| # taz.de -- Design für Kinder: Wo ist der latest Shit? | |
| > Das Berliner Bröhan-Museum untersucht „Design für Kinder“ seit der Zeit | |
| > der Reformbewegung. Die Ausstellung weist jedoch einige Leerstellen auf. | |
| Bild: Paula auf „Clara“, dem Nashorn von Alexandra Kiesel, 2023 | |
| Das von dem Münchner Kommunikationsdesigner Gerwin Schmidt entworfene | |
| Plakat ist gut gemeint, dürfte aber auch eine abschreckende Wirkung | |
| entfalten: Neben den Worten „Design für Kinder“ gruppieren sich mit | |
| Wachsmalstiften gezeichnete fröhliche Monster um ein Fotomotiv. | |
| Darauf jedoch sieht man keine „Kinder“, sondern einen blonden Jungen um | |
| 1966 in Lederkniebundhose. Etwas ängstlich in die Kamera schauend, schmiegt | |
| er sich gestellt in die Formen einer von Günter Beltzig entworfenen | |
| „Schaukelwanne“. | |
| Nicht jedes Kind in der Stadt dürfte sich durch das historische | |
| Identifikationsangebot des Fotomotivs angesprochen fühlen. Erwachsene | |
| hingegen könnten rasch erahnen, dass das Plakat eine Ausstellung zu einem | |
| museal eher selten gezeigten Aspekt der Designgeschichte bewirbt. | |
| Dass sich „Design für Kinder“, die von einem Team um Anna Grosskopf, | |
| Kuratorin am Bröhan-Museum, für diesen Ort konzipierte Ausstellung an | |
| Erwachsene und Kinder richtet, wird beim Besuch aber schnell klar: Die für | |
| Besucher*innen verschiedener Größen ähnlich gut sichtbaren rund 250 | |
| Exponate werden durch 13 „Spielstationen“ ergänzt, an denen Kinder das | |
| Gezeigte gespielt in Funktion setzen können. | |
| Spielzeugfiguren aus Holz | |
| Zu sehen sind Beispiele aus Spielzeug-, Möbel-, Grafik- und Produktdesign | |
| für Kinder seit der Zeit der Reformbewegung um 1900. Zunächst | |
| chronologisch, im Verlauf des Parcours dann immer mehr thematisch | |
| gruppiert, beginnt man etwa bei den Miniaturen der Dresdner Werkstätten – | |
| Spielzeugfiguren aus Holz, mit denen so naturalistisch wie stilisiert | |
| Straßenszenen nachgeahmt werden konnten. | |
| Man staunt über die frühen Abstraktionen in den expressionistischen | |
| Holzspielzeugen des Malers Georg Weidenbacher und schmunzelt darüber, dass | |
| die bunten Flickentiere der in der Charlottenburger Teresa-Werkstatt | |
| tätigen Resi Brandl tatsächlich als „Buflis“ vermarktet wurden. | |
| Ganz klassisch führt die Ausstellung weiter in die Moderne, zeigt einen | |
| Nachbau des multifunktionalen Kinderspielschranks „TI 24“ der | |
| Bauhaus-Studentin Alma Siedhoff-Buscher, 1923 für das Kinderzimmer des | |
| Weimarer Hauses „Am Horn“ entworfen. | |
| Weiter geht es mit niederländischen, von dem Modernisten Gerrit Rietveld | |
| und der „De Stijl“-Gruppe inspirierten Entwürfen von Klötzen oder | |
| Spielautos aus Holz, an denen sich – für die, die es sich leisten konnte – | |
| Grundformen und Primärfarben so richtig austoben durften. | |
| Ein paar zeittypische Stahlrohrmöbel gesellen sich dazu, und auch wenn man | |
| Material, Form und Funktion kennt, sieht man hier doch überraschend immer | |
| kleine Versionen als Kindermöbel, erfährt dabei, dass auch der bekannte | |
| Freischwinger von Marcel Breuer von Anfang an als Kinderstuhl konzipiert | |
| war. | |
| Nationalsozialismus wird ausgelassen | |
| Den Zivilisationsbruch der 1930er und 40er, der sich fraglos auch im | |
| Design für Kinderspielzeug abbilden ließe, lässt die Ausstellung aus (auch | |
| die Militarisierung von Spielzeug zum 1. Weltkrieg spielte zuvor bereits | |
| keine Rolle), um dann ganz poppig auf den Stühlen des Plastic Age der | |
| 1970er, der Postmoderne der 1980er oder [1][der Ikea-Welt von heute] zu | |
| landen. | |
| Eine nicht nachvollziehbare kuratorische Entscheidung. [2][In der kürzlich | |
| in Weimar vom dortigen Bauhaus-Museum realisierten Ausstellung „Bauhaus und | |
| Nationalsozialismus“] wurde die Kinderwiege für Karl Otto und Ilse Koch | |
| (dem Buchenwalder Lagerkommandanten und dessen Frau) gezeigt, entworfen vom | |
| früheren Bauhaus-Studenten Franz Ehrlich, der ab 1937 als politischer | |
| Häftling in Buchenwald als Opfer für die Täter gestalten musste. | |
| Dies wäre nur ein Beispiel dafür, dass man Design für Kinder im | |
| Nationalsozialismus gerade in einem Berliner Designmuseum nicht | |
| überspringen kann, zeigen müsste. | |
| Teils hochinteressante Exponate | |
| Die entstandene Leerstelle bleibt, trotz der teils hochinteressanten | |
| Exponate: Originale und Modelle der vielgestaltigen Spielplatzgeräte und | |
| -architekturen des vor zwei Jahren verstorbenen Beltzig seit den 1970er | |
| Jahren, auf vielen Berliner Spielplätzen anzufinden, das metallene | |
| Multifunktionsmöbel „Abitacolo“ („Cockpit“) von Bruno Munari (1971) od… | |
| fantastische Baukästen, etwa der von Bruno Taut miterfundene, sehr seltene | |
| „Dandanah“ (1920) mit bunten Glasbausteinen. | |
| Auch zeithistorisch bleiben Leerstellen, gibt es ein loses Ende, denn wo | |
| ist hier – frei nach dem Meme-Designer Mike Meiré – der latest Shit? | |
| Handhelds? Game Design? Überhaupt: Spielzeuge mit Elektroantrieb? Auch das | |
| ist seit Jahrzehnten gebrauchtes, designhistorisch längst erfasstes „Design | |
| für Kinder“, kommt aber in der Ausstellung nicht vor. | |
| Und so liegt der Kardinalfehler der Ausstellungskonzeption wohl darin, bei | |
| großer Unentschiedenheit Kinder zum Sonderfall des Designs erklären zu | |
| wollen. Denn im Umkehrschluss: Welches Museum würde eine Ausstellung ohne | |
| Not „Design für Erwachsene“ nennen? | |
| 9 Nov 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Martin Conrads | |
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