| # taz.de -- Neue Nationale Sicherheitsstrategie: Greenwashing von Waffen | |
| > SPD und Grüne wollen die deutsche Rüstungsindustrie stärken. Unternehmen | |
| > sollen künftig auch mit Nachhaltigkeitsfonds finanziert werden. NGOs | |
| > sehen das kritisch. | |
| Bild: Grüne Zeitenwende? Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) klettert auf einen Ge… | |
| Berlin taz | Nachhaltige und ökologische Investitionen erfreuen sich am | |
| Finanzmarkt anhaltender Beliebtheit. Anleger sollen ganz ohne schlechtes | |
| Gewissen Geld investieren, denn mit ihrem Kapital werde Gesellschaft und | |
| Umwelt ja positiv gefördert. Allerdings ist es oftmals eine | |
| Definitionssache, was eine nachhaltige Geldanlage ausmacht. Geht es nach | |
| der Bundesregierung, dann sollten Investitionen in die Rüstungsindustrie | |
| nun auch dazugehören. Denn die Verteidigungsindustrie leiste „einen | |
| wichtigen Beitrag zu Resilienz, Sicherheit und Frieden“, findet Rot-Grün, | |
| wobei „selbstverständlich“ Völkerrecht und internationale Verträge | |
| berücksichtigt werden müssten. | |
| Darauf haben sich gerade Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und | |
| Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) geeinigt. Mit zwei Monaten | |
| Verspätung und ohne den inzwischen entlassenen FDP-Finanzminister Christian | |
| Lindner hat das Kabinett am Mittwoch die neue [1][Nationale Sicherheits- | |
| und Verteidigungsindustriestrategie] der Bundesregierung beschlossen. Die | |
| soll die deutsche Rüstungsindustrie stärken, gerade auch wegen der Ukraine, | |
| die militärisch weiter unterstützt werden soll. Ziel müsse sein, | |
| „hochmoderne Waffensysteme – auch gemeinsam mit unseren Verbündeten – zu | |
| entwickeln und vor allem auch in ausreichender Stückzahl zu produzieren“, | |
| so Pistorius, der in der Strategie „ein neues Kapitel in den Beziehungen | |
| zwischen Staat und Industrie“ sieht, „ganz im Sinne der Zeitenwende“. | |
| Einen Schwerpunkt legt die Strategie darauf, die Finanzierung von | |
| Rüstungsunternehmen „durch Banken und Kapitalmärkte“ zu verbessern. Und da | |
| kommt die Nachhaltigkeit ins Spiel: ESG-Fonds, die für Umwelt | |
| (Environment), Soziales (Social) und gute Unternehmensführung (Governance) | |
| stehen, könnten „selbstverständlich auch in Unternehmen der SVI | |
| investieren“, heißt es dort mit Bezug auf die Sicherheits- und | |
| Verteidigungsindustrie. | |
| Damit geht ein lang gehegter Wunsch der deutschen Rüstungsindustrie in | |
| Erfüllung, die [2][massiv Lobbyarbeit] dafür gemacht hatte. Die Strategie | |
| enthält weitere Neuerungen, die in dem [3][Rohentwurf], den das Portal | |
| Politico geleakt hatte, noch gar nicht vorgekommen waren. So macht sich die | |
| Bundesregierung für eine „restriktive Rüstungsexportpolitik“ stark, „f�… | |
| die Menschenrechte ein entscheidender Maßstab sind“, so Wirtschaftsminister | |
| Habeck. | |
| Industrie freut sich | |
| Käuferländer sollten sich dennoch finden lassen: in EU- und Nato-Staaten, | |
| der Nato gleichgestellten Ländern oder auch „ausgewählten Partnerstaaten“, | |
| womit von Israel über Indien bis Südkorea einiges abgedeckt werden könnte. | |
| Umstritten dürften Exporte dennoch bleiben, etwa bei Rüstungsgütern, die in | |
| mehreren europäischen Ländern produziert werden, wie der Eurofighter. Hier | |
| will sich die Bundesregierung für eine „Weiterentwicklung des | |
| EU-Regelwerks“ einsetzen. | |
| Gleichzeitig setzt die Rüstungsstrategie aber auch nationale Prioritäten. | |
| So werden Schlüsseltechnologien definiert zur „Aufrechterhaltung und | |
| Stärkung der strategischen Souveränität“ sowie der Handlungsfähigkeit der | |
