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# taz.de -- Dauerkrise bei Galeria: Der langsame Niedergang
> Nach Jahren des Verzichts soll die Belegschaft auf einen Tarifvertrag
> verzichten. Nun könnte auch das „Flaggschiff“ am Alexanderplatz
> schließen.
Bild: Wird der Alexanderplatz zu einer lebensfeindlichen Betonwüste? Die Galer…
Berlin taz | Nach der Rettung ist vor der Krise. Das wissen die rund 50
Galeria-Beschäftigten, die sich am Dienstagmorgen bei der Streikkundgebung
vor der Filiale in der Schloßstraße in Steglitz versammelt haben, am
besten. Die Hoffnung, dass der Eigentümerwechsel beim Kaufhauskonzern im
Mai auch die Situation der Beschäftigten verbessern würde, war ohnehin
gering.
„Ich arbeite seit 40 Jahren bei Galeria, aber was wir bekommen, wird immer
weniger“, sagt Sybille, die eigentlich anders heißt, ihren Namen aber nicht
in der Zeitung lesen will. Doch das jüngste Verhalten der Arbeitgeberseite
nennt sie „das Letzte vom Letzten“.
Mitte Oktober hat die Geschäftsführung die Verhandlungen mit Verdi über
einen neuen Tarifvertrag abgebrochen. Stattdessen unterbreitete sie den
Mitarbeitenden ein jeweils individuelles Angebot: rund elf Prozent mehr
Lohn in den kommenden drei Jahren, 800 Euro Inflationsausgleich, dafür aber
keinen Tarifvertrag. Die Lohnerhöhung bekommt nur, wer unterschreibt, und
auch nur, wenn 90 Prozent der Beschäftigten einer Filiale mit an Bord sind.
„Betriebliches Bündnis“ nennt Galeria das Angebot. Bis Freitag haben die
Beschäftigten Zeit zu entscheiden.
Das Angebot stelle für die Beschäftigten eine Zwickmühle dar, erklärt
Manuela Vigils, Betriebsrätin in der Steglitzer Galeria-Filiale. „Die
Stimmung ist schwierig, viele sind angewiesen auf das Geld.“ Nach Jahren
des Lohnverzichts zahlt Galeria mittlerweile 30 Prozent weniger als im
Flächentarifvertrag vorgesehen. Doch ohne Tarifvertrag gebe es auch keine
Rechtssicherheit, dass sich die Arbeitgeberseite auch an die Vereinbarungen
hält. „[1][Nach so vielen Insolvenzen] wächst das Vertrauen quasi
monatlich“, sagt sie ironisch.
## Neue Eigentümer, alte Probleme
Erst im Juli beendete das Unternehmen das dritte Insolvenzverfahren in vier
Jahren. Die neuen Eigentümer, die das Galeria nach der Signa-Pleite
übernahmen, wecken wenig Zuversicht. Hinter dem Unternehmenskonsortium
[2][stehen die Milliardäre Bernd Beetz und Richard Baker]. Beetz kündigte
an, lediglich 100 Millionen investieren zu wollen, der Rest solle aus
laufenden Einnahmen gestemmt werden. Das heißt, gespart werden solle vor
allem an den Beschäftigten.
Da die Geschäftsführung das Angebot an die Bedingung knüpft, dass 90
Prozent der Belegschaft einer Filiale zusagen, sieht Verid als Versuch, die
Belegschaft zu spalten. Lehnen zu viele Beschäftige in Hoffnung auf einen
Tarifvertrag das Angebot ab, könnten am Ende alle leer ausgehen. Die
Gewerkschaft spricht daher auch von „Nötigung“ seitens der
Geschäftsführung.
Für Verdi ist das Angebot ohnehin ein Affront, zielt es doch darauf ab, die
Gewerkschaft als Verhandlungspartner zu umgehen. Als letzten Versuch, die
Arbeitnehmerseite an den Verhandlungstisch zurückzubringen, hat die
Gewerkschaft in Berlin und Brandenburg spontan zum Warnstreik aufgerufen.
