# taz.de -- Rechtsextremismus in Rumänien: Im Visier der Nationalisten | |
> In Rumänien hat die extreme Rechte bei Wahlen zunehmend Erfolg. Die | |
> Journalistin Adina Marincea klärt über die Szene auf – und wird bedroht | |
> und diffamiert. | |
Bild: In Rumäniens Hauptstadt Bukarest protestieren Menschen am 27. November g… | |
Bukarest und Wien Wenn Adina Marincea in Bukarest durch die Straßen | |
schlendert, kann sie nicht mehr übersehen, dass sie Feinde hat. Oder | |
vielmehr: dass Nationalist*innen sie als ihre Feindin auserkoren | |
haben – für ihre Arbeit als Journalistin, als Wissenschaftlerin und als | |
emanzipierte Frau. In einer Seitenstraße, unweit der belebten Altstadt von | |
Rumäniens Hauptstadt, zeugt davon ein Graffiti. „Ana Pauker ist nicht | |
gestorben, sie hat sich als Adina geschminkt“, steht dort auf Rumänisch in | |
schwarzen Lettern an einer Hauswand, gefolgt von einem Keltenkreuz, einem | |
Erkennungszeichen der faschistischen Szene. | |
Das Graffiti ist eine sexistisch, antisemitisch und antikommunistisch | |
konnotierte Diffamierung der Journalistin Marincea – in Rumänien ist das | |
durch den Verweis auf Ana Pauker verständlich. Pauker war Jüdin, Mitglied | |
des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei, von 1947 bis 1952 | |
Außenministerin Rumäniens – und eine Frau. Sie verkörpert für die | |
Ultrarechten somit gleich dreifach das Übel der Moderne. Der Spruch, der | |
Marincea mit ihr in Verbindung bringt, ist mittlerweile teilweise übermalt, | |
die eigentliche Botschaft darunter aber noch zu erkennen. | |
Die beschmierte Hauswand zeugt in der analogen Welt von einer Hetzkampagne, | |
mit der Marincea seit knapp drei Jahren vor allem digital überschüttet | |
wird. | |
Rumäniens Rechte wähnen sich schon seit einiger Zeit in einem Kulturkampf | |
gegen eine gesellschaftliche Erneuerung in dem Land, das von dem schroffen | |
Gegensatz zwischen den armen ländlichen Regionen und der kosmopolitischen | |
Metropole Bukarest mit seinen hippen Bars und einem boomendem IT-Sektor | |
geprägt ist. [1][Nationalist*innen greifen Veranstaltungen der | |
LGBTQI-Szene an], die in [2][Bukarest stark und präsent ist], sie agitieren | |
gegen die Westbindung in EU und Nato und leugnen Rumäniens Holocaust | |
während der Zeit des Zweiten Weltkrieges. Sie kämpfen für Gott und | |
Großrumänien, ihre Leitbilder sind die traditionelle Familie und [3][die | |
faschistische Legionärsbewegung aus vergangener Zeit]. | |
Das zeigt sich überall im Bukarester Straßenbild. An Laternenpfählen | |
erklären Sticker „Bessarabien“ zu einem Teil Rumäniens, jenen Landstrich | |
also, der heute in der Republik Moldau und der Ukraine liegt. Daneben | |
werben Aufkleber für neofaschistische Organisationen, mit durchgestrichenen | |
Antifa-Zeichen oder antikommunistischen Symbolen. An Häuserwänden | |
präsentiert sich Antisemitismus: Die Plakate, die an die israelischen | |
Geiseln der Hamas erinnern sollen, sind fast alle zerrissen und mit | |
rechtsextremen Emblemen verunstaltet. | |
[4][Laut sind die Nationalist*innen vor allem im Netz], doch sie | |
feiern auch im realen Leben Erfolge. Umfragen sagen für die anstehende | |
Parlamentswahl am Sonntag, den 1. Dezember, beachtliche Erfolge der rechten | |
Parteien voraus. Eine Woche zuvor erlebte Rumänien davon einen | |
Vorgeschmack: [5][Bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahl errang | |
überraschend der parteilose Rechtsextremist Călin Georgescu mit knapp 23 | |
Prozent die meisten Stimmen]. Um die Wahl gibt es Turbulenzen: Das | |
rumänische [6][Verfassungsgericht hat am Donnerstag die Neuauszählung der | |
