem Kompromiss aus, mit dem man halbwegs leben könne. | |
Ein Knackpunkt der Verhandlungen war die Zukunft der Werke in Dresden und | |
Osnabrück gewesen. Laut der Vereinbarung läuft die Fahrzeugfertigung in | |
Dresden nun Ende 2025 aus. Für die Zukunft des Werkes sollen Alternativen | |
erarbeitet werden, erklärte Volkswagen. „Hierzu gehört auch die Möglichkeit | |
einer Beteiligung der Volkswagen AG an einem Konzept Dritter.“ In Osnabrück | |
soll das Cabrio T-Roc bis zum Spätsommer 2027 und damit länger als bisher | |
geplant produziert werden. Für die Zeit danach sollen Optionen für eine | |
andere Verwendung des Standorts geprüft werden. Die Produktion des Golf und | |
des Golf Variant soll ab 2027 vom Stammsitz Wolfsburg nach Mexiko verlagert | |
werden, um Platz zu schaffen für die Fertigung der Elektro-Modelle ID.3 und | |
Cupra Born. | |
VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo sagte, unter schwierigsten | |
konjunkturellen Bedingungen sei eine grundsolide Lösung erkämpft worden. | |
„Zwar gibt es tarifliche Zugeständnisse jenseits der monatlichen Einkommen | |
– dem gegenüber stehen aber der solidarisch erwirkte Erhalt aller Standorte | |
samt Zukunftsperspektiven, eine neue Beschäftigungssicherung bis Ende 2030 | |
und nicht zuletzt die Gewissheit für den Vorstand, dass bei Volkswagen | |
Veränderungen gegen den Willen der Belegschaft zum Scheitern verurteilt | |
sind.“ | |
Es war die bislang längste Verhandlungsrunde in der Geschichte des | |
Autobauers und ein hartes Ringen um eine Lösung: Der VW-Vorstand – | |
unterstützt von den Eigentümerfamilien Porsche und Piëch – hatte auf | |
drastische Einsparungen gepocht und mit der Schließung von bis zu drei | |
Werken gedroht. Finanzchef Antlitz hatte auf massive Überkapazitäten | |
verwiesen, weil auf dem europäischen Automarkt dauerhaft weniger Fahrzeuge | |
verkauft würden als vor der Pandemie. Zudem steckt das China-Geschäft in | |
einer Krise, und chinesische Konkurrenten machen der weltweiten Nummer zwei | |
in der Autobranche nach Marktführer Toyota Konkurrenz. | |
22 Dec 2024 | |
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[1] /Einigung-ueber-die-Zukunft-von-VW/!6058101 | |
[2] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/10/PD24_N049_42_5… | |
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haben. |