| # taz.de -- Konny Gellenbeck über ihre taz-Zeit: „Oje, jetzt kommt Konny sch… | |
| > Konny Gellenbeck war jahrelang das Gesicht der taz Genossenschaft. Jetzt | |
| > geht sie in den Ruhestand. Wie hat sie Menschen gewonnen, Millionen | |
| > gesammelt? | |
| Bild: „Alles wird gut“: Konny Gellenbeck im Büro der taz Genossenschaft | |
| An einem mittelgrauen Novembertag kommt Konny Gellenbeck in die taz Kantine | |
| zum Interview. Will sie eigentlich nicht, macht sie dann aber doch. Nachdem | |
| die beiden Geschäftsführer Kalle Ruch und Andreas Bull bereits im Ruhestand | |
| sind, bedeutet Gellenbecks Beendigung ihrer Leitungsfunktion Genossenschaft | |
| und Stiftung eine weitere personelle Zäsur im taz-Verlag. Sie hat die taz | |
| Genossenschaft und die taz Stiftung mit ihrem Team aufgebaut und groß | |
| gemacht. | |
| taz: Konny, Dein meistbenutzter Satz ist angeblich „Alles wird gut“. | |
| Konny Gellenbeck: Stimmt. | |
| taz: Die gesellschaftliche Stimmung tendiert derzeit dazu, dass alles | |
| schlecht wird. | |
| Konny Gellenbeck: Na ja, wir sind wirklich in einer sehr schwierigen Zeit. | |
| Mich erschüttert nicht nur [1][Trumps Wahl], sondern auch [2][das große | |
| Geld dahinter]. Dann: Der [3][Israel-Hamas-Konflikt], der meiner Meinung | |
| nach auch alle in Richtung Unversöhnlichkeit treibt. Und [4][der | |
| Ukrainekrieg] – nach drei Jahren ist nicht in Sicht, wie man das noch mal | |
| wenden kann im Interesse der Menschen und Frieden herstellen. Und in diesem | |
| Zusammenhang: die sozialen Netzwerke und wie sie agieren. | |
| taz: Was tun? | |
| Konny Gellenbeck: Aufgeben steht nicht zur Debatte, wir brauchen eine | |
| große, starke Bewegung der Zivilgesellschaft. Es ist toll, wenn drei | |
| [5][Millionen auf der Straße sind], aber das reicht nicht. Es braucht eine | |
| strukturelle Vernetzung und auch eine existenzielle Mobilisierung gegen | |
| diesen ganzen gesellschaftlichen Schwung nach rechts. Wir müssen einen | |
| Prozess organisieren, der demokratische Strukturen stärkt und für viele | |
| Menschen wieder attraktiv macht. Zu diesem Prozess gehören große und kleine | |
| Player dazu. | |
| taz: Die große Dagegen-Bewegung dieser Tage ist illiberal und | |
| antistaatlich. Die taz ist 1979 auch als Dagegen-Bewegung entstanden. Das | |
| ist kulturell bis heute sehr prägend. | |
| Konny Gellenbeck: Wir waren nicht nur dagegen. Die vorhandenen Medien | |
| lehnten wir ab, weil unsere Themen – Anti-AKW-Bewegung, Feminismus, | |
| Solidarität mit den Befreiungsbewegungen und mehr – nicht vorkamen. Eine | |
| eigene Zeitung, die taz, wurde gegen alle Widerstände gegründet | |
| taz: Aber wir haben uns schon im Widerstand gegen die | |
| ‚Mainstream-Gesellschaft‘ gesehen. | |
| Konny Gellenbeck: Ja, das stimmt. | |
| taz: Die Vorstellung, dass man mit politisch Anderstickenden etwas zusammen | |
| hinkriegen kann oder sogar muss, ist kulturell und emotional sehr | |
| schwierig. | |
| Konny Gellenbeck: Aber in entsprechenden Situationen geht das, wenn man | |
| groß und breit werden will. Das war schon bei der großen Anti-AKW-Bewegung | |
| in den Siebzigern so, das kennt Fridays for Future. | |
| taz: Da bist Du eine der wenigen gewesen, die das früh verstanden hat und | |
| in der Lage war, das aktiv umzusetzen. | |
| Konny Gellenbeck: Das glaube ich nicht, sonst hätte das Unternehmen taz gar | |
| nicht überlebt. Es hätte nicht überlebt, wenn Kalle … | |