Stimmen veranlasst]. Dich bislang bleibt es dabei: Georgescu tritt am 8. | |
Dezember in einer Stichwahl gegen Elena Lasconi an, die Kandidatin der | |
neoliberalen Technokratenpartei „Union Rettet Rumänien“ (USR), die rund 20 | |
Prozent der Stimmen erzielte. Lasconi gilt in der Stichwahl als Favoritin. | |
Laut Umfrage vor der ersten Wahlrunde wünscht sich eine deutliche Mehrheit | |
der Rumänen ein prowestliches und erfahrenes Staatsoberhaupt. | |
Gegen Georgescu war vor zwei Jahren noch wegen der Verherrlichung von | |
Verantwortlichen des Holocaust ermittelt worden, was jedoch im Sande | |
verlief. Er hatte vor allem mit einer Kampagne auf der | |
Social-Media-Plattform Tiktok Wählerstimmen gewonnen, warb mit | |
prorussischen Parolen und einer Wiedergewinnung der vermeintlich verlorenen | |
nationalen Souveränität Rumäniens. In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit, | |
aber auch einer generellen rechten Mobilisierung fand das mehr Zustimmung | |
als erwartet. | |
In dieser Atmosphäre rechter Selbstverteidigungsphantasien, die auch | |
Georgescu bedient, wird die Journalistin Marincea zu einer Art | |
Gegenspielerin. Sie bietet viel Projektionsfläche für rechten Hass: | |
Marincea ist promovierte Kommunikationswissenschaftlerin und beobachtet für | |
das Bukarester Elie-Wiesel-Institut die populistische und extreme Rechte | |
Rumäniens insbesondere im digitalen Raum. [7][2021 begann sie zudem, in der | |
reichweitenstarken Zeitung „Libertatea“ auch einer breiteren Öffentlichkeit | |
von ihren Erkenntnissen zu berichten] – in meinungsstarken Beiträgen, die | |
sie mit Belegen untermauerte. | |
## Journalistin Marincea ist für Nationalisten ein rotes Tuch | |
Auf den Hass hat Marincea sich vorbereitet. Ein paar Tage, bevor ihr erster | |
kritischer Artikel erschien, stellte sie ihre Konten in den sozialen Medien | |
auf privat, durchsuchte das Netz nach ihren persönlichen | |
Kontaktinformationen, räumte auf. Wer vorhatte, ihr zu schaden, sollte | |
nicht auch noch biografische Details gegen sie verwenden können. | |
Als sie am 31. Januar 2022 erstmals über die rechtspopulistische Partei AUR | |
und deren Verbindungen zu faschistischen Organisationen aufklärte, folgte | |
das befürchtete Echo prompt. Seitdem überziehen Rumäniens Rechtsextremisten | |
sie kontinuierlich mit Drohungen, Entwürdigungen und Beleidigungen, es | |
wurden sexistische Gedichte über sie geschrieben und das | |
Anti-Marincea-Graffiti in die Stadt geschmiert. Die Urheber sind rechte | |
Ultra-Gruppen, faschistische Publizisten, Politiker*innen und sogar | |
ein ehemaliger Oberst des Inlandsgeheimdienstes. | |
„Mit der Zeit habe ich mich ein bisschen daran gewöhnt und akzeptiert, dass | |
es einige Risiken gibt“, sagt Marincea. An einem heißen Tag im April 2024 | |
sitzt sie für ein Interview im Konferenzraum des Elie-Wiesel-Instituts in | |
Bukarest. An den Wänden erinnern Zeichnungen an die Gräuel des Holocaust, | |
in einer Anrichte stehen ein paar Geschichtsbände hinter Glas. | |
## Spätes Ringen um Aufarbeitung des rumänischen Holocausts | |
Gegründet wurde das Institut 2005, es ist staatlich finanziert und heißt | |
mit offiziellem Namen „[8][Landesinstitut für das Studium des Holocaust in | |
Rumänien 'Elie Wiesel]‘“. Dass neben Marincea auch das Institut immer | |
wieder im Fadenkreuz der Ultrarechten ist, hängt mit Rumäniens jüngerer | |
Geschichte zusammen. Das Institut ist mit der Aufarbeitung der Verbrechen | |
während des Antonescu-Regimes verbunden und beides wiederum eng mit der | |
Bindung des Landes an den Westen, als Rumänien Anfang der 2000er Jahre die | |
