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# taz.de -- NS-Historie im Schloss Bensberg bei Köln: Unbehagen mit Domblick
> Schloss Bensberg ist ein feines Hotel und Ausflugsziel. Fast niemand weiß
> aber, dass es mal eine Nazi-Eliteschule und Außenlager des KZ Buchenwald
> war.
Bild: Goldene Perspektiven: Prunk findet sich im Schloss Bensberg, die Stolpers…
Bensberg taz | Ein Champagner im Restaurant Jan Wellem – wär das nichts?
Ja, schon, aber im normalen Anorak kommt man da nicht rein. Da gucken
Bedienung und Gäste bereits finster, wenn man nur mal durch die Fenster
schaut. Und wahrscheinlich würden einen die Eigner des Grand Hotel auf
Schloss Bensberg gern auch noch vom Innenhof des einstigen Barockschlosses
scheuchen, aber das ist vermutlich öffentlicher Grund. Außerdem beliebtes
Ausflugsziel im Norden Kölns, dramaturgisch geschickt inszeniert.
Denn wenn man sich durch Bensbergs scheußlich verbaute Innenstadt den
steilen Hang raufgequält und die Hoffnung fast aufgegeben hat: dann öffnet
sich oben das weitläufige Plateau, umrahmt von einem dreiflügeligen weißen
Barockbau, erbaut nach dem Muster von Schloss Versailles. Majestätisch,
Macht demonstrierend und Abstand gebietend liegt es da, die Mittelachse
ausgerichtet auf den Kölner Dom. Bänke laden zum Verweilen ein, der
Verkehrslärm verstummt, es ist eine Oase.
## Schon Schauplatz vieler Nutzungen
Geschaffen wurde sie einst für den aus Düsseldorf stammenden Johann Wilhelm
II. (1658–1716) – Kurfürst von der Pfalz, Herzog von Jülich-Berg, Pfalzgr…
zu Neuburg, [1][volkstümlich-liebevoll Jan Wellem] genannt. Er wollte
seiner zweiten Frau, die weit betuchter war als er, ein repräsentatives
Jagdschloss bieten. Jedoch, der absolutistische, dennoch beliebte Fürst
starb vor der Vollendung, die Witwe zog zurück nach Italien, und das zu
drei Viertel fertige Schloss moderte vor sich hin und wurde im 18. und 19.
Jahrhundert französisches Lazarett, preußische Kadettenanstalt, nach dem
Ersten Weltkrieg Kaserne für Besatzungstruppen.
Aber all dies reicht nicht, um das Unbehagen zu erklären, das einen auf dem
Plateau des anno 2000 eröffneten Hotels befällt. Es ist vielmehr die Etappe
zwischen 1935 und 1944. Damals residierte auf Schloss Bensberg eine
„Nationalpolitische Erziehungsanstalt“ (Napola), eine [2][Nazi-Eliteschule
für Jungen]. Neben den damaligen Adolf-Hitler-Schulen, die Parteinachwuchs
ausbildeten, zielten die Napolas auf Indoktrination und militärischen Drill
von Jungen ab zwölf, sprich: auf die Ausbildung von Soldaten und harten
SS-Männern.
Die Auswahl begann früh: Jeder Dritt- und Viertklässler, der, so die
Vorgaben der NS-Ideologie, „rassisch einwandfrei, körperlich gesund,
charakterlich sauber und geistig leistungsfähig“ war, wurde dem
Kreisschulrat gemeldet und in die Napola gezwungen. Wer den absehbaren
„Heldentod“ seines Kindes nicht hinnehmen wollte, hatte keine Chance: Einer
Mutter, die um Freistellung ihre Sohnes bat, weil sie bereits einen Sohn im
Krieg verloren hatte, unterstellte man, den „Führer“ zu beleidigen. Im
übrigen gehöre das Kind nicht den Eltern, sondern dem Staat.
Für die Reparatur des brandgeschädigten Dachs des Schlosses wurden die
Edel-Jünglinge allerdings nicht eingesetzt. Das erledigten 1943 zunächst
Zwangsarbeiter aus Köln-Deutz. 1944 wurde Bensberg eines der Außenlager des
KZ Buchenwald, und weitere Häftlinge kamen. Wie viele es insgesamt waren,
ist unklar. Die Rede ist von 12 bis 40 Männern. Untergebracht waren sie
vermutlich im Keller des Schlosses.
## Nicht mal einen Stolperstein
All dies ist in der Bevölkerung kaum bekannt, wie eine SchülerInnengruppe
diesen Sommer im Zuge eines Projekts herausfand, das in eine Ausstellung
mündete. Auch fordern die SchülerInnen deutlich sichtbare Hinweisschilder
auf die NS-Schule sowie Mahnmale für die Zwangsarbeiter. Stolpersteine für
zwei 1944 im Schlosshof erschossenen Zwangsarbeiter seien das Mindeste,
finden sie. Bisher ist da nichts, alles makellos sauber und aufgeräumt.
Dabei wähnt man die Schlossgeschichte beim Galerie + Schlossverein Bergisch
Gladbach – Bensberg ist ein Stadtteil – eigentlich in guten Händen. Er hat
sich zur „Förderung der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Geschichte des
Schlosses und Verwirklichung einer Dauerausstellung möglichst innerhalb des
Schlossbereiches“ verpflichtet. Dies habe aber „wegen fehlender Möglichkeit
der Anmietung sowie der fehlenden Finanzierung nicht verwirklicht“ werden
können, teilte man den SchülerInnen nun mit.
Es lag wohl am Veto des heutigen Schlosseigners, der Generali Deutschland
Lebensversicherung, und des Hotelbetreibers. Auch der Bürgermeister duckt
sich weg: Ja, man sei für Hinweistafel und Mahnmal, „allerdings wäre das
mit dem Eigentümer des Schlosses und dem Hotelbetreiber abzustimmen“,
schreibt der Bürgermeister den SchülerInnen. Wann er das in die Wege leiten
wird, schreibt er nicht.
Das Hotel selbst erwähnt die NS-Zeit auf seiner Homepage zum Thema
„Geschichte“ gar nicht. Stattdessen wirbt man mit dem großen Ballsaal, den
Oldtimer-Stellplätzen für Gäste und der erlesenen Bibliothek. Gepriesen
wird auch das barocke Kuppelgemälde von Domenico Zanetti. Der
symbolträchtige Titel: „Sturz der Giganten“.
5 Nov 2024
## LINKS
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Wilhelm_(Pfalz)
[2] /Doku-ueber-Napola-Zoeglinge/!5151465
## AUTOREN
Petra Schellen
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