Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Auf Deichschau an der Nordseeküste: Warten auf die nächste Sturmf…
> Deiche an Schleswig-Holsteins Küste müssen höher und breiter werden, um
> das Meer auf Dauer auszusperren. Aber ist das überhaupt möglich?
Bild: Meer draußen halten: Mehr als 1000 Kilometer Deich gibt es an der Küste…
Rendsburg taz | Die Wolkendecke bricht auf, als die Fachleute für Küsten-,
Katastrophen- und Naturschutz den Deich erreichen. Gemeinsam mit der
Bürgermeisterin von Nordstrand und Vertreterinnen des Umweltministeriums
wollen sie den Zustand der Schutzwälle um die Insel Nordstrand prüfen. Vor
dem Deich liegen Wiesen, auf denen Schafe weiden, dahinter glitzert die
Nordsee, Seeschwalben und Möwen kreisen am blauen Himmel.
Mieses Wetter für eine Deichschau, findet Jan Aufderbeck, beim
Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz
Schleswig-Holstein (LKN.SH) zuständig für die Koordination der Bautrupps,
die Deiche und vorgelagerte Wiesen in Schuss halten: „Ich mag lieber
Schietwetter mit hoher Flut. Dann sieht man genau, wofür wir die Arbeit
machen.“
Allerdings erinnert das warme Wetter an das Dauerproblem, mit dem sich der
Küstenschutz befassen muss: den [1][Klimawandel, der die Meeresspiegel
steigen lässt]. Ein knappes Viertel von Schleswig-Holstein, rund 4.000
Quadratkilometer, liegt in Überflutungsgebieten, rund 333.000 Menschen
leben in diesen Regionen. Das Land aufzugeben, sei keine Option, sagt Katja
Günther (Grüne), Staatssekretärin im für die Küste zuständigen
Umweltministerium.
Das Land rechnet in seinem „Generalplan Küstenschutz“, der zuletzt 2022
fortgeschrieben wurde, mit einem Wasseranstieg von bis zu einem Meter in
diesem Jahrhundert, höhere Werte nicht ausgeschlossen. Neben dem stetigen
Anstieg des Spiegels werden verstärkt Sturmfluten auftreten – im Oktober
2023 erlebte Schleswig-Holsteins Ostseeküste eine Extremflut, bei der drei
kleinere Deiche brachen. Um für die Zukunft gerüstet zu sein, setzt die
Landesregierung darauf, die Dämme zu verstärken, sagt Katja Günther:
„Höher, höher, höher.“
## Küstenlinie wohl nicht durchgehend zu halten
725 Personen arbeiten beim LKN.SH, durchschnittlich 74 Millionen Euro im
Jahr kostet der Küstenschutz. Davon zahlt das Land 23 Millionen Euro für
die Instandhaltung der 1.002 Deich-Kilometer an Nord- und Ostsee, der
Gräben, Siele und Wehre. Bei Investitionen übernimmt der Bund 70 Prozent
der Kosten, auch EU-Mittel fließen in einzelne Maßnahmen. Doch lässt sich
mit Arbeit und Geld das Meer auf Dauer aussperren?
Christian Winter, Professor für Küstengeologie an der Kieler
Christian-Albrecht-Universität, hält es für wahrscheinlich, dass die
heutige Küstenlinie nicht durchgehend gehalten werden kann. [2][Im
Online-Magazin Riffreporter fordert er „mehr Ehrlichkeit]: Wir können die
Häuser in der ersten Reihe langfristig nicht halten.“
Henning Krüger, [3][Deichgraf] der Insel Nordstrand, ärgern solche
Aussagen: „Ich bewirtschafte meinen Hof in sechster Generation, die siebte
Generation steht schon bereit“, sagt der Landwirt bei der Deichschau. „Ich
muss wissen, ob wir geschützt werden.“ Staatssekretärin Günther beruhigt:
„Unsere Strategie ist, alles zu halten.“
Dabei helfen sollen sogenannte Klimadeiche, mit einer flacheren Böschung
und einer breiteren Krone als früher. An der Böschung sollen Wellen
ablaufen, und die breite Krone bietet die Chance, später weiter
aufzuschütten. Richtig so, findet Christian Stark, Wehrführer der Feuerwehr
Nordstrand, und zitiert das alte Küstenmotto: „De nich will dieken, mutt
wieken“ – wer nicht deichen will, muss weichen.
