# taz.de -- Wahlen in Rumänien: Ein Rechtsradikaler will Präsident werden | |
> George Simion könnte bei den Präsidentenwahlen am Sonntag auf dem zweiten | |
> Platz landen. In der Stichwahl hätte er jedoch gute Chancen. | |
Bild: Wahlwerbung von ganz rechts: vor der Wahlkampfzentrale von George Simion | |
Bukarest/Berlin taz | Pseudosozialdemokrat im Dienste der Oligarchie gegen | |
Rechtsaußen: An diesem Sonntag finden in Rumänien Präsidentschaftswahlen | |
statt. Beste Chancen auf das höchste Amt im Staate hat Marcel Ciolacu, | |
amtierender Ministerpräsident und Vorsitzender der sozialdemokratischen | |
Partei (PSD). Laut jüngsten Umfragen wollen fast 30 Prozent der Wähler für | |
ihn stimmen. | |
Zweiter könnte George Simion, Chef der rechtsradikalen Allianz für die | |
Einheit der Rumänen (AUR), werden. Er wird derzeit bei über 15 Prozent | |
gehandelt. Chancen, um in die Stichwahl am 8. Dezember zu kommen, hat von | |
den insgesamt 13 Bewerbern wohl auch Elena Lasconi, Kandidatin der rechten, | |
neoliberalen Technokratenpartei Union Rettet Rumänien (USR). Sie sieht sich | |
als Vertreterin der dünnen urbanen Mittelschicht und ist Simion dicht auf | |
den Fersen. | |
Im Wahlkampf für das Amt des zukünftigen rumänischen Staatspräsidenten | |
waren Anfeindungen, Angriffe, Unterstellungen und gegenseitige | |
Beleidigungen an der Tagesordnung. Gegeizt wurde hingegen mit konkreten | |
Vorhaben und Vorschlägen, mit überzeugenden Zukunftsvisionen und bitter | |
nötigen Sozialprogrammen. | |
Die 13 Bewerber, die um die Stimmen der rund 19 Millionen Wahlberechtigten | |
ringen, zogen es eher vor an zweifelhaften TV-Debatten teilzunehmen, statt | |
sich direkt der Wählerschaft in öffentlichen Veranstaltungen zu stellen. | |
Selbst die meisten, auf Din-A4-Blätter gedruckten Wahlplakate widerspiegeln | |
den Charme fatalistischer Müdigkeit und fehlender Überzeugungskraft der | |
meisten Kandidaten. | |
## Inhaltliche Belanglosigkeiten | |
Eine Ausnahme von dieser Strategie der visuellen und inhaltlichen | |
Belanglosigkeiten machte lediglich der rechtsextreme Anwärter George | |
Simion. Mit seiner Partei Allianz für die Einheit der Rumänen (AUR) hofft | |
Simion den seit zehn Jahren amtierenden, inzwischen aber verhassten, | |
rumäniendeutschen Präsidenten Klaus Johannis abzulösen. | |
Seine Chancen stehen nicht schlecht. Es ist anzunehmen, dass für Simion, | |
falls er es denn in die Stichwahl schaffen sollte, auch die Unterstützer | |
der anderen, chancenarmen rechtsradikalen Präsidentschaftskandidaten | |
stimmen werden. | |
Arithmetisch gesehen käme eine nicht zu unterschätzende Anzahl von Stimmen | |
zusammen, wenn die Wähler von Cristian Terheş, von der Rumänischen | |
Nationalkonservativen Partei (PNCR) und die des parteiunabhängigen und für | |
seine profaschistischen Stellungnahmen bekannte Călin Georgescu sich Simion | |
zuwendeten. Hinzukommen könnten auch noch [1][die Anhänger der Partei | |
SOS-Rumänien der Europaabgeordneten Diana Şoşoac]ă. Ihre Zulassung als | |
Präsidentschaftskandidatin hatte das Oberste Gericht gestoppt. | |
George Simion war in den vergangenen Monaten bemüht, das Image eines | |
rechtsradikalen Draufgängers und Provokateurs abzulegen. Auffallend an | |
seinen TV-Auftritten war eine staatsmännisch inszenierte Gestik, gepaart | |
mit Hinweisen auf ein vaterländisches Politikverständnis à la Donald Trump | |
und Giorgia Meloni von der postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia. | |
