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# taz.de -- Archäologie und Geschlechterrollen: Wenn neue Forschung alte Klisc…
> Eine neue Studie zeigt, dass Goldschmuck und Carearbeit schon beim
> Ausbruch des Vesuv vor fast 2000 Jahren genderneutral waren. Was lernen
> wir daraus?
Bild: Schmuckstücke, die in den Ruinen eines Hauses in Pompeji gefunden wurden
Laut Tiktok-Trend [1][denken Männer jeden Tag ans Römische Reich]. Die
Washington Post sieht da historische Gründe: Schon Abraham Lincoln dachte
gerne über die Schildkrötenformation römischer Legionen nach. Die
Wissenschaft bietet – im Gegensatz zu Tiktok – nun Sicherheiten, die nicht
zum Kopfschütteln über männliche Denkmuster veranlassen, sondern zur
Revision der Geschichtsschreibung. Denn der römische Mann war nicht
„typisch männlich“, sondern trug Goldschmuck und leistete Carearbeit.
Im Jahr 79 n. Chr. spuckte der [2][Vesuv nahe Neapel] Feuer und begrub die
Stadt Pompeji inklusive Bewohner*innen unter Lava und Asche. Blöd für
die Betroffenen damals, gut für die Wissenschaft heute: Die heißen
Gesteinsmassen konservierten Überreste der Todesopfer über fast zweitausend
Jahre. Die im Gestein durch das Verwesen menschlicher Überreste
entstandenen Hohlräume füllte man mit flüssigem Gips. Wieder ausgehärtet,
entstanden so Abdrücke der letzten Lebensmomente von 104
Stadtbewohner*innen. Anhand dieser zog man Rückschlüsse auf das Leben der
„Eingeäscherten“ und deren Beziehung zueinander.
## Die Studie
[3][Forscher*innen der Universitäten Florenz und Harvard und des
Max-Planck-Instituts] in Leipzig stellen jetzt bisher Angenommenes infrage.
Das Team extrahierte DNA aus den stark fragmentierten Skelettresten von 14
der 86 Abgüsse, die gerade restauriert wurden.
Dadurch können nun valide Aussagen über Geschlecht, Herkunft und
Verwandtschaftsbeziehung der Todesopfer getroffen werden. Bisher wurden die
anhand des äußeren Erscheinungsbilds, der Ausrichtung der Körper und
basierend auf herkömmlichen Rollenzuschreibungen getroffen – und seit 1748
nicht hinterfragt. Einzig, weil zwei der Abdrücke im selben Raum gefunden
wurden, die ältere Person einen goldenen Armreif trug und mit einem Kind im
Schoß starb, wurden sie kurzerhand zu Mutter und Kind erklärt.
Die DNA stellt jetzt klar: Weder handelte es sich um eine Mutter – die
Person war biologisch männlich – noch bestand eine familiäre Beziehung zum
Kind im Schoß. Bestätigt wurde statt patriarchaler Rollenbilder der
kosmopolitische Charakter des Römischen Reichs: Nicht nur das alte Rom war
multiethnisch bevölkert – auch viele Pompejianer*innen migrierten aus
dem östlichen Mittelmeerraum.
## Was bringt’s?
Einen neuen Beweis dafür, wie dringend wir aus Klischees ausbrechen müssen.
Auch die Wissenschaft flüchtet sich zu Zeiten in altbekannte
Erklärungsmuster – moderne Methoden können dagegen Geschichte neu
schreiben. Fast zweitausend Jahre alte DNA-Rückstände sind dann doch
belastbarer als altbackene Rollenzuschreibungen, die weder diskursiv noch
historisch als Leuchtturm der Erkenntnis dienen. Und: Goldschmuck war schon
damals genderneutral, [4][Carearbeit] genauso.
24 Nov 2024
## LINKS
[1] /Meme-ueber-Maenner-und-das-Roemische-Reich/!5958474
[2] /Erdbeben-in-Neapel/!6009225
[3] https://www.cell.com/current-biology/abstract/S0960-9822(24)01361-7?_return…
[4] /Care-Arbeit-und-Gleichberechtigung/!5834059
## AUTOREN
Florian Nass
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