# taz.de -- Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher: „Die Eskalation zeichne… | |
> Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher wurde während der | |
> Sitzung des Bundesrats entlassen. Ein Gespräch über die Klinikreform und | |
> ihren Konflikt mit Dietmar Woidke. | |
Bild: Brandenburgs Ex-Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher, Grüne, am Frei… | |
taz: Frau Nonnemacher, was für ein Krimi! Unmittelbar [1][vor der | |
Abstimmung im Bundesrat] zur großen Krankenhausreform hat Sie Ihr | |
Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) auf den Gängen des Bundesrats von | |
allen Aufgaben entbunden. Wie überraschend kam das? | |
Ursula Nonnemacher: Diese Eskalation zeichnete sich ab. Ich hatte vor der | |
Sitzung erfahren, dass der Ministerpräsident auf jeden Fall beabsichtigt, | |
für die Anrufung des Vermittlungsausschusses zu stimmen, also das Gesetz zu | |
blockieren. Obwohl er genau wusste, dass ich als Fachpolitikerin dagegen | |
bin. Üblich wäre in diesem Fall eine Enthaltung Brandenburgs gewesen. Also | |
habe ich mich entschieden, in den Bundesrat zu fahren, ich bin als | |
Gesundheitsministerin ja Mitglied des Bundesrats, und vor Ort eine Rede zu | |
halten, warum ich mich gegen einen Vermittlungsausschuss ausspreche. | |
Sie hatten sich im Vorfeld aber selbst mehrfach kritisch über die Reform | |
geäußert. | |
Ich habe [2][dieses Gesetz] seit zwei Jahren mitverhandelt, ich war bei | |
jeder Bund-Länder-Runde und jedem Treffen im Bundesgesundheitsministerium. | |
Diese Reform ist nicht perfekt. Aber wir haben in den letzten Monaten für | |
Brandenburg noch erhebliche Verbesserungen aushandeln können, die sich auch | |
in dem Gesetz wiederfinden. Unter Abwägung aller Aspekte hielt ich es aus | |
fachlicher Sicht für nicht im Landesinteresse, dieses Gesetz zu versenken. | |
Eine Überweisung in den Vermittlungsausschuss hätte angesichts des | |
Ampel-Bruchs das Ende bedeutet. Eine Reform ist aber dringend notwendig. | |
Das heißt, wenn Sie am Freitag im Bundesrat hätten bleiben können, dann | |
wären Sie bei der Abstimmung aufgesprungen und hätten gesagt „Das trage ich | |
nicht mit“? | |
Ja, ich hätte der Präsidentin des Bundesrates angezeigt, dass ich für | |
Enthaltung stimme. Damit wäre der Dissens öffentlich gewesen und die | |
Stimmen ungültig geworden. | |
Ministerpräsident Woidke erklärte nach der Sitzung, er habe es nicht | |
hinnehmen können, dass eine Ministerin gegen die vorherrschende Meinung in | |
Brandenburg stimmt. Alle Akteur*innen des Landes seien für einen | |
Vermittlungsausschuss gewesen. | |
Herr Woidke hat am Mittwoch einen Krankenhausgipfel mit Klinikträgern und | |
Kommunalpolitikern veranstaltet. Ich war da auch anwesend und habe die | |
Sicht der Fachebene dargelegt. Es gab tatsächlich viele Stimmen, die gesagt | |
haben, ruft den Vermittlungsausschuss an! Eine klare, ungebrochene Haltung | |
habe ich aber nicht wahrgenommen. Die Kommunalpolitiker und die Kliniken | |
stehen sehr unter Druck und viele waren von der Hoffnung geleitet, dass man | |
im Vermittlungsausschuss noch Verbesserungen und Milliarden für eine | |
Übergangsfinanzierung aushandeln kann. | |
Daran glaubten Sie nicht? | |
Auch ich hätte mir gewünscht, es gäbe eine rückwirkende Erstattung der | |