| taz: … der langjährige [6][Geschäftsführer Kalle Ruch]... | |
| Konny Gellenbeck: … nicht zu jedem Zeitpunkt überlegt hätte, wo wir | |
| hinwollen und wen wir dafür brauchen, auch aus einem anderen | |
| gesellschaftlichen Milieu. So haben eigentlich alle in der taz agiert, die | |
| Verantwortung übernommen haben. Das war meiner Meinung nach auch das | |
| Erfolgskonzept von [7][Bascha Mika], unserer ehemaligen langjährigen | |
| Chefredakteurin. Oder die letzte große Rettungskampagne 2000. Da standen | |
| wir ja vor dem Aus. Im Spiegel stand schon: „Die taz ist tot“. | |
| taz: Und dann kam Harald Schmidt und sagte: „Die taz ist unsterblich.“ | |
| Konny Gellenbeck: Das meine ich. [8][Stefan Kuzmany] ist damals auf die | |
| unterschiedlichsten Leute zugegangen und dann kamen 167 Prominente und | |
| sagten: TAZ muss sein! Übrigens hat diesen Werbespruch ein taz-Leser | |
| erfunden. | |
| taz: Linke haben bisweilen ein unsouveränes Verhältnis zu Geld. Du hast | |
| Millionen eingesammelt und offenbar gar kein Problem damit? | |
| Konny Gellenbeck: Nein, überhaupt nicht. Schon bei meinen allerersten | |
| Aktionen, 1976 in Münster, war ich immer diejenige, die zu Leuten gehen | |
| musste und nach Geld fragen, zum Beispiel für Plakate. Bei der | |
| Anti-Atomkraft-Bewegung musste man Busse mieten, Kautionen hinterlegen. Man | |
| brauchte immer Leute, die andere nach Geld fragten. Das war vielen | |
| unangenehm. | |
| taz: Warum Dir nicht? | |
| Konny Gellenbeck: Ich dachte immer, ich frage ja nicht für mich persönlich, | |
| sondern für eine Idee oder eine Aktion, wir wollen ja was bewegen. Ich bin | |
| manchmal bei einer Fundraising-Akademie, wo Leute ausgebildet werden für | |
| Geldakquise, da kam die Frage auf: Sie haben die letzten Jahrzehnte ganz | |
| schön oft nach Geld gefragt, waren die Leute nicht irgendwann müde und | |
| überdrüssig und haben gesagt, es reicht mir? Oder: War Ihnen das nicht | |
| peinlich? Und da kann ich wirklich mit voller Überzeugung sagen: Wenn die | |
| Leute dein Engagement sehen und spüren, du fragst nach Geld, um etwas zu | |
| erreichen, dann springt der Funke über und Viele machen mit. | |
| taz: Was hat Dich zur taz gebracht? | |
| Konny Gellenbeck: Ich habe 4 1/2 Jahre bei einer senatseigenen Bank in | |
| Berlin gearbeitet. Gleichzeitig war ich aber auch Hausbesetzerin und | |
| politisch aktiv. Deshalb bin ich später, 1986, durch Zufall zur taz | |
| gegangen, zuerst als Aushilfskraft in der Abo-Abteilung. 1993 wurde ich in | |
| den Vorstand gewählt, und als 1996 die zweite große Rettungskampagne für | |
| die taz anstand, habe ich angeboten, [9][die taz Genossenschaft] zu | |
| reaktivieren. Es gab dann harte Vorgaben von Kalle und Andi … | |
| taz: … [10][Andreas Bull, der zweite Geschäftsführer] neben Kalle Ruch … | |
| Konny Gellenbeck: … weil wir ja überhaupt kein Geld hatten. Kalle hat | |
| gesagt: Du hast ein Jahr Zeit und musst 500.000 Mark akquirieren, das wären | |
| heute etwa 250.000 Euro. Schaffst du das nicht, musst du zurück in die | |
| Abo-Abteilung. Ich war am Anfang alleine für den Bereich Genossenschaft | |
| zuständig, hatte aber ganz viel Unterstützung. Thomas Purps, unser | |
| Controller, und Susanne Hüsing, damals Leiterin Abo, halfen bei der | |
| Umstrukturierung der Datenbank. Und Klaudia Wick, damals Chefredakteurin | |
| der taz, sagte: Konny lass uns das Projekt Genossenschaft zusammen angehen. | |
