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# taz.de -- Studie zur Veränderung des Wattenmeers: Der globale Druck
> Über 30 WissenschaftlerInnen haben eine Studie zur Veränderung des
> Wattenmeers durch die Klimakrise erstellt. Der Wandel erfolgt schneller
> denn je.
Bild: Schwer bedrohte Tankstelle für Zugvögel: das Wattenmeer, hier im Oktobe…
Osnabrück taz | Meeresgrund trifft Horizont: So steht es auf der Website
der drei Wattenmeer-Nationalparks Schleswig-Holstein, Hamburg und
Niedersachsen, über einem wildschönen Sonnenfoto mit Schlick, Prielen und
Brandung. Was man hier nicht sieht: Das Wattenmeer, als
Unesco-Weltnaturerbe klassifiziert, weitflächig ein Biosphärenreservat,
steht unter Druck.
[1][Fischfang] und Handelsschifffahrt belasten es,
[2][Offshore-Energiegewinnung] und Plastikmüll, Munitionsaltlasten und
Chemikalien, [3][LNG-Terminals] und Pipelines, Sport und Massentourismus.
Dazu kommen Überdüngung aus der industrialisierten Agrarwirtschaft sowie
[4][verklapptes Baggergut aus dem Hamburger Hafen].
Auch die Klimakrise setzt dem Watt zu. „Zu den lokalen Drücken kommt der
globale Druck hinzu“, sagt Christian Buschbaum der taz, Meeresökologe an
der [5][Wattenmeerstation Sylt des Alfred-Wegener-Instituts],
Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), die dieses Jahr 100
wird.
Aus Anlass dieser 100 Jahre haben über 30 AWI-WissenschaftlerInnen jüngst
in der Fachzeitschrift „Marine Biodiversity“ in ihrem [6][Review-Paper
„Climate change impacts on a sedimentary coast – a regional synthesis from
genes to ecosystems“] den Stand der Forschung zum klimabedingten Wandel
zusammenfasst, den das Watt durchläuft, interdisziplinär von der Biologie
bis zur Geologie. Buschbaum ist Co-Erstautor der Studie.
„Das ist ein hoch gefährdeter Raum“, sagt Buschbaum, der selbst auf Sylt
wohnt. „Wir sollten die Gesundheit dieses einzigartigen Lebensraums nicht
als selbstverständlich ansehen, sondern müssen etwas für sie tun.“ Die
Auswirkungen des Klimawandels seien seit den 1970ern bekannt. „Aber damals
hat das keiner so ausgesprochen.“
Das Review-Paper wolle für diesen Wandel „Bewusstsein schaffen“ und
„Denkanstöße in alle Richtungen geben“, sagt Buschbaum. „Wir können ei…
Menge tun, und dafür ist es noch nicht zu spät. Aber das kostet Umdenken,
Geld und Energie.“
Wer „Climate change impacts on a sedimentary coast“ liest, erfährt vom
Anstieg der Temperatur und des Meeresspiegels, von geänderten
Wachstumsraten und Lebensräumen, von polwärts abwandernden Arten und der
Ausbreitung überseeischer Neobioten, also [7][invasiver Arten], die Wärme
lieben. Das Wattenmeer wandle sich zwar nicht von heute auf morgen. „Aber
es verändert sich stetig“, sagt Buschbaum. „Und es verändert sich derzeit
schneller als jemals in seiner gesamten Geschichte.“
Noch erfülle das Watt seine ökologische Funktion, etwa als „Tankstelle für
die Zugvögel“, sagt Buschbaum, der lieber nach vorne schaut, als zu
betonen, wie schlimm alles ist. Aber je länger man untätig bleibe, desto
teurer werde es am Ende. Er denkt dabei auch an den Küstenschutz. Und er
meint nicht nur höhere Deiche, Granitbuhnen, Holzpalisaden und
Betonpflaster, Mauern und Asphaltdeckwerke sowie tonnenschwere
Tetrapoden-Wellenbrecher. „Wir müssen stärker mit dem Meer leben, statt
gegen es“, sagt Buschbaum. „Es kann sinnvoll sein, das Meer nicht überall
auszusperren.“
Das hat Grenzen, denn viele urbane Strukturen stehen direkt an der Küste.
Außerdem fühlen sich viele Anwohner traditionell hinter technischen,
harten, starren Befestigungen sicherer, obwohl das Meer auch sie überwinden
kann und [8][weiche Puffer] wie Marschland, Sandaufspülungen und Salzwiesen
nicht nur naturverträglicher sind, sondern sich auch jeder Veränderung
anpassen.
## Veränderung der Gesellschaft nötig
Ein Jahr Arbeit steckt in „Climate change impacts on a sedimentary coast“,
von der Idee bis zur Umsetzung. „Das hat echt Spaß gemacht“, sagt
Buschbaum. „Das Team war hochmotiviert.“ Auch er selbst hat viel gