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# taz.de -- Rechtsextremismus in Rumänien: Im Visier der Nationalisten
> In Rumänien hat die extreme Rechte bei Wahlen zunehmend Erfolg. Die
> Journalistin Adina Marincea klärt über die Szene auf – und wird bedroht
> und diffamiert.
Bild: In Rumäniens Hauptstadt Bukarest protestieren Menschen am 27. November g…
Bukarest und Wien Wenn Adina Marincea in Bukarest durch die Straßen
schlendert, kann sie nicht mehr übersehen, dass sie Feinde hat. Oder
vielmehr: dass Nationalist*innen sie als ihre Feindin auserkoren
haben – für ihre Arbeit als Journalistin, als Wissenschaftlerin und als
emanzipierte Frau. In einer Seitenstraße, unweit der belebten Altstadt von
Rumäniens Hauptstadt, zeugt davon ein Graffiti. „Ana Pauker ist nicht
gestorben, sie hat sich als Adina geschminkt“, steht dort auf Rumänisch in
schwarzen Lettern an einer Hauswand, gefolgt von einem Keltenkreuz, einem
Erkennungszeichen der faschistischen Szene.
Das Graffiti ist eine sexistisch, antisemitisch und antikommunistisch
konnotierte Diffamierung der Journalistin Marincea – in Rumänien ist das
durch den Verweis auf Ana Pauker verständlich. Pauker war Jüdin, Mitglied
des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei, von 1947 bis 1952
Außenministerin Rumäniens – und eine Frau. Sie verkörpert für die
Ultrarechten somit gleich dreifach das Übel der Moderne. Der Spruch, der
Marincea mit ihr in Verbindung bringt, ist mittlerweile teilweise übermalt,
die eigentliche Botschaft darunter aber noch zu erkennen.
Die beschmierte Hauswand zeugt in der analogen Welt von einer Hetzkampagne,
mit der Marincea seit knapp drei Jahren vor allem digital überschüttet
wird.
Rumäniens Rechte wähnen sich schon seit einiger Zeit in einem Kulturkampf
gegen eine gesellschaftliche Erneuerung in dem Land, das von dem schroffen
Gegensatz zwischen den armen ländlichen Regionen und der kosmopolitischen
Metropole Bukarest mit seinen hippen Bars und einem boomendem IT-Sektor
geprägt ist. [1][Nationalist*innen greifen Veranstaltungen der
LGBTQI-Szene an], die in [2][Bukarest stark und präsent ist], sie agitieren
gegen die Westbindung in EU und Nato und leugnen Rumäniens Holocaust
während der Zeit des Zweiten Weltkrieges. Sie kämpfen für Gott und
Großrumänien, ihre Leitbilder sind die traditionelle Familie und [3][die
faschistische Legionärsbewegung aus vergangener Zeit].
Das zeigt sich überall im Bukarester Straßenbild. An Laternenpfählen
erklären Sticker „Bessarabien“ zu einem Teil Rumäniens, jenen Landstrich
also, der heute in der Republik Moldau und der Ukraine liegt. Daneben
werben Aufkleber für neofaschistische Organisationen, mit durchgestrichenen
Antifa-Zeichen oder antikommunistischen Symbolen. An Häuserwänden
präsentiert sich Antisemitismus: Die Plakate, die an die israelischen
Geiseln der Hamas erinnern sollen, sind fast alle zerrissen und mit
rechtsextremen Emblemen verunstaltet.
[4][Laut sind die Nationalist*innen vor allem im Netz], doch sie
feiern auch im realen Leben Erfolge. Umfragen sagen für die anstehende
Parlamentswahl am Sonntag, den 1. Dezember, beachtliche Erfolge der rechten
Parteien voraus. Eine Woche zuvor erlebte Rumänien davon einen
Vorgeschmack: [5][Bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahl errang
überraschend der parteilose Rechtsextremist Călin Georgescu mit knapp 23
Prozent die meisten Stimmen]. Um die Wahl gibt es Turbulenzen: Das
rumänische [6][Verfassungsgericht hat am Donnerstag die Neuauszählung der
Stimmen veranlasst]. Dich bislang bleibt es dabei: Georgescu tritt am 8.