Diese gehört der Fraktion der Europäischen Konservativen (EKR) im | |
EU-Parlament an, in der auch die AUR-Abgeordneten sitzen. | |
## Eine Million Wohnungen | |
Die brennenden sozialen Probleme, die Wohnungsknappheit, die immer weiter | |
auseinander klaffende Schere zwischen Stadt und Land sowie die sich | |
verschärfenden wirtschaftlichen Probleme nach den Coronajahren spielten | |
eine untergeordnete Rolle in den Wahlprogrammen aller Kandidaten. | |
Simion hatte sich mit sozialpopulistischen und mit einer eher linken | |
Thematik Gehör bei den sozial Schwachen zu verschaffen versucht. Er | |
versprach im Falle eines Wahlsiegs, eine Million Wohnungen zu je 35.000 | |
Euro errichten zu lassen. Diese würden dann jungen Familien und | |
benachteiligten Schichten zugute kommen. | |
Seinen schier unaufhaltsamen Popularitätsanstieg beeinträchtigten auch | |
nicht die Unterstellungen, er sei ein russischer Agent und vertrete in | |
Rumänien eine moskaufreundliche Linie. In diesem Zusammenhang wurde darauf | |
verwiesen, dass er weder in die Ukraine noch in die Republik Moldau | |
einreisen dürfe. Das Einreiseverbot in die Ukraine war verhängt worden, | |
weil Simion die Diskriminierung der dortigen rumänischen Minderheit | |
kritisiert und sich für einen Wiederanschluss der Nordbukowina an Rumänien | |
ausgesprochen hatte. | |
Die Nordbukowina gehörte nach 1918 zu Groß-Rumänien und musste nach dem | |
Stalin-Hitler-Abkommen von 1939 an die Sowjetunion abgetreten werden. Wegen | |
seines Engagements für die Belange der ungarische Minderheit in der Ukraine | |
wurde übrigens auch der Präsidentschaftskandidat der rumänienungarischen | |
Bevölkerung, Kelemen Hunor, mit einem Einreiseverbot belegt. | |
## Schwierige Prognose | |
Das Einreiseverbot in die Republik Moldau wurde mit dem Hinweis auf | |
politische Destabilisierungsaktivitäten Simions begründet. Das Programm der | |
AUR-Partei enthält nämlich einen Absatz, in dem die sofortige Vereinigung | |
Rumäniens mit der Republik Moldau vorgesehen ist. | |
Wie viele Moldauer an den Präsidentschaftswahlen und den für den 1. | |
Dezember angesetzten Parlamentswahlen für Simion und seine AUR-Partei | |
stimmen werden, ist schwer vorauszusagen. Bei den EU-Wahlen vom vergangenen | |
Juni hatten rund 57.000 Moldauer abgestimmt. Das heißt, Moldauer, die einen | |
rumänischen Pass und somit eine doppelte Staatsbürgerschaft besitzen und | |
somit berechtigt sind, an rumänischen und europäischen Wahlen teilzunehmen. | |
Neben den Moldauern werden an den Parlamentswahlen und den beiden | |
Wahlgängen für das Präsidentschaftsamt etwa 1 Million rumänische | |
Staatsbürger teilnehmen, die im westlichen Ausland leben. Sie konnten | |
bereits seit Freitag abstimmen. Auf dieses Wählerpotential setzen sowohl | |
die Anhänger von Simion als auch die von Lasconi. | |
Auch in der Vergangenheit waren die Auslandsrumänen das Zünglein an der | |
Waage und hatten zum Sieg von Johannis beigetragen. Simion war im Laufe des | |
Jahres wiederholt im Ausland unterwegs und hatte zahlreiche Begegnungen mit | |
der so genannten rumänischen Diaspora, die er zu überzeugen versuchte, ihn | |
und seine rechtsradikale AUR-Partei zu wählen. Ob er tatsächlich in die | |
zweite Runde kommt, wird bereits am Sonntag abend klar werden. | |
24 Nov 2024 | |
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## AUTOREN | |
William Totok | |
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