Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Arztpraxen in abgehängten Stadtteilen: Gesundheit soll in Bremen g…
> Die Bremer Fraktion Die Linke will ärmere Stadtteile medizinisch besser
> versorgen: mit Gesundheitszentren. Vorbild ist die Hamburger Poliklinik.
Bild: Vorbild für die Strategie der Linken: Die Poliklinik Veddel in Hamburg d…
Bremen taz | Die Bürgerschaftsfraktion der Linken in Bremen will die
Gesundheitsversorgung in den Quartieren verbessern. Ein Strategiepapier,
das am Mittwoch vorgestellt wurde, fordert dafür die Gründung von
Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) durch die Stadt: Hausärzt*innen,
Gynäkolog*innen, Kinderärzt*innen und Psychotherapeut*innen
sollen dort praktizieren. Ein Strategiepapier der Linken hat Gewicht,
schließlich hat die Regierungsfraktion im Bremer Senat das
Gesundheitsressort mit Claudia Bernhard besetzt.
Die Linken wollen damit ein Problem lösen, das es auf dem Papier gar nicht
gibt: Schaut man auf die Daten der Kassenärztlichen Vereinigung (KV)
Bremen, dann ist die Stadt medizinisch ausgezeichnet versorgt. Der
Versorgungsgrad mit Hausärzten beträgt rund 103 Prozent – perfekt! Bei
Kinderärzt*innen werden sogar 125 Prozent erreicht. Und bei
Psychotherapeut*innen ist Bremen mit 170 Prozent sogar überversorgt.
Wer genauer hinschaut, erkennt den Schönheitsfehler dieser Statistik: Die
KV betrachtet die Stadt als ein einziges Versorgungsgebiet, die
Ärzt*innen sind aber ungleich über die Stadt verteilt. Im gutbürgerlichen
Schwachhausen ist ein*e Kinderärzt*in für 269 Kinder und Jugendliche
zuständig. In Gröpelingen im Bremer Westen mit seinem niedrigen Sozialindex
muss ein Kinderarzt 1.953 Kinder versorgen – mehr als das Siebenfache.
Bei anderen Fachärzt*innen ist das Verhältnis noch ungleicher: In
Schwachhausen kommt auf 260 Menschen ein*e Psychotherapeut*in. In
Gröpelingen gibt es eine Praxis für alle 37.423 Einwohner*innen. Die Lage
wird dadurch verschärft, dass die Unterversorgung [1][jene Stadtteile
trifft, in denen die gesundheitlichen Probleme besonders gravierend] sind –
und dadurch, dass arme Menschen weniger mobil sind.
## Medizinische Zentren für schlecht versorgte Stadtteile
In den unterversorgten Stadtteilen will die Linke kommunale Medizinische
Versorgungszentren eröffnen. Neu ist die Idee eines MVZ in Bremen nicht.
Die „Stadtteilversorgung über Gesundheitszentren“ zu stärken, war schon
während der Pandemie 2020 [2][erklärtes Ziel der Senatorin]. Für einen
Teilbereich wurde die Idee schon umgesetzt: Seit 2022 wurden auf Initiative
der Stadt drei [3][Hebammenzentren in unterversorgten Stadtteilen] eröffnet
– bundesweit ist das einmalig.
Diskutiert wird die Idee eines MVZ auch schon länger konkret für den
Stadtteil Obervieland, als Kompensation für den [4][Wegfall des Klinikums
Links der Weser,] das geschlossen wird. So könnte es passieren, dass das
erste Versorgungszentrum im Bremer Süden eröffnet, obwohl Bremen-Nord,
Bremerhaven und der Bremer Westen aktuell noch dringenderen Bedarf hätten.
Noch in dieser Legislatur bis 2027, so die Vorstellungen der Linken, soll
mit der Planung und Umsetzung eines ersten Zentrums begonnen werden.
Etwa eine halbe Million Euro bräuchte es als Anschubfinanzierung, schätzt
der gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion, Nelson Janßen. Da die im
MVZ angestellten Ärzt*innen normale Kassensitze zugeteilt bekämen, würden
auch die medizinischen Angebote vor Ort einfach über die Krankenkasse
abgerechnet – nach ein paar Jahren sollte sich ein Zentrum deshalb selbst
tragen.
Bisher sind es oft die Ärzt*innen, die sich scheuen, eine Praxis in einem
der benachteiligten Quartiere zu eröffnen: Dort ist nicht nur die Zahl der
Privatpatient*innen niedriger, auch die Arbeitsbelastung ist aufgrund
der vielen unversorgten Menschen und wegen Sprachbarrieren höher.
## Findet Bremen ausreichend Ärzt*innen?
Die Linke geht in ihrem Strategiepapier dennoch davon aus, dass die Stadt
ausreichend Ärzt*innen für die Versorgungszentren in den betroffenen
Quartieren gewinnen kann: Schließlich würden die im MVZ angestellt – eine
attraktive Option für viele junge Ärzt*innen, die sich nicht selbstständig
machen wollen. Auch die Kassenärztliche Vereinigung, die normalerweise
allein über die Vergabe von Kassensitzen entscheidet, hofft man überzeugen
zu können: Aktuell können viele Kassensitze gar nicht besetzt werden.
