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# taz.de -- Koalitionsabkommen in Thüringen: Brombeerernte in Erfurt
> Der Koalitionsvertrag zwischen BSW, CDU und SPD steht. Ob das alles so
> klappt in Thüringen, wie es sich die drei Parteien vorstellen? Dem
> Freistaat täte es gut.
Bild: Alternativlos in Thüringen: die Brombeer-Koalition
Wer zum Aberglauben neigt, könnte an ein böses Omen für die erste
„Brombeer“-Koalition in Thüringen glauben. Zur Vorstellung des
Koalitionsvertrages am Freitag war es wegen eines schweren Unfalles
unmöglich, über die A 4 nach Erfurt zu gelangen. Die Kollision ereignete
sich bei Meerane just an der Stelle, wo im Juli der Wahlkampf der CDU
begann.
Mit Unfällen und Sperrungen wird auch [1][das Dreierbündnis aus CDU, BSW
und SPD] rechnen müssen, sofern nun die Landesparteigremien dem
Vertragsentwurf zustimmen. Bei der Bestätigung kann sich die CDU auf den
erweiterten Landesvorstand absehbar verlassen. Knapper dürfte die
Mitgliederbefragung bei der SPD ausgehen, in der auch selbstkritische
Stimmen nach Opposition riefen. Aber die Dankbarkeit, mit 6,1
Zweitstimmenprozenten erneut an der Regierung beteiligt zu werden, wird
überwiegen.
Das [2][Thüringer BSW] wirkt im Vergleich zu Sachsen zwar berechenbarer und
hat mit Katja Wolf auch eine profilierte und relativ eigenständige
Landesvorsitzende. Dennoch dürfte der Parteitag am 7. Dezember nicht nur
eine Zustimmungspflicht erledigen, nachdem Sahra Wagenknecht keine
Vorbehalte gegen den Vertrag mehr geäußert hat. Wie werden die von der
Bundeszentrale am Landesverband vorbei geschleusten Neumitglieder
abstimmen?
Am Ende seiner zehn Jahre als Ministerpräsident fand [3][Bodo Ramelow]
seine spitze Zunge von einst wieder und fragte seine ehemaligen Genossen
von der Linken, nach welcher Liste sie zum Parteitag einladen werden. Das
Wagenknecht-Bündnis gilt mehr als zwei Monate nach seinen Wahlerfolgen auch
in der Bevölkerung zunehmend als Unsicherheitsfaktor. Viele fragen sich,
wie lange dieses heterogene Bündnis überhaupt ein politischer Faktor
bleiben werde.
Jetzt aber überwiegt erst einmal die Genugtuung, es aus dem Stand in eine
Regierung geschafft zu haben. Wider Erwarten in Thüringen noch vor
Brandenburg. Wie stabil die Regierungsarbeit in fünf Jahren bleiben kann,
wird wesentlich von der inneren Stabilität des BSW abhängen.
## Nur knapp über die Hälfte
Den zweiten Unsicherheitsfaktor bildet schlichtweg das Wahlergebnis, also
die Sitzverteilung im Landtag. Die thüringische Freundlichkeit der
Vertragspräsentation kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass das „grüne
Herz Deutschlands“ in einer vergleichbaren Situation ist wie die
Behelfsminderheitsregierung in Sachsen. Das Patt, nur über genau die Hälfte
der 88 Landtagssitze zu verfügen, wird auch diesen Dreier zur Suche nach
Mehrheitsbeschaffern zwingen.
Welche Strapazen dabei auf sie zukommen, wissen die nun abgelösten
ehemaligen rot-rot-grünen Koalitionspartner der vergangenen Legislatur nur
zu genau, darunter die SPD. Ein hübsches demokratietheoretisches
Experiment, eben alternativlos, will man nicht mit der AfD kungeln.
Immerhin: Man hat sich in Erfurt verblüffend geräuschlos geeinigt, und das
im anerkennenswerten Interesse am Freistaat Thüringen.
22 Nov 2024
## LINKS
[1] /Koalitionsverhandlungen-in-Thueringen/!6042453
[2] /BSW-in-Thueringen-auf-Koalitionskurs/!6042811
[3] /Bodo-Ramelow-nach-Thueringen-Wahl/!6033631
## AUTOREN
Michael Bartsch
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