Aufnahme in die Nato und die EU bevorstand. | |
Auf internationaler Bühne ging die damals in Rumänien verbreitete | |
Holocaustrelativierung nicht mehr durch, wie sie im Sommer 2003 selbst der | |
damalige Präsident Ion Iliescu noch öffentlich vertrat. Die öffentliche | |
Kritik im Nacken und die Westbindung im Blick, gründete Iliescu noch im | |
selben Jahr die „Internationale Kommission zur Erforschung des Holocaust in | |
Rumänien“. Geleitet wurde sie von dem in Rumänien geborenen | |
Shoa-Überlebenden und Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel, weshalb sie als | |
„Wiesel-Kommission“ bekannt wurde. Die Gründung des Wiesel-Instituts geht | |
direkt darauf zurück. | |
Erst der Abschlussbericht, den die Kommission 2004 vorlegte, setzte in | |
Rumänien eine breitere öffentliche Debatte über die Verbrechen des Regimes | |
während der Zeit des faschistischen Marschalls Ion Antonescu in Gang. | |
Motiviert durch nationalistische Verblendung, waren die Verbrechen aus | |
dieser Zeit unter dem stalinistischen Diktator Nicolae Ceaușescu | |
jahrzehntelang unterdrückt worden. | |
Antonescu beherrschte Rumänien zwischen 1940 und 1944 und war mit der | |
faschistischen Legionärsbewegung verbunden, einer Massenbewegung der | |
Zwischenkriegszeit. Unter Antonescus Regime wurden bis zu 380.000 | |
rumänische und ukrainische Juden sowie mindestens 11.000 Roma ermordet – in | |
einem eigenen rumänischen Holocaust, der unabhängig von den | |
nationalsozialistischen deutschen Verbündeten verbrochen wurde. | |
Das Elie-Wiesel-Institut liegt heute am Boulevard Dacia, einer der | |
zentralen Hauptstraßen von Bukarest, wo sich Bauten in moderner Architektur | |
sowie Villen im Stile der Belle Époque und des Art déco aneinanderreihen. | |
Draußen vor dem Gebäude wartet eine Sicherheitsperson in einem | |
Wachhäuschen, ein Schild warnt vor Kameraüberwachung. | |
Ob sie sich geschützt fühlt? Marincea stutzt und runzelt die Stirn. | |
„Überhaupt nicht“, sagt sie. Im Gespräch wirkt sie aufgeräumt, fast | |
abgeklärt. Immer wieder flankiert sie die Schilderung ihrer persönlichen | |
Situation mit Analysen der gesellschaftlichen Lage. An die Polizei habe sie | |
sich wegen der Bedrohungen und Beleidigungen bislang nicht gewandt, sie | |
erwarte keine Hilfe. Wie inkonsequent Hasskriminalität geahndet würde, sehe | |
man etwa an den sehr wenigen Fällen, in denen eine Holocaustleugnung vor | |
Gericht zur Verhandlung kam. | |
## Die Presse in Rumänien ist zunehmend unter Druck | |
Polizei und Behörden seien oft selbst Teil des Problems, sagt Marincea. „So | |
wie bei Emilia Șercan.“ [9][Der Fall der rumänischen | |
Investigativjournalistin Emilia Șercan hatte auch international Aufsehen | |
erregt]: Wenige Monate, nachdem sie im Jahr 2022 unter anderem Rumäniens | |
Premierminister Nicolae Ciucă beschuldigte, bei seiner Doktorarbeit | |
plagiiert zu haben, tauchten gestohlene, persönliche Fotos von Șercan auf | |
Pornoseiten auf. Nach einer Anzeige bei der Polizei kam es noch schlimmer: | |
Material, das Șercan den Ermittlern übergeben hatte, wurde bereits weniger | |
als eine Stunde später erneut veröffentlicht. Es war mutmaßlich aus den | |
Reihen der Polizei an Medien übergeben worden. | |
Die NGO ActiveWatch sieht darin eine pressefeindliche Tendenz. Die | |
Organisation hat sich der Beobachtung der Pressefreiheit in Rumänien | |
verschrieben und [10][kritisiert eine zunehmende Kontrolle und Zensur | |
digitaler Kommunikation]. Kritische Journalist*innen würden [11][Ziel | |
von Diskreditierungen und Drohungen durch Politiker, Militärs und | |