Die Bremer Linke bezieht sich als Vorbild auf eine Initiative aus Hamburg,
die Poliklinik auf der Veddel. Die hat mit dem, was sich die Bremer Linken
vorstellen, auf den ersten Blick nicht viel gemein: Sie entstand 2017 als
[5][selbstverwaltetes Stadtteil-Gesundheitszentrum,] gegründet von
Idealist*innen.
„Medizinisches Versorgungszentrum“ will man sich in Hamburg gar nicht
nennen, vor allem Hausärzt*innen und Psychotherapeut*innen
praktizieren dort. Nicht auf Fachärzt*innen zu setzen, ist eine bewusste
Entscheidung: Es geht weniger um die Behandlung von spezifischen
Krankheiten und Symptomen, sondern eher um einen Blick auf die systemischen
Ursachen von Krankheit.
Statt eines Orthopäden vor Ort gibt es Mieterberatung,
Selbstverteidigungskurse für Frauen und politische Kundgebungen. „Durch
präventive Arbeit Menschen im Quartieren zu solidarisieren, das ist alles
Gesundheitsarbeit“, erklärt Tobias Filmar, der in der Poliklinik Veddel als
Psychotherapeut arbeitet und die multiprofessionelle Zusammenarbeit
zwischen den einzelnen Einheiten des Projekts koordiniert.
## Weitere Ideen sollen „mittelfristig“ umgesetzt werden
Dieser ganzheitliche Blick auf Gesundheit eröffnet sich im Strategiepapier
der Linken erst über einen zweiten Punkt: Stärken und neu gründen will die
Fraktion im nächsten Schritt auch sogenannte Gesundheitstreffpunkte. Diese
Anlaufstellen für Bewohner*innen in benachteiligten Stadtteilen ähneln
dann tatsächlich der Poliklinik – geplant ist die Anbindung verschiedener
sozialer Projekte und existierender Angebote an ein medizinisches Angebot.
Die Projekte, die man nach Vorstellung der Linken andocken könnte, gibt es
oft schon. Neu aus dem Boden gestampft und gänzlich neu finanziert werden
müssten sie also nicht. Ganz ohne Geld wird's wohl trotzdem nicht gehen,
wenn man Filmar von der Poliklinik hört: Ärzt*innen, Pflegekräfte,
Sozialberatungen – „für alle Teilbereiche muss es finanzierte Zeit geben,
um miteinander ins Gespräch zu gehen“, sagt er.
In der Poliklinik Veddel selbst gibt es wöchentliche Teamsitzungen, für
alle Patient*innen gibt es gemeinsame Fallberatungen. „Aber das wird
bei uns nicht für alle Stellen gegenfinanziert. Wenn es keine
Selbstausbeutung sein soll, dann hängt alles grundlegend an der
Finanzierung.“ Vielleicht ein Grund dafür, warum die Gesundheitstreffpunkte
– anders als die Versorgungszentren – im linken Strategiepapier nur
„mittelfristig“ geplant sind.
7 Nov 2024
## LINKS
[1] /Groepelinger-sterben-frueher/!5699640/
[2] /Bremer-Gesundheitssenatorin-ueber-Corona/!5735896
[3] /Hebammen-in-Deutschland/!5926866
[4] /Bremens-Gesundheitssenatorin/!6042238
[5] /Poliklinik-im-Hamburger-Armenstadtteil/!5447702
## AUTOREN
Lotta Drügemöller
## TAGS
psychische Gesundheit
Gesundheit
Schwerpunkt Armut
Stadtentwicklung Bremen
Bremen
Schwerpunkt Stadtland
Gesundheitswesen
Geburtshilfe
Gesundheit
## ARTIKEL ZUM THEMA
Festival Feuerspuren in Bremen: Das pure Erzählen
In einem der internationalsten Ortsteile Bremens gibt's seit 29 Jahren die
„Feuerspuren“: Das Festival bezaubert durch die Kunst des Fabulierens.
Bremens Gesundheitssenatorin: „Die Fundamentalkritik an der Klinikreform teil…
Mit Claudia Bernhard macht ausgerechnet eine linke Gesundheitspolitikerin
eine Klinik dicht. Dazu verteidigt sie die umstrittene Krankenhausreform.
Hebammen in Deutschland: Schwierige Geburt
Bremen will mit Hebammenzentren besonders Frauen in prekären Lebenslagen
helfen. Doch wie im Rest des Landes fehlt es an Personal. Ein Ortsbesuch.
Poliklinik im Hamburger Armenstadtteil: „Die Umstände machen krank“
Auf der Hamburger Veddel hat ein Kollektiv ein Gesundheitszentrum
gegründet, das nicht nur Symptome behandeln, sondern auch die Ursachen
angehen will.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.