Dezember in einer Stichwahl gegen Elena Lasconi an, die Kandidatin der
neoliberalen Technokratenpartei „Union Rettet Rumänien“ (USR), die rund 20
Prozent der Stimmen erzielte. Lasconi gilt in der Stichwahl als Favoritin.
Laut Umfrage vor der ersten Wahlrunde wünscht sich eine deutliche Mehrheit
der Rumänen ein prowestliches und erfahrenes Staatsoberhaupt.
Gegen Georgescu war vor zwei Jahren noch wegen der Verherrlichung von
Verantwortlichen des Holocaust ermittelt worden, was jedoch im Sande
verlief. Er hatte vor allem mit einer Kampagne auf der
Social-Media-Plattform Tiktok Wählerstimmen gewonnen, warb mit
prorussischen Parolen und einer Wiedergewinnung der vermeintlich verlorenen
nationalen Souveränität Rumäniens. In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit,
aber auch einer generellen rechten Mobilisierung fand das mehr Zustimmung
als erwartet.
In dieser Atmosphäre rechter Selbstverteidigungsphantasien, die auch
Georgescu bedient, wird die Journalistin Marincea zu einer Art
Gegenspielerin. Sie bietet viel Projektionsfläche für rechten Hass:
Marincea ist promovierte Kommunikationswissenschaftlerin und beobachtet für
das Bukarester Elie-Wiesel-Institut die populistische und extreme Rechte
Rumäniens insbesondere im digitalen Raum. [7][2021 begann sie zudem, in der
reichweitenstarken Zeitung „Libertatea“ auch einer breiteren Öffentlichkeit
von ihren Erkenntnissen zu berichten] – in meinungsstarken Beiträgen, die
sie mit Belegen untermauerte.
## Journalistin Marincea ist für Nationalisten ein rotes Tuch
Auf den Hass hat Marincea sich vorbereitet. Ein paar Tage, bevor ihr erster
kritischer Artikel erschien, stellte sie ihre Konten in den sozialen Medien
auf privat, durchsuchte das Netz nach ihren persönlichen
Kontaktinformationen, räumte auf. Wer vorhatte, ihr zu schaden, sollte
nicht auch noch biografische Details gegen sie verwenden können.
Als sie am 31. Januar 2022 erstmals über die rechtspopulistische Partei AUR
und deren Verbindungen zu faschistischen Organisationen aufklärte, folgte
das befürchtete Echo prompt. Seitdem überziehen Rumäniens Rechtsextremisten
sie kontinuierlich mit Drohungen, Entwürdigungen und Beleidigungen, es
wurden sexistische Gedichte über sie geschrieben und das
Anti-Marincea-Graffiti in die Stadt geschmiert. Die Urheber sind rechte
Ultra-Gruppen, faschistische Publizisten, Politiker*innen und sogar
ein ehemaliger Oberst des Inlandsgeheimdienstes.
„Mit der Zeit habe ich mich ein bisschen daran gewöhnt und akzeptiert, dass
es einige Risiken gibt“, sagt Marincea. An einem heißen Tag im April 2024
sitzt sie für ein Interview im Konferenzraum des Elie-Wiesel-Instituts in
Bukarest. An den Wänden erinnern Zeichnungen an die Gräuel des Holocaust,
in einer Anrichte stehen ein paar Geschichtsbände hinter Glas.
## Spätes Ringen um Aufarbeitung des rumänischen Holocausts
Gegründet wurde das Institut 2005, es ist staatlich finanziert und heißt
mit offiziellem Namen „[8][Landesinstitut für das Studium des Holocaust in
Rumänien 'Elie Wiesel]‘“. Dass neben Marincea auch das Institut immer
wieder im Fadenkreuz der Ultrarechten ist, hängt mit Rumäniens jüngerer
Geschichte zusammen. Das Institut ist mit der Aufarbeitung der Verbrechen
während des Antonescu-Regimes verbunden und beides wiederum eng mit der
Bindung des Landes an den Westen, als Rumänien Anfang der 2000er Jahre die
Aufnahme in die Nato und die EU bevorstand.
Auf internationaler Bühne ging die damals in Rumänien verbreitete
Holocaustrelativierung nicht mehr durch, wie sie im Sommer 2003 selbst der
damalige Präsident Ion Iliescu noch öffentlich vertrat. Die öffentliche
Kritik im Nacken und die Westbindung im Blick, gründete Iliescu noch im
selben Jahr die „Internationale Kommission zur Erforschung des Holocaust in
Rumänien“. Geleitet wurde sie von dem in Rumänien geborenen
Shoa-Überlebenden und Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel, weshalb sie als
„Wiesel-Kommission“ bekannt wurde. Die Gründung des Wiesel-Instituts geht
direkt darauf zurück.
Erst der Abschlussbericht, den die Kommission 2004 vorlegte, setzte in
Rumänien eine breitere öffentliche Debatte über die Verbrechen des Regimes
während der Zeit des faschistischen Marschalls Ion Antonescu in Gang.
Motiviert durch nationalistische Verblendung, waren die Verbrechen aus
dieser Zeit unter dem stalinistischen Diktator Nicolae Ceaușescu
jahrzehntelang unterdrückt worden.
Antonescu beherrschte Rumänien zwischen 1940 und 1944 und war mit der
faschistischen Legionärsbewegung verbunden, einer Massenbewegung der
Zwischenkriegszeit. Unter Antonescus Regime wurden bis zu 380.000
rumänische und ukrainische Juden sowie mindestens 11.000 Roma ermordet – in
einem eigenen rumänischen Holocaust, der unabhängig von den
nationalsozialistischen deutschen Verbündeten verbrochen wurde.
Das Elie-Wiesel-Institut liegt heute am Boulevard Dacia, einer der
zentralen Hauptstraßen von Bukarest, wo sich Bauten in moderner Architektur
sowie Villen im Stile der Belle Époque und des Art déco aneinanderreihen.
Draußen vor dem Gebäude wartet eine Sicherheitsperson in einem
Wachhäuschen, ein Schild warnt vor Kameraüberwachung.
Ob sie sich geschützt fühlt? Marincea stutzt und runzelt die Stirn.
„Überhaupt nicht“, sagt sie. Im Gespräch wirkt sie aufgeräumt, fast
abgeklärt. Immer wieder flankiert sie die Schilderung ihrer persönlichen
Situation mit Analysen der gesellschaftlichen Lage. An die Polizei habe sie
sich wegen der Bedrohungen und Beleidigungen bislang nicht gewandt, sie
erwarte keine Hilfe. Wie inkonsequent Hasskriminalität geahndet würde, sehe
man etwa an den sehr wenigen Fällen, in denen eine Holocaustleugnung vor
Gericht zur Verhandlung kam.
## Die Presse in Rumänien ist zunehmend unter Druck
Polizei und Behörden seien oft selbst Teil des Problems, sagt Marincea. „So
wie bei Emilia Șercan.“ [9][Der Fall der rumänischen
Investigativjournalistin Emilia Șercan hatte auch international Aufsehen
erregt]: Wenige Monate, nachdem sie im Jahr 2022 unter anderem Rumäniens
Premierminister Nicolae Ciucă beschuldigte, bei seiner Doktorarbeit
plagiiert zu haben, tauchten gestohlene, persönliche Fotos von Șercan auf
Pornoseiten auf. Nach einer Anzeige bei der Polizei kam es noch schlimmer:
Material, das Șercan den Ermittlern übergeben hatte, wurde bereits weniger
als eine Stunde später erneut veröffentlicht. Es war mutmaßlich aus den
Reihen der Polizei an Medien übergeben worden.
Die NGO ActiveWatch sieht darin eine pressefeindliche Tendenz. Die
Organisation hat sich der Beobachtung der Pressefreiheit in Rumänien
verschrieben und [10][kritisiert eine zunehmende Kontrolle und Zensur
digitaler Kommunikation]. Kritische Journalist*innen würden [11][Ziel
von Diskreditierungen und Drohungen durch Politiker, Militärs und
Geschäftsleute]. Vor allem auch die rechtsnationalistische Partei [12][AUR
habe öffentliche Angriffe und Verunglimpfungskampagnen gegen
Medienorganisationen gestartet].
Doch Șercans Fall und ebenso die Arbeit von Marincea und zahlreicher
Kolleg*innen zeigen, dass es in Rumänien auch eine selbstbewusste Szene
an kritischen Journalist*innen gibt, die sich nicht scheuen, Skandale
aufzudecken und zu einem pluralen Diskurs in einer lebendigen
Medienlandschaft beizutragen.
Diese Berichterstattung erzeugt Gegenwind. [13][Für Marincea begann alles
mit einem Recherchebericht im Januar 2022 in der Zeitung Libertatea, in der
sie auch den aktuellen rechten Präsidentschaftskandidaten Călin Georgescu
ausführlicher beleuchtete]. Georgescu ist heute parteilos, war damals aber
noch bei der rechtsnationalen Partei AUR aktiv und kurz zuvor zu deren
Ehrenpräsident ernannt worden.
Marinceas Text drehte sich um die Verbindungen Georgescus und seiner Partei
zu neofaschistischen Organisationen. Die Journalistin erinnerte daran,
[14][dass Georgescu laut dem Nachrichtenportal G4Media im Jahr 2020 in
einem Video unter anderem den faschistischen Marschall Antonescu als
„Helden der rumänischen Nation“ bezeichnet hatte].
Marinceas Recherchen zeigten, dass zu Georgescus Unterstützern auch ein
ehemaliger Soldat der französischen Fremdenlegion zählte, der
paramilitärische Wehrsportcamps samt Indoktrination für Jugendliche
leitete. Diese würden von Vereinen organisiert, die – wie viele rumänische
Rechtsextremist*innen – die ehemalige Legionärsbewegung bis heute
verehrten.
Einer dieser Vereine, [15][die „Asociatia 'Gogu Puiu si Haiducii
Dobrogei’“, reagierte auf Marinceas Vorwurf damals auf seiner
Facebookseite], die mehrere Tausend Follower hat. Es war nur ein einzelner
Beitrag, aber er setzte den Ton durch Delegitimierung und Framing der
Journalistin: Sie wurde klein und verächtlich gemacht, begehe Verrat, sei
gekauft, keine echte Journalistin und „Neo-Marxistin“.
Es sind [16][Narrative, die Marincea seitdem immer wieder begegnen und die
so oder in ähnlicher Form auch in anderen europäischen Ländern zu
beobachten sind. Mit ihnen sollen Journalist*innen zum Schweigen
gebracht werden].
## Die Hass-Kampagne gegen Marincea hält bis heute an
Und die Reaktionen auf Marinceas Artikel waren damals nur das Vorspiel
einer Diffamierungskaskade, die bis heute jeden ihrer kritischen Beiträge
begleitet. „Danach wurde es aggressiver“, sagt sie heute.
Die Reihe an Artikeln, die Marincea seitdem veröffentlicht hat, bilden
zusammen eine Art Lexikon der aktuellen extremen Rechten Rumäniens. Deren
Wut wuchs mit jedem Bericht. Im März 2023 analysierte Marincea die Politik
von George Simion. Er ist Anführer der rechtsgerichteten Partei AUR und
trat ebenfalls in der ersten Runde der aktuellen Präsidentschaftswahl an.
Nachdem Simion bei der Wahl am vergangenen Sonntag auf Platz 4 landete,
kündigte AUR an, in der nun anstehenden Stichwahl den Rechtsextremisten
Georgescu zu unterstützen.
Die Partei AUR wurde 2019 gegründet und zog 2020 ins Parlament ein. „Mit
ihrem Einzug wurde die extreme Rechte in Rumänien deutlich sichtbarer“,
erklärt Marincea. AUR steht als Abkürzung für „Alianța pentru Unirea
Românilor“, übersetzt: „Allianz für die Vereinigung der Rumänen“ – …
Name ist Programm. Die Rechtspopulisten träumen von einem Großrumänien und
einer Vereinigung mit der Republik Moldau.
Im EU-Parlament gehört die Partei der „Fraktion der Europäischen
Konservativen und Reformer“ an, gemeinsam etwa mit den italienischen
Fratelli d’Italia und der polnischen PiS-Partei. AUR behauptet von sich,
national-patriotisch und christdemokratisch zu sein. [17][Doch Marincea
wirft Simion und Parteivertreter*innen Verbindungen zu Neofaschisten,
Geschichtsrevisionismus, Rassismus und Antisemitismus vor].
Seit einiger Zeit ist AUR als erfolgreiche extrem rechte Partei in Rumänien
zudem nicht mehr allein: [18][Diana Șoșoacă, Rechtsanwältin, Abgeordnete
und ehemalige AUR-Politikerin, führt die neue Partei „SOS Romania“ an].
Șoșoacă gilt als abgedreht, antisemitisch, europafeindlich und
russland-freundlich und überholt die AUR noch von rechts.
Während AUR bei der Europawahl am 9. Juni 2024 mit 14,9 Prozent der
rumänischen Stimmen hinter einem Bündnis aus Sozialdemokraten und Liberalen
landete, erzielte SOS Romania immerhin knapp über 5 Prozent. Șoșoacă zog
dann mit einem weiteren Parteikameraden ins Europaparlament ein. Dort sitzt
sie nun direkt neben dem AfD-Abgeordneten Maximilian Krah. Im Wahlkampf
hatte Șoșoacă verkündet, auch in Brüssel für die Wiederherstellung des
großrumänischen Territoriums in seinen Grenzen von 1918 zu kämpfen. Mitte
Mai sprach sie im rumänischen Parlament von einer
„jüdisch-bolschewistischen Diktatur“ und leugnete den Holocaust.
Auch Diana Șoșoacă wollte bei den aktuellen Präsidentschaftswahlen in
Rumänien antreten – ihre Kandidatur wurde jedoch durch eine Entscheidung
des Verfassungsgerichts verhindert, weil ihre öffentlichen Statements nicht
mit den verfassungsmäßigen Prinzipien des Amt vereinbar seien. Șoșoacă
reagierte per Video mit einem antisemitischen Wutanfall und bezichtigte
Amerikaner, Juden und Europäische Union einer Verschwörung. Auf mehrfache
Anfragen der taz antwortete sie nicht.
Demgegenüber wirkt Simion, der Anführer der rechtsgerichteten Partei AUR,
fast gemäßigt. Jedenfalls will er so wirken. [19][In einem ihrer Artikel
ordnete Marincea diese Versuche Simions ein, das Image der Partei zu
rehabilitieren]. Sie verwies dabei auf andere Partei-Ideologen, die etwa
Jüdinnen und Juden vorwerfen, den Kommunismus nach Rumänien gebracht zu
haben, und die Verbindungen zu noch rechteren Figuren pflegen – zu Ion
Coja, einem ehemaligen Universitätsdozenten und ehemaligen Senator, oder zu
Miron Manega. Dieser ist Chefredakteur der [20][Zeitung Certitudinea, die
Marincea als antisemitisch und neolegionaristisch einordnet], und die in
Bukarest an vielen Zeitungskiosken ausliegt. Auch Manega reagierte nicht
auf mehrfache Anfrage der taz.
Auf diesen und einen weiteren Artikel, den Marincea kurz darauf
veröffentlicht, erhält sie eine Flut an Reaktionen. „Dass ich die
rechtsextremen Verbindungen auch zu intellektuellen und einflussreichen
Stimmen aufgezeigt habe, hat sie richtig aufgeregt“, sagt sie.
## Drohung durch ehemaligen Geheimdienst-Oberst
All das steigert sich irgendwann zu expliziten Drohungen. [21][Eine stammt
von Vasile Zărnescu, einem ehemaligen Oberst des rumänischen
Inlandsgeheimdienstes]. Auf einer [22][nationalistischen Webseite
beschimpfte er Marincea sexistisch als „Schlampe“ und „Sau“ und verwies
nebenbei auf sein eigenes Buch, in dessen Titel er den Holocaust als
„diabolische Lüge“ bezeichnet].
Zărnescu war in Rumänien als einer der ersten überhaupt von einem Gericht
wegen Holocaustleugnung verurteilt worden, wobei ein Bukarester
Berufungsgericht 2022 entschied, es bei einer einfachen Warnung zu
belassen.
Bis heute wiederholt Zărnescu seine Aussagen und hat es dabei auch auf das
Elie-Wiesel-Institut abgesehen: Dieses betreibe einen „kulturellen,
wirtschaftlichen, finanziellen, demographischen, geistigen Völkermord an
Rumänien“, meint er und schreibt: „Die 3.200 Juden in Rumänien –
Stipendiaten von außerhalb – greifen uns ständig an, und wir verteidigen
uns zu Recht!“ Das Institut erforsche in Wahrheit nicht den Holocaust,
meint Zărnescu: „Weil es so etwas nicht gab.“
In einer Antwort auf eine Anfrage der taz legte Zărnescu bei all dem noch
mal nach. „Ich habe Adina Marincea nicht beleidigt, ich habe sie lediglich
beschrieben“, erklärt er. Und formuliert weitere Tiraden gegen das
Elie-Wiesel-Institut, droht mit Ausweisung von deren Mitarbeiter*innen
und wiederholt die Leugnung des Holocaust.
Seinen Beitrag auf der nationalistischen Webseite über Marincea hatte
Zărnescu damals namentlich als Oberst des Geheimdienstes unterschrieben und
mit einer Parole beendet: „Tod den Feinden!“ Das könnte man als
Gewaltaufruf deuten, der auch Marincea adressiert. „Für mich war dieser
Artikel die bis dahin direkteste Bedrohung und Aufstachelung zu Hass und
Gewalt gegen mich“, sagt die Journalistin. Bis heute folgten zahlreiche
weitere.
All das hinterlässt bei Marincea Spuren. Nach der Veröffentlichung von
Artikeln über die rechtsextreme Szene nehme sie öfter mal ein Taxi, erklärt
sie. Oder sie übernachte aus Sicherheitsgründen an verschiedenen Orten.
Aber mit den Recherchen aufhören? Daran denkt sie nicht.
Dieser Bericht ist Teil des Rechercheprojekts „[23][Decoding the
disinformation playbook of populism in Europe]“, das vom International
Press Institute in Wien geleitet und in Zusammenarbeit mit Faktograf und
taz durchgeführt wird. Das Projekt wird von dem European Media and
Information Fund finanziell unterstützt, der von der
Calouste-Gulbenkian-Stiftung verwaltet wird.
1 Dec 2024
## LINKS
[1] https://www.libertatea.ro/opinii/cine-sunt-tinerii-radicalizati-de-neolegio…
[2] https://m.dcnews.ro/incidente-la-marsul-bucharest-pride-manifestantii-spun-…
[3] /Rechtsextremismus-in-Rumaenien/!5757456
[4] https://context.ro/cum-s-a-mobilizat-extrema-dreapta-din-romania-pentru-rea…
[5] /Praesidentschaftskandidat-Clin-Georgescu/!6048338
[6] /Vor-den-Parlamentswahlen-in-Rumaenien/!6048642
[7] https://www.libertatea.ro/autor/adina-marincea
[8] https://www.inshr-ew.ro/en/
[9] https://ipi.media/media-freedom-groups-demand-renewed-investigation-into-cr…
[10] https://activewatch.ro/publicatii/freeex-digest-no-2/
[11] https://activewatch.ro/publicatii/freeex-digest-no-1-english/
[12] https://www.libertatea.ro/stiri/derapaj-aur-face-o-lista-neagra-cu-cele-ma…
[13] https://www.libertatea.ro/opinii/legaturile-aur-cu-fratiile-ortodoxe-si-ne…
[14] https://www.g4media.ro/video-george-simion-anunta-ca-aur-l-a-numit-pe-cali…
[15] https://web.archive.org/web/20240808124337/https://www.facebook.com/100064…
[16] https://observatory.ipi.media/
[17] https://www.libertatea.ro/opinii/legaturile-aur-cu-fratiile-ortodoxe-si-ne…
[18] /Nachwehen-der-EU-Wahl-in-Rumaenien/!6013532
[19] https://www.libertatea.ro/opinii/extrema-dreapta-din-romania-isi-serbeaza-…
[20] https://www.inshr-ew.ro/wp-content/uploads/2020/05/Raport-monitorizare-202…
[21] https://www.libertatea.ro/opinii/cand-vom-ajunge-la-putere-promisiunea-asc…
[22] https://web.archive.org/web/20230420133509/https://www.nationalisti.ro/col…
[23] https://ipi.media/decoding-disinformation-playbook/
## AUTOREN
Jean-Philipp Baeck
Javier Luque Martínez
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