Geschäftsleute]. Vor allem auch die rechtsnationalistische Partei [12][AUR | |
habe öffentliche Angriffe und Verunglimpfungskampagnen gegen | |
Medienorganisationen gestartet]. | |
Doch Șercans Fall und ebenso die Arbeit von Marincea und zahlreicher | |
Kolleg*innen zeigen, dass es in Rumänien auch eine selbstbewusste Szene | |
an kritischen Journalist*innen gibt, die sich nicht scheuen, Skandale | |
aufzudecken und zu einem pluralen Diskurs in einer lebendigen | |
Medienlandschaft beizutragen. | |
Diese Berichterstattung erzeugt Gegenwind. [13][Für Marincea begann alles | |
mit einem Recherchebericht im Januar 2022 in der Zeitung Libertatea, in der | |
sie auch den aktuellen rechten Präsidentschaftskandidaten Călin Georgescu | |
ausführlicher beleuchtete]. Georgescu ist heute parteilos, war damals aber | |
noch bei der rechtsnationalen Partei AUR aktiv und kurz zuvor zu deren | |
Ehrenpräsident ernannt worden. | |
Marinceas Text drehte sich um die Verbindungen Georgescus und seiner Partei | |
zu neofaschistischen Organisationen. Die Journalistin erinnerte daran, | |
[14][dass Georgescu laut dem Nachrichtenportal G4Media im Jahr 2020 in | |
einem Video unter anderem den faschistischen Marschall Antonescu als | |
„Helden der rumänischen Nation“ bezeichnet hatte]. | |
Marinceas Recherchen zeigten, dass zu Georgescus Unterstützern auch ein | |
ehemaliger Soldat der französischen Fremdenlegion zählte, der | |
paramilitärische Wehrsportcamps samt Indoktrination für Jugendliche | |
leitete. Diese würden von Vereinen organisiert, die – wie viele rumänische | |
Rechtsextremist*innen – die ehemalige Legionärsbewegung bis heute | |
verehrten. | |
Einer dieser Vereine, [15][die „Asociatia 'Gogu Puiu si Haiducii | |
Dobrogei’“, reagierte auf Marinceas Vorwurf damals auf seiner | |
Facebookseite], die mehrere Tausend Follower hat. Es war nur ein einzelner | |
Beitrag, aber er setzte den Ton durch Delegitimierung und Framing der | |
Journalistin: Sie wurde klein und verächtlich gemacht, begehe Verrat, sei | |
gekauft, keine echte Journalistin und „Neo-Marxistin“. | |
Es sind [16][Narrative, die Marincea seitdem immer wieder begegnen und die | |
so oder in ähnlicher Form auch in anderen europäischen Ländern zu | |
beobachten sind. Mit ihnen sollen Journalist*innen zum Schweigen | |
gebracht werden]. | |
## Die Hass-Kampagne gegen Marincea hält bis heute an | |
Und die Reaktionen auf Marinceas Artikel waren damals nur das Vorspiel | |
einer Diffamierungskaskade, die bis heute jeden ihrer kritischen Beiträge | |
begleitet. „Danach wurde es aggressiver“, sagt sie heute. | |
Die Reihe an Artikeln, die Marincea seitdem veröffentlicht hat, bilden | |
zusammen eine Art Lexikon der aktuellen extremen Rechten Rumäniens. Deren | |
Wut wuchs mit jedem Bericht. Im März 2023 analysierte Marincea die Politik | |
von George Simion. Er ist Anführer der rechtsgerichteten Partei AUR und | |
trat ebenfalls in der ersten Runde der aktuellen Präsidentschaftswahl an. | |
Nachdem Simion bei der Wahl am vergangenen Sonntag auf Platz 4 landete, | |
kündigte AUR an, in der nun anstehenden Stichwahl den Rechtsextremisten | |
Georgescu zu unterstützen. | |
Die Partei AUR wurde 2019 gegründet und zog 2020 ins Parlament ein. „Mit | |
ihrem Einzug wurde die extreme Rechte in Rumänien deutlich sichtbarer“, | |
erklärt Marincea. AUR steht als Abkürzung für „Alianța pentru Unirea | |
Românilor“, übersetzt: „Allianz für die Vereinigung der Rumänen“ – … | |
Name ist Programm. Die Rechtspopulisten träumen von einem Großrumänien und | |
einer Vereinigung mit der Republik Moldau. | |
Im EU-Parlament gehört die Partei der „Fraktion der Europäischen | |
Konservativen und Reformer“ an, gemeinsam etwa mit den italienischen | |
Fratelli d’Italia und der polnischen PiS-Partei. AUR behauptet von sich, | |
national-patriotisch und christdemokratisch zu sein. [17][Doch Marincea | |
wirft Simion und Parteivertreter*innen Verbindungen zu Neofaschisten, | |
Geschichtsrevisionismus, Rassismus und Antisemitismus vor]. | |
Seit einiger Zeit ist AUR als erfolgreiche extrem rechte Partei in Rumänien | |
zudem nicht mehr allein: [18][Diana Șoșoacă, Rechtsanwältin, Abgeordnete | |
und ehemalige AUR-Politikerin, führt die neue Partei „SOS Romania“ an]. | |
Șoșoacă gilt als abgedreht, antisemitisch, europafeindlich und | |
russland-freundlich und überholt die AUR noch von rechts. | |
Während AUR bei der Europawahl am 9. Juni 2024 mit 14,9 Prozent der | |
rumänischen Stimmen hinter einem Bündnis aus Sozialdemokraten und Liberalen | |
landete, erzielte SOS Romania immerhin knapp über 5 Prozent. Șoșoacă zog | |
dann mit einem weiteren Parteikameraden ins Europaparlament ein. Dort sitzt | |
sie nun direkt neben dem AfD-Abgeordneten Maximilian Krah. Im Wahlkampf | |
hatte Șoșoacă verkündet, auch in Brüssel für die Wiederherstellung des | |
großrumänischen Territoriums in seinen Grenzen von 1918 zu kämpfen. Mitte | |
Mai sprach sie im rumänischen Parlament von einer | |
„jüdisch-bolschewistischen Diktatur“ und leugnete den Holocaust. | |
Auch Diana Șoșoacă wollte bei den aktuellen Präsidentschaftswahlen in | |
Rumänien antreten – ihre Kandidatur wurde jedoch durch eine Entscheidung | |
des Verfassungsgerichts verhindert, weil ihre öffentlichen Statements nicht | |
mit den verfassungsmäßigen Prinzipien des Amt vereinbar seien. Șoșoacă | |
reagierte per Video mit einem antisemitischen Wutanfall und bezichtigte | |
Amerikaner, Juden und Europäische Union einer Verschwörung. Auf mehrfache | |
Anfragen der taz antwortete sie nicht. | |
Demgegenüber wirkt Simion, der Anführer der rechtsgerichteten Partei AUR, | |
fast gemäßigt. Jedenfalls will er so wirken. [19][In einem ihrer Artikel | |
ordnete Marincea diese Versuche Simions ein, das Image der Partei zu | |
rehabilitieren]. Sie verwies dabei auf andere Partei-Ideologen, die etwa | |
Jüdinnen und Juden vorwerfen, den Kommunismus nach Rumänien gebracht zu | |
haben, und die Verbindungen zu noch rechteren Figuren pflegen – zu Ion | |
Coja, einem ehemaligen Universitätsdozenten und ehemaligen Senator, oder zu | |
Miron Manega. Dieser ist Chefredakteur der [20][Zeitung Certitudinea, die | |
Marincea als antisemitisch und neolegionaristisch einordnet], und die in | |
Bukarest an vielen Zeitungskiosken ausliegt. Auch Manega reagierte nicht | |
auf mehrfache Anfrage der taz. | |
Auf diesen und einen weiteren Artikel, den Marincea kurz darauf | |
veröffentlicht, erhält sie eine Flut an Reaktionen. „Dass ich die | |
rechtsextremen Verbindungen auch zu intellektuellen und einflussreichen | |
Stimmen aufgezeigt habe, hat sie richtig aufgeregt“, sagt sie. | |
## Drohung durch ehemaligen Geheimdienst-Oberst | |
All das steigert sich irgendwann zu expliziten Drohungen. [21][Eine stammt | |
von Vasile Zărnescu, einem ehemaligen Oberst des rumänischen | |
Inlandsgeheimdienstes]. Auf einer [22][nationalistischen Webseite | |
beschimpfte er Marincea sexistisch als „Schlampe“ und „Sau“ und verwies | |
nebenbei auf sein eigenes Buch, in dessen Titel er den Holocaust als | |
„diabolische Lüge“ bezeichnet]. | |
Zărnescu war in Rumänien als einer der ersten überhaupt von einem Gericht | |
wegen Holocaustleugnung verurteilt worden, wobei ein Bukarester | |
Berufungsgericht 2022 entschied, es bei einer einfachen Warnung zu | |
belassen. | |
Bis heute wiederholt Zărnescu seine Aussagen und hat es dabei auch auf das | |
Elie-Wiesel-Institut abgesehen: Dieses betreibe einen „kulturellen, | |
wirtschaftlichen, finanziellen, demographischen, geistigen Völkermord an | |
Rumänien“, meint er und schreibt: „Die 3.200 Juden in Rumänien – | |
Stipendiaten von außerhalb – greifen uns ständig an, und wir verteidigen | |
uns zu Recht!“ Das Institut erforsche in Wahrheit nicht den Holocaust, | |
meint Zărnescu: „Weil es so etwas nicht gab.“ | |
In einer Antwort auf eine Anfrage der taz legte Zărnescu bei all dem noch | |
mal nach. „Ich habe Adina Marincea nicht beleidigt, ich habe sie lediglich | |
beschrieben“, erklärt er. Und formuliert weitere Tiraden gegen das | |
Elie-Wiesel-Institut, droht mit Ausweisung von deren Mitarbeiter*innen | |
und wiederholt die Leugnung des Holocaust. | |
Seinen Beitrag auf der nationalistischen Webseite über Marincea hatte | |
Zărnescu damals namentlich als Oberst des Geheimdienstes unterschrieben und | |
mit einer Parole beendet: „Tod den Feinden!“ Das könnte man als | |
Gewaltaufruf deuten, der auch Marincea adressiert. „Für mich war dieser | |
Artikel die bis dahin direkteste Bedrohung und Aufstachelung zu Hass und | |
Gewalt gegen mich“, sagt die Journalistin. Bis heute folgten zahlreiche | |
weitere. | |
All das hinterlässt bei Marincea Spuren. Nach der Veröffentlichung von | |
Artikeln über die rechtsextreme Szene nehme sie öfter mal ein Taxi, erklärt | |
sie. Oder sie übernachte aus Sicherheitsgründen an verschiedenen Orten. | |
Aber mit den Recherchen aufhören? Daran denkt sie nicht. | |
Dieser Bericht ist Teil des Rechercheprojekts „[23][Decoding the | |
disinformation playbook of populism in Europe]“, das vom International | |
Press Institute in Wien geleitet und in Zusammenarbeit mit Faktograf und | |
taz durchgeführt wird. Das Projekt wird von dem European Media and | |
Information Fund finanziell unterstützt, der von der | |
Calouste-Gulbenkian-Stiftung verwaltet wird. | |
1 Dec 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.libertatea.ro/opinii/cine-sunt-tinerii-radicalizati-de-neolegio… | |
[2] https://m.dcnews.ro/incidente-la-marsul-bucharest-pride-manifestantii-spun-… | |
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[7] https://www.libertatea.ro/autor/adina-marincea | |
[8] https://www.inshr-ew.ro/en/ | |
[9] https://ipi.media/media-freedom-groups-demand-renewed-investigation-into-cr… | |
[10] https://activewatch.ro/publicatii/freeex-digest-no-2/ | |
[11] https://activewatch.ro/publicatii/freeex-digest-no-1-english/ | |
[12] https://www.libertatea.ro/stiri/derapaj-aur-face-o-lista-neagra-cu-cele-ma… | |
[13] https://www.libertatea.ro/opinii/legaturile-aur-cu-fratiile-ortodoxe-si-ne… | |
[14] https://www.g4media.ro/video-george-simion-anunta-ca-aur-l-a-numit-pe-cali… | |
[15] https://web.archive.org/web/20240808124337/https://www.facebook.com/100064… | |
[16] https://observatory.ipi.media/ | |
[17] https://www.libertatea.ro/opinii/legaturile-aur-cu-fratiile-ortodoxe-si-ne… | |
[18] /Nachwehen-der-EU-Wahl-in-Rumaenien/!6013532 | |
[19] https://www.libertatea.ro/opinii/extrema-dreapta-din-romania-isi-serbeaza-… | |
[20] https://www.inshr-ew.ro/wp-content/uploads/2020/05/Raport-monitorizare-202… | |
[21] https://www.libertatea.ro/opinii/cand-vom-ajunge-la-putere-promisiunea-asc… | |
[22] https://web.archive.org/web/20230420133509/https://www.nationalisti.ro/col… | |
[23] https://ipi.media/decoding-disinformation-playbook/ | |
## AUTOREN | |
Jean-Philipp Baeck | |
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