gestiegenen Betriebskosten, eine Überbrückungsfinanzierung, bis die Reform | |
greift und eine echte Beteiligung des Bundes an den Transformationskosten. | |
Aber man muss doch mal realistisch sein: Die Ampel ist gerade unter anderem | |
deshalb gecrasht, weil ein Haushaltsloch von 19 Milliarden Euro nicht zu | |
stopfen ist! Selbst eine neue Bundesregierung kann nicht plötzlich | |
zusätzliche Milliarden regnen lassen. Die Herausforderungen werden doch | |
gigantisch. Die gesetzlichen Krankenkassen stehen mit dem Rücken zur Wand, | |
die Pflegeversicherung muss anders aufgestellt werden, die ganzen | |
Sozialversicherungssysteme stehen unter Druck. Zu glauben, man würde durch | |
ein Verschleppen dieser Reform mehr Geld rauskriegen, halte ich für | |
fahrlässig. | |
Lieber eine schlechte Reform als gar keine? | |
Wir hätten möglicherweise anderthalb Jahre im Reformprozess verloren, die | |
Ungewissheit der Krankenhäuser hätte weiter fortbestanden. Sie hätten | |
weiterhin nicht gewusst, in welche Richtung sie umbauen sollen. Und wir | |
hätten die guten Dinge verloren, die in dem Gesetz drin sind: voller | |
Ausgleich von Tarifsteigerungen, Zuschläge für bestimmte Leistungsbereiche | |
und so weiter. Weitere Details müssen auch noch ausgehandelt werden, dafür | |
werden in den nächsten Wochen noch Rechtsverordnungen erlassen, die | |
zustimmungspflichtig sind. Solche großen Reformen sind immer schwierig, sie | |
wurden in Deutschland seit Jahren boykottiert. Da muss man mal jetzt | |
endlich mal einsteigen, auch wenn nicht alles optimal ist. | |
Teilen Sie die Einschätzung anderer Flächenländer, dass die Reform die | |
Kliniken auf dem Land existenziell bedroht? | |
Dieses Argument höre ich immer wieder. Das ist doch eine völlige | |
Kausalitätsumkehr! Diese Kliniken stehen seit zwei, drei Jahren | |
wirtschaftlich unter massivem Druck. Durch die Reform soll ja gerade | |
versucht werden, eine ungesteuerte Bereinigung des Marktes zu verringern. | |
Es wird auch mit der Reform Insolvenzen geben. Aber es wird eben auch etwas | |
Geld und Strukturveränderungen geben. Und ohne Reform gibt es weder Geld | |
noch Strukturveränderungen. So simpel ist das. Die Insolvenzwelle droht | |
nicht wegen der Krankenhausreform. | |
Was machen Sie jetzt, nach Ihrer Entlassung? | |
Ich wäre ja sowieso aus dem Amt geschieden, voraussichtlich am 11. | |
Dezember, wenn Herr Woidke im Landtag erneut zum Ministerpräsidenten | |
gewählt wird. | |
…mit den Stimmen des BSW. Glauben Sie, das spielte eine Rolle bei ihrer | |
vorzeitigen Entlassung? | |
Sahra Wagenknecht hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie nichts von | |
der Krankenhausreform hält. Ich bin sicher, dass Herr Woidke seine | |
Wiederwahl nicht gefährden wollte und das zu seinen Motiven gehörte, mich | |
von allen Aufgaben zu entbinden. Ich hatte jedenfalls vor, am 11. Dezember | |
in Würde und mit Stil mein Haus an meine Nachfolgerin oder meinen | |
Nachfolger zu übergeben, mich von all meinen Mitarbeitenden zu | |
verabschieden und danach wäre ich in den Ruhestand gegangen. Jetzt bin ich | |
halt zwei Wochen früher aus meinem Büro ausgezogen. | |
22 Nov 2024 | |
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## AUTOREN | |
Manuela Heim | |
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