# taz.de -- Deutsch-griechische Beziehungen: „Unauslöschliche Schuld“ | |
> Bundespräsident Steinmeier thematisiert bei seinem Staatsbesuch deutsche | |
> Kriegsverbrechen, lehnt aber griechische Forderungen nach Reparationen | |
> ab. | |
Bild: 36892277.jpg Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei seiner Ankunft … | |
Athen taz | Als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Dienstagmittag | |
zu seinem dreitägigen Staatsbesuch im griechischen Thessaloniki eintrifft, | |
strahlt die Sonne. Zu seinen leichteren Übungen dort dürfte die | |
[1][„Würdigung der Rolle (Griechenlands) beim Schutz der EU-Außengrenzen | |
vor illegaler Migration“] zählen. Dafür ist der Besuch des | |
Flüchtlingslagers in Malakasa nahe Athen geplant. | |
[2][Für Irritationen sorgen zwar die jüngsten deutschen | |
Grenzkontrollmaßnahmen]. Ängste versuchte Steinmeier aber schon vorab zu | |
zerstreuen: „Ich setze große Hoffnung in das gemeinsame europäische | |
Asylsystem. Es wird keine Alleingänge geben, sondern ein mit unseren | |
EU-Partnern eng abgestimmtes Vorgehen“, sagte er der Athener Zeitung Ta | |
Nea. | |
Ferner will Steinmeier das Goethe-Institut in Thessaloniki, das Deutsche | |
Archäologische Institut in Athen, ein Tourismusprojekt sowie einen | |
deutschen Industriebetrieb besuchen – für deutsche Offizielle ein übliches | |
Routineprogramm. | |
Steinmeier scheut auch nicht das hierzulande dunkelste deutsche Kapitel: | |
die Verbrechen der Wehrmacht in Griechenland. Seine erste Station ist am | |
Dienstag das im Bau befindliche Holocaust-Museum in Thessaloniki, von | |
Berlin mit zehn Millionen Euro teilfinanziert. | |
## Besuch im von der Wehrmacht zerstörten Kandanos | |
In Thessaloniki, bis Anfang des 20. Jahrhunderts das „Jerusalem des | |
Balkans“, stellten die sephardischen (aus Spanien stammenden) Juden vom 15. | |
Jahrhundert an das Gros der Bewohner. 1943 wurden 56.000 Juden nach | |
Auschwitz und Bergen-Belsen transportiert, 49.000 wurden ermordet. | |
Griechenland litt ab dem 6. April 1941 stark unter der deutschen Besatzung: | |
Die Bevölkerung schrumpfte um 1,1 Millionen oder 13,5 Prozent – so viel wie | |
sonst nirgends in Europa. 400.000 Häuser wurden zerstört oder beschädigt. | |
Doch die Griechen, allen voran Linke, leisteten erbitterten Widerstand. Als | |
die deutschen Besatzer am 12. Oktober 1944 abzogen, hinterließen sie mehr | |
als 100 aus Vergeltung zerstörte Dörfer. | |
Das am 3. Juni 1941 zerstörte Kandanos auf Kreta besucht Steinmeier am | |
Donnerstag. Proteste sind schon angekündigt. Dort sind die | |
NS-Kriegsverbrechen unvergessen. Auf einer Tafel im Ort erklärten die | |
Nazis: „Zur Vergeltung der bestialischen Ermordung eines | |
Fallschirmjägerzuges und eines Pionierhalbzuges durch bewaffnete Männer und | |
Frauen aus dem Hinterhalt wurde Kandanos zerstört.“ | |
Aristomenis Syngelakis vom Nationalrat für die Entschädigungen und | |
Reparationen (ESDOGE) sagte der taz: „Der Besuch in Kandanos könnte sich | |
als historisch bedeutsam erweisen, falls der deutsche Staatspräsident die | |
Chance ergreift, sich ohne Umschweife für die abscheulichen Naziverbrechen | |
in Griechenland zu entschuldigen und die deutsche Regierung aufzufordern, | |
endlich die Verantwortung für das Leid, die Trauer, Plünderung und | |
Zerstörung unserer Heimat durch das Dritte Reich zu übernehmen.“ | |
## Premier Misotakis will Verhältnis zu Berlin nicht „vergiften“ | |
Reue werde nur durch „die Rückzahlung der unverjährten und dokumentierten | |
deutschen Verbindlichkeiten an Griechenland erfolgen“, so Syngelakis. Er | |
verlor damals fünf nahe Angehörige. „Das bedeutet die Zahlung von | |
Reparationen an die Familien der Opfer der Nazi-Gräueltaten, Reparationen | |
an den Staat, die Rückzahlung der Zwangsanleihe und die Rückführung | |
archäologischer und anderer geraubter Kulturschätze.“ | |
Unter dem linken Premier Alexis Tsipras [3][beschloss das Parlament im | |
April 2019, dass die Frage von Entschädigungen und Reparationen „offen und | |
aktiv“ bleibe]. Es handele sich um eine „unauslöschliche Schuld“. Der | |
griechische Staat habe „nie und in keiner Weise auf seine Forderungen | |
verzichtet“, „eine Frage der Verjährung der Forderungen stellt sich nicht.… | |
Athen beziffert die deutsche Schuld samt Zinsen auf über 400 Milliarden | |
Euro. | |
Premier Kyriakos Mitsotakis empfängt Steinmeier am Mittwoch in Athen. | |
Seine konservative Nea Dimokratia hatte einst auch für die | |
Reparationsforderungen gestimmt. Seit Juli 2019 im Amt, tut der Premier | |
aber in der Sache nichts. Das Verhältnis zu Berlin solle nicht „vergiftet“ | |
werden. | |
Steinmeier stellte vor der Ankunft klar: „[4][Die Frage der Reparationen | |
ist für unser Land völkerrechtlich abgeschlossen], die Frage unserer | |
Geschichte dagegen wird es nie sein.“ | |
29 Oct 2024 | |
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## AUTOREN | |
Ferry Batzoglou | |
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