| So haben wir in der Anfangsphase alle Konzepte zusammen mit Kalle und Andi | |
| entwickelt. Nach ihrer Zeit in der taz haben Klaudia und ich fast alle | |
| Kampagnen gemeinsam auf den Weg gebracht. Und dann die Satelliten: Jony | |
| Eisenberg, [11][Christian Ströbele] und Bernhard Brugger, ihre | |
| Unterstützung in den beschwerlichen Anfangsjahren kann man nicht oft genug | |
| benennen. Fundraising war in Deutschland fast unbekannt und unsere Arbeit | |
| war am Anfang schwerfällig und wir haben Fehler gemacht. | |
| taz: Welche? | |
| Konny Gellenbeck: Wir wollten, dass die Leute gleich bei der Genossenschaft | |
| einsteigen und Mitglied werden, und es hat sich auf unsere Aufrufe kaum | |
| jemand gemeldet. Dann habe ich zu Kalle gesagt: Wir müssen alles ganz neu | |
| aufbauen, die Leute erst mal anschreiben und interessieren – und dafür | |
| brauche ich einen Etat. Kalle hat gedacht, jetzt dreht Konny durch, die | |
| Kassen waren ja total leer. Aber letztlich hat er mich machen lassen. Wir | |
| haben zweimal im Jahr per Post Interessenten angeschrieben und danach die | |
| telefonische Nachakquise aufgesetzt. Tine Pfeiff, Anita Knierim und ich | |
| haben abends alle Interessenten angerufen und auch mal eine Stunde mit den | |
| Leuten geredet, um ihnen zu sagen, warum es wichtig ist, ein unabhängiges | |
| Medium zu unterstützen. Der gute Draht zur Redaktion war dafür extrem | |
| wichtig. | |
| taz: Wenn ich in Stanford oder einer US-Uni fett spende, dann kriege ich | |
| meinen Namen auf ein Gebäude. Was genau kriege ich bei der | |
| taz-Genossenschaft oder [12][Panter Stiftung]? | |
| Konny Gellenbeck: Was Menschen bewegt, ist ein Gegenwert, der eben nicht | |
| nur ideell ist. Als Genoss*in hat man keinerlei finanzielle Vorteile und | |
| auch kein redaktionelles Mitspracherecht. Aber man ist Eigentümerin dieses | |
| Mediums und hat morgens die taz im Briefkasten oder im E-Mmail-Fach, also | |
| einen sehr realen Gegenwert. Die gewachsene Relevanz der taz in den letzten | |
| 45 Jahren stärkt dieses Verhältnis zwischen Geldgeber*innen und | |
| tazlern. Deshalb ist die Genossenschaft von ursprünglich 3.000 Mitgliedern | |
| inzwischen auf fast 24.000 Mitglieder angewachsen. Allein in diesem Jahr | |
| sind 1.000 neue Mitglieder hinzugekommen und über 1.000 Mitglieder haben | |
| ihren Anteil für die Renovierung des Rudi Dutschke Hauses erhöht. | |
| taz: Und bei der Stiftung? | |
| Konny Gellenbeck: Die taz Panter Stiftung ist gemeinnützig und man bekommt | |
| [13][für jede Spende] eine Spendenbescheinigung. Also man hat einen | |
| steuerlichen Vorteil. So kommen jedes Jahr 800.000 bis 900.000 Euro | |
| zusammen. Das Wichtigste ist aber, dass die Geldgeberinnen und Geldgeber | |
| bei der Stiftung sehen, was ihr Geld bewirkt. | |
| taz: Was zum Beispiel? | |
| Konny Gellenbeck: Als 2016/2017 mehr als 250 Journalisten in der Türkei | |
| inhaftiert waren, auch [14][unser ehemaliger Kollege Deniz Yücel], haben | |
| wir mit geringen Mitteln [15][„taz Gazete“], ein deutsch-türkisches | |
| Online-Portal, aufgesetzt und haben so etwa 50 Journalist*innen in der | |
| Türkei ermöglicht zu publizieren. Dafür haben Spenderinnen und Spender | |
| gerne Geld gegeben. Mit Beginn des Krieges gegen die Ukraine haben wir | |
| innerhalb von drei Wochen 250.000 Euro an Spenden für [16][ein | |
| Kriegstagebuch unter dem Motto „Krieg und Frieden“] mobilisiert. Eine Idee | |
| von Elke Schmitter aus dem Kuratorium der Stiftung. Das wurde in der taz | |
| und dann als Buch veröffentlicht. | |
| taz: „Dialog trotz Krieg“? | |
| Konny Gellenbeck: Wir haben auch Helme und schutzsichere Westen für | |
| Journalist*innen in der Ukraine organisiert. Mit dem Motto ‚Dialog | |
| trotz Krieg‘ haben wir in Absprache mit dem Kuratorium aber nicht nur auf | |
| die Kriegsschiene gesetzt. Der immense Spendenrücklauf für Osteuropa in den | |
| letzten drei Jahren ist auch darauf zurückzuführen, dass wir ein eigenes | |
| Profil hatten, das aus dem Mainstream herausfiel und der politischen Seele | |
| unserer Mitglieder entspricht. Mit dem Geld haben wir unter anderem | |
| [17][journalistische Workshops] ins Leben gerufen, bei denen | |
| Ukrainer*innen und Kolleg*innen aus Russland, Moldau, Armenien, | |
| Kirgisien hier in der taz getagt haben. Fünf haben wir inzwischen mithilfe | |
| des Auswärtigen Amtes organisiert. Ich erinnere mich noch an den ersten im | |
| November 2022. Am Anfang habe ich gedacht; oje, das wird nicht | |
| funktionieren. Die Teilnehmer*innen waren zu Beginn wie erstarrt, die | |
| Ukrainer*innen trafen zum ersten Mal seit Kriegsausbruch auf Russ*innen. | |
| taz: Und? | |
| Konny Gellenbeck: Am Ende lagen die sich in den Armen und haben alle | |
| geheult. Solche Erfahrungen geben uns auch Kraft für unsere Arbeit. | |
| taz: Das hätte ich nicht gedacht, dass Osteuropa so ein wichtiger Faktor | |
| der Stiftung wird. | |
| Konny Gellenbeck: [18][Barbara Oertel, Leiterin des Ressorts Ausland], war | |
| die Erste, die gesagt hat: Lass uns einen Osteuropa-Workshop machen. Damals | |
| war Osteuropa für viele uninteressant. Seit 2011 haben wir kontinuierlich | |
| Osteuropa-Workshops durchgeführt und damit auch eine internationale | |
| Ausrichtung der Stiftung eingeleitet. Dadurch hatten wir zu Beginn des | |
| Ukrainekrieges auch ein bereits starkes Netzwerk in Osteuropa, auf das wir | |
| zurückgreifen konnten. Dass wir unsere Osteuropa-Projekte so erfolgreich | |
| umsetzen konnten, hat mit [19][Tigran Petrosyan] zu tun, dem Projektleiter | |
| Osteuropa. Er hat damit etwas Bleibendes geschaffen. | |
| taz: Man attestiert Dir Durchsetzungsstärke, Hartnäckigkeit bei | |
| gleichzeitiger Freundlichkeit. Ist das die Konny-Methode? | |
| Konny Gellenbeck: Ich bin radikal freundlich. Ich habe immer versucht, mit | |
| Freundlichkeit die Kolleg*innen zu motivieren, das Beste aus Projekten | |
| rauszuholen. | |
| taz: Also das zu machen, was Du wolltest? | |
| Konny Gellenbeck: Ich weiß, dass ich intern auch total viele Leute genervt | |
| habe, die sagten: Oje, jetzt kommt Konny schon wieder und will noch eine | |
| Veränderung oder hat eine neue Idee. | |
| taz: Dir wird auch Härte attestiert. | |
| Konny Gellenbeck: Ja, totale Härte. Also ich bin oft heulend nach Hause | |
| gefahren, weil ich fertig war. | |
| taz: Also doch nicht hart? | |
| Konny Gellenbeck: Doch, in der Sache bin ich schon hart, aber ich habe das | |
| oft nicht einfach weggesteckt. Ich war oft gestresst. Früher waren die | |
| taz-Strukturen viel härter. Ich saß bei Sitzungen mit Jony Eisenberg, | |
| Christian Ströbele, [20][Klaus Wolschner], [21][Kalle], Andi. Das waren | |
| nicht nur Männer, sondern sie waren kompetent und engagiert. | |
| taz: Das hört sich nicht gut an. | |
| Konny Gellenbeck: Ich musste mich am Anfang da erst reinfinden. Das war | |
| sehr anstrengend. Aber Kalle, Andi und auch Christian Ströbele waren meine | |
| Mentoren. Sie haben mich unterstützt und mich gestalten lassen, ohne sie | |
| wäre ich in der taz nix geworden. Aber am Anfang war es für mich schwer, | |
| ernst genommen zu werden. Da brauchte es Hartnäckigkeit, Dranbleiben, | |
| Nichtaufgeben. Dass ich das gut machen konnte, liegt daran, dass ich Lust | |
| hatte, diesen Job zu machen. Das ist wie bei jedem, der Lust auf seinen | |
| Beruf hat, der Beruf wird irgendwann Teil der eigenen Persönlichkeit | |
| taz: Was heißt das konkret? | |
| Konny Gellenbeck: Dass ich Lust habe auf Menschen, dass ich politisch bin | |
| und das Projekt vertreten kann und dass ich den größten Meckerer ertragen | |
| kann. Oder mehr noch: Ich habe gerade vor den Meckerern große Achtung. | |
| taz: Warum das denn? | |
| Konny Gellenbeck: Wer meckert, der bleibt. So meine Erfahrung. Wer ganz | |
| aussteigt, der meckert nicht, der geht. Aber wer meckert, den erreichst Du | |
| noch. | |
| taz: Was war der entscheidende Punkt, der Dich von einer linken Aktivistin | |
| zu einer Frau gemacht hat, die in Salons von Millionären Geld für | |
| unabhängigen Journalismus akquiriert? | |
| Konny Gellenbeck: Vorweg, die Millionäre sind nicht meine Zielgruppe. Die | |
| brauchen wir auch, aber mit 500 Euro kann man bei der taz Geno Mitglied | |
| werden. Ich habe immer auf diese vielen kleinen Beteiligungen gesetzt. Und | |
| ich bin immer noch links. | |
| taz: Was heißt das heute? | |
| Konny Gellenbeck: In vielen Fragen habe ich eine klare linke Position, für | |
| die ich mich engagiere und auf die Straße gehe. Deshalb habe ich auch über | |
| 30 Jahre bei der taz gearbeitet. | |
| taz: Hat denn die taz in diesen Jahren seit Gründung von Verlag, | |
| Genossenschaft und Stiftung viel erreicht oder haben wir zu wenig erreicht? | |
| Konny Gellenbeck: Wir haben ungeheuer viel erreicht. Die taz hat in den | |
| letzten Jahrzehnten fast alle Debatten mit beeinflusst. Wir haben als | |
| Medienunternehmen nicht nur den Journalismus erweitert, sondern auch die | |
| anderen Medien verändert. Es gibt ja so etwas wie eine Pipeline von | |
| ehemaligen Kolleg*innen in fast alle anderen Medien. [22][Wir haben zwei | |
| Häuser]. Wir haben ein riesiges Unterstützungsnetzwerk von fast 24.000 | |
| Genossenschaftsmitgliedern. Wir sind gewachsen, auch im Hinblick darauf, | |
| wer uns liest, nutzt und gut findet. Heute sind das so viele Menschen wie | |
| nie zuvor. Fast 40.000 Menschen [23][zahlen freiwillig für unsere | |
| Onlineangebote, obwohl sie alles umsonst haben könnten]. Und die taz gibt | |
| 250 Leuten einen Job. Ich sehe die taz ganz groß. Mit diesem Bewusstsein | |
| bin ich auch immer auf Leute zugegangen wenn ich nach Geld gefragt habe. | |
| taz: Was ist die DNA der taz? | |
| Konny Gellenbeck: Die taz ist größer als jede/r Einzelne von uns. Hunderte | |
| von Leuten haben darin Ideen, Engagement und Lebenszeit reingesteckt. Viele | |
| Menschen haben die Idee und das Unternehmen taz mit Geld unterstützt. Das | |
| ist eine grandiose Kombi und funktioniert schon seit 45 Jahren, das fing | |
| schon vor Erscheinen der taz mit den 7.500 Voraus-Abos an. | |
| taz: Die Leute haben 1979 gezahlt, damit die taz überhaupt erscheinen | |
| konnte. | |
| Konny Gellenbeck: Das ist der rote Faden in der taz-Geschichte. Die taz | |
| lebt durch die Solidarität ihrer Unterstützer*innen, die sich für deren | |
| ökonomischen Erfolg verantwortlich fühlen. Meine Aufgabe war es, diese | |
| Brücke zu schlagen zwischen dem Projekt und den Leuten, denen die taz | |
| wichtig ist und die Geld geben wollen. Die taz ist eine intelligente | |
| Struktur. | |
| taz: Was heißt das? | |
| Konny Gellenbeck: Die taz hat sich in wichtigen Situation für den richtigen | |
| Weg entschieden, etwa bei der Gründung der taz Genossenschaft. Sie hat ein | |
| Gespür dafür, die richtigen Leute an die richtigen Stellen zu setzen. Davon | |
| habe ich absolut profitiert. Alleine schafft man nix. Im Genossenschafts- | |
| und Stiftungsteam haben über die letzten fast 30 Jahre 25 Leute gearbeitet. | |
| Alle total unterschiedlich, mit diversen Fähigkeiten und immer neuen Ideen. | |
| Bis heute ist jede/r Mitarbeiter*in an dem Erfolg des Projekts taz | |
| beteiligt. In der Redaktion ganz sichtbar, denn eine gute Berichterstattung | |
| ist die Basis, aber die vielen unsichtbaren Kolleg*innen sind genauso | |
| wichtig. Wenn Zahlen nicht stimmen, der Vertrieb nicht läuft, unsere | |
| Veröffentlichungen nicht schön gestaltet sind, und, heute absolut wichtig, | |
| die Webentwickler und EDV. Wenn dann noch das Essen in der [24][taz | |
| Kantine] schmeckt, super!!! | |
| taz: Wie siehst Du die Zukunftschancen für die taz? | |
| Konny Gellenbeck: Wir haben unter Corona-Bedingungen in den letzten Jahren | |
| einen riesigen Generationswechsel durchlaufen. In der Geschäftsführung mit | |
| [25][Aline Lüllmann] und [26][Andreas Marggraf], in der Leitung der | |
| Genossenschaft [27][Lana Wittig] und bei der taz Panter Stiftung mit | |
| [28][Gemma Terés Arilla]. In fast allen Bereichen der taz hat dieser Wandel | |
| stattgefunden. Dass das so reibungslos und lautlos gelungen ist, war nicht | |
| absehbar und das liegt an den Menschen, die jetzt die taz tragen. Da sind | |
| überall Leute, die genauso engagiert sind wie wir in der Anfangsphase und | |
| mit großer Kompetenz das Unternehmen weiterführen. Das freut mich, davor | |
| ziehe ich meinen Hut. | |
| taz: Was ist das beste Alter, Konny? | |
| Konny Gellenbeck: Jedes Alter ist schön. | |
| Och, ne. | |
| Konny Gellenbeck: Mir geht das so. Als ich jung war, hatte ich eine tolle | |
| Zeit, und jetzt habe ich auch eine tolle Zeit. Das Wichtigste ist, dass man | |
| gesund ist, dass man neugierig bleibt und nicht verknöchert ist. | |
| taz: Nach dem Ende des klassischen Berufslebens hätte man neue Freiräume, | |
| sich für das Gemeinwohl einzusetzen. Der Trend geht aber zu Frührente und | |
| Weltreise. Was machst Du? | |
| Konny Gellenbeck: Weltreise mache ich nicht. Aber ich verreise gerne. Ich | |
| berate kleine NGOs und Strukturen im Fundraising, unterstütze hier und da | |
| die Arbeit der Stiftung und habe eines mit der taz Genossenschaft | |
| verabredet: Ich kümmere mich um das Erbenprojekt der taz. | |
| taz: Man kann sich vorstellen, dass Du nicht immer total glücklich mit der | |
| Redaktion bist? | |
| Konny Gellenbeck: Ich bin wie eine normale Leserin, manches gefällt mir, | |
| anderes nicht. Aber selbst wenn ein Kommentar in der taz steht, den ich | |
| politisch absolut daneben finde, verteidige ich den. Jede/r Redakteur*in | |
| darf hier schreiben, was sie will. Dafür ist die taz wirklich gegründet | |
| worden, dass es hier keine innere oder äußere Zensur gibt und geben darf. | |
| 4 Dec 2024 | |
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