## Deicherhöhung zulasten des Wattenmeers
Allerdings kosten breitere Deiche nicht nur viel Geld, sie kosten auch mehr
Platz. „Woher wird der kommen, wenn hinter dem Deich bewirtschaftetes Land
und davor der Nationalpark liegt?“, fragt Christian Wiedemann von der
Verwaltung des Nationalparks Wattenmeer. Der schließt ans Deichvorland an,
es gibt Überschneidungsgebiete, die für Küsten- und Naturschutz
gleichermaßen wichtig sind. Die Zusammenarbeit laufe gut, sagen Wiedemann
und Aufderbeck gleichermaßen. Aber wenn es hart auf hart geht, hat der
Küstenschutz Vorrang, das ist den Naturschützer:innen klar.
Zurzeit sehen die Nordstrander Deiche gut aus, lautet das Ergebnis nach der
Rundtour. „Grünes Gras, keine Löcher, das sind Zeichen, dass wir unsere
Arbeit gut gemacht haben“, sagt Jan Aufderbeck. Aber die Menschen schaffen
das nicht allein, ihnen helfen die zahlreichen Schafe, die das Gras kurz
halten und deren „goldener Tritt“ – das ist ein stehender Begriff – den
Deich festigen.
Doch in diesem Jahr starben Tausende Tiere an der Blauzungenkrankheit, über
13.000 Betriebe waren landesweit betroffen, vor allem in den
Küstenregionen. Das LKN.SH ließ Deiche sperren, um den geschwächten Tieren
Stress und Störungen zu ersparen. Es gab Proteste, auch Beleidigungen,
persönlich oder per Mail.
Viele Menschen ignorierten die Warnschilder einfach, genau wie das Verbot,
Hunde am Deich frei laufen zu lassen, berichten die Leute vom
[4][Küstenschutz]. Jan Aufderbeck macht sich Sorgen, was passiert, wenn
Schäfereien aufgeben. Dann müssten Maschinen die Arbeit der Schafe machen,
allerdings schlechter und deutlich teurer. Aufderbeck hebt die Schultern.
„Einen echten Plan B gibt es nicht.“
3 Nov 2024
## LINKS
[1] /!5467973/
[2] https://www.riffreporter.de/de/wissen/meeresspiegelanstieg-halligen-wattenm…
[3] /Deichgraf-ueber-Umweltschutz/!6028945
[4] /Klimawandel-und-Extremwetter/!6043082
## AUTOREN
Esther Geißlinger
## TAGS
Deiche
Schwerpunkt Klimawandel
Schleswig-Holstein
Meeresspiegel
Küstenschutz
Schwerpunkt Rassismus
Küste
wochentaz
Nationalpark Wattenmeer
Schwerpunkt Klimawandel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Rassistischer Fragebogen in Rendsburg: Müll, Drogen, Migrationshintergrund
Rendsburg will wissen, wie sicher sich Bürger:innen fühlen. Zwischen
Müll und Wracks als Problem tauchen „Menschen mit Migrationshintergrund“
auf.
Küstenschutz-Forschung in Braunschweig: Kooperation mit dem Meer durch Lahnung…
Der Küstenschutz durch Lahnungen gewinnt in Zeiten des Klimawandels an
Bedeutung. Umweltingenieur Felix Spröer erforscht die Jahrhunderte alte
Methode.
Klimawandel und Extremwetter: „Jeder Mensch muss was von Hydrologie verstehen…
Hochwasser, Starkregen und Dürre treten häufiger und extremer auf. Wir
brauchen neue Begriffe, um darüber zu sprechen, sagt Forscher Thorsten
Wagener.
Studie zur Veränderung des Wattenmeers: Der globale Druck
Über 30 WissenschaftlerInnen haben eine Studie zur Veränderung des
Wattenmeers durch die Klimakrise erstellt. Der Wandel erfolgt schneller
denn je.
Erwärmung der Meere: Tintenfisch und Austern
Der Klimawandel hat Nord- und Ostsee drastisch verändert. Heimischen Arten
wird es zu warm, andere sind neu gekommen. Was heißt das für die Fischerei?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.