Die Beteiligung ist niedrig, auf taz-Anfrage gibt Galeria an, dass keine
Filiale ihr Angebot einschränken musste. Nach Jahrzehnten der Krise haben
viele Beschäftigte gekündigt, die verbliebenen haben kaum noch Hoffnung,
dass sich der Niedergang des Unternehmens noch aufhalten lässt.
„Ehrlich gesagt, es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis der Laden
endgültig dichtmacht“, sagt auch Sybille. In ihrer Filiale am Hermannplatz
werde kaum noch investiert, Aufzüge seien defekt, Abflüsse verstopft und
werden tagelang nicht repariert. Es werde kaum noch genug Personal
eingesetzt, um die Beratung zu leisten, für die viele Kund:innen
heutzutage in ein Warenhaus kämen. „Es funktioniert vieles einfach nicht“,
fasst Sybille zusammen.
## Noch mehr Filialen könnten schließen
Dazu kommt, dass das Damoklesschwert der Filialschließung weiterhin über
den noch rund 1.000 Galeria-Beschäftigten in Berlin schwebt. Die Gefahr,
dass die Immobilieneigentümer:innen ihre Premiumlagen an
zahlungskräftigere Mieter:innen als einen dauerklammen Warenhauskonzern
vermieten wollen, ist groß. Jedes Insolvenzverfahren war bisher begleitet
von harten Verhandlungen, um die Filialmieten zu drücken.
Dass Galeria nicht die beliebteste Mieterin ist, bewies die Ankündigung der
Commerzbank-Tochter Commerz Real am Wochenende, den umsatzstarken Standort
am Alexanderplatz für zwei Jahre schließen zu wollen.
Nach dem Umbau solle Galeria wieder einziehen, allerdings nur in stark
verkleinerter Form. Stattdessen soll es mehr Büros, Einzelhandel und – wenn
es nach der Commerz Real geht – sogar die Zentral- und Landesbibliothek
einziehen. Die Senatsverwaltung für Kultur dementierte. Es habe zwar
Gespräche mit der Commerz Real gegeben, derzeit werde die Möglichkeit aber
noch geprüft.
Wie es für die 350 Beschäftigten am Alexanderplatz weitergeht, ist unklar.
„Die Gespräche dazu laufen noch“, sagte ein Sprecher des Unternehmens auf
taz-Anfrage.
## Signa-Strategie fortgeführt
Im Falle der Anfang des Jahres geschlossenen Filiale am Leopoldplatz in
Moabit bedeutete „Umbau“ die betriebsbedingte Kündigung der gesamten
Belegschaft. Auch damals war davon die Rede, die Filiale nach Abschluss der
Arbeiten wiederzueröffnen.
Die Politik gibt sich überrascht von der drohenden Schließung der Filiale
am Alexanderplatz. „Damit kann ich mich nicht zufriedengeben“, sagte
Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) am Montag. Und: „Es ist
oberstes Ziel, dieses Flaggschiff zu erhalten.“ Eigentlich seien
Modernisierungen im laufenden Betrieb „internationaler Standard“, so
Giffey. Für Freitag sei ein Gespräch mit der Eigentümerin anberaumt.
Dabei führt die Commerz Real nur d[3][ie Strategie ihres Vorgängers Signa
fort], Kaufhausimmobilien durch aufwändige Modernisierung in eine
profitablere Mischnutzung umzuwandeln. Am Hermannplatz und am
Kurfürstendamm plante das Unternehmen sogar einen kompletten Abriss und
Neubau.
Obwohl Signa pleite ist, hält die Senatsverwaltung an den Planungen fest
und will sie mit neuen Investor:innen verwirklichen. Kein gutes Zeichen
für die Beschäftigten an diesen Standorten. Ob den neuen Eigentümer:innen
dann am Erhalt der Galeria-Filialen gelegen ist, ist mehr als fraglich.
5 Nov 2024
## LINKS
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[3] /Signa-Pleite-in-Berlin/!5981182
## AUTOREN
Jonas Wahmkow
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