| Bundesrepublik. Auch soll bei ausländischen Investitionen in Deutschland | |
| der „Abfluss von Know-how ins Ausland erforderlichenfalls“ verhindert | |
| werden. Staatliche Beteiligung an Rüstungsfirmen soll „ausnahmsweise in | |
| besonderen strategischen Fällen“ möglich sein. | |
| Als „wichtigen Zwischenschritt“ lobte die Industrie den Entwurf, den | |
| Pistorius und Habeck am Donnerstag bei einem Treffen persönlich | |
| präsentierten. „Einige unserer Vorschläge“ fänden sich in der Strategie | |
| wieder, teilten der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und | |
| Verteidigungsindustrie (BDSV) und der Bundesverband der Deutschen Luft- und | |
| Raumfahrtindustrie (BDLI) mit. Nun müsse das Beschlossene schnell umgesetzt | |
| werden, mahnte BDSV-Hauptgeschäftsführer Hans Christoph Atzpodien. Man | |
| dürfe „die Zeit bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung nicht | |
| verstreichen“ lassen. | |
| Gar nicht einverstanden mit der neuen Richtlinie ist dagegen Thomas | |
| Küchenmeister von der [4][NGO Facing Finance,] die sich für soziale und | |
| ökologische Geldanlage einsetzt: „Auch wenn Rüstungsexporte politisch | |
| notwendig erscheinen, bedeutet das noch lange nicht, dass sie auch | |
| nachhaltig sind.“ Sollte sich das durchsetzen, „dürfte das ohnehin schon | |
| beschädigte Vertrauen in nachhaltige Finanzprodukte noch mehr erschüttert“ | |
| werden. Er mahnt, auch auf international verbindliche Verträge zu achten: | |
| Unternehmen, die Antipersonenminen oder Streubomben herstellen oder gegen | |
| den Arms Trade Treaty (ATT) verstoßen, dürften von Banken nicht finanziert | |
| werden. Davon seien dann auch Firmen betroffen, deren Waffen „wissentlich | |
| für Kriegsverbrechen eingesetzt werden“. | |
| 5 Dec 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.bmvg.de/resource/blob/5865332/d4d0d9ab55edde72a11cee2a3ca59d3b/… | |
| [2] /Waffenlobby-in-der-EU/!6041646 | |
| [3] /Ruestungsstrategie-der-Bundesregierung/!6031177 | |
| [4] https://www.facing-finance.org/en/ | |
| ## AUTOREN | |
| Dirk Eckert | |
| ## TAGS | |
| Rüstungsindustrie | |
| Waffenexporte | |
| Lobbyismus | |
| Social-Auswahl | |
| MAD | |
| Rüstungskonzern | |
| Waffenexporte | |
| Rüstungskonzern | |
| Verdi | |
| Europäische Union | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Bundeswehr: Kabinett will Militär stärken | |
| Die Bundesregierung hat ein Gesetzespaket gegen Sabotage und Spionage | |
| gebilligt. Grund sei die veränderte Bedrohungslage seit dem Ukrainekrieg. | |
| Krieg und Rüstung: Klingelnde Kassen | |
| Die Ausgaben für Waffen steigen, bei Rüstungsunternehmen klingeln die | |
| Kassen. Wäre eine Übergewinnsteuer die Lösung? | |
| Waffenexporte an die Türkei und Israel: Deutsche Waffen in alle Welt | |
| 2024 exportierte die Bundesregierung Waffen im dreistelligen | |
| Millionenbereich, sagt ein neuer Bericht. Man missachte die eigenen | |
| Grundsätze. | |
| Sipri-Bericht über Waffenexporte: Rüstungskonzerne erzielen hohe Gewinne | |
| Die israelische Rüstungsindustrie verzeichnete im Jahr 2023 | |
| Rekordeinnahmen. Auch international fahren die Rüstungsunternehmen ihre | |
| Kapazitäten hoch. | |
| Gewerkschaften und Rüstungsindustrie: Hauptsache, Arbeitsplätze? | |
| Die IG Metall und die Chemiegewerkschaft IG BCE sind vom Rüstungsboom | |
| erfreut. Aber es regt sich auch Widerstand in DGB-Gewerkschaften. | |
| Waffenlobby in der EU: Wie Rüstung nachhaltig werden soll | |
| Die EU erwägt, Rüstungsfirmen als nachhaltig zu klassifizieren. Recherchen | |
| von Taz und LobbyControl zeigen: Die Branche hat dafür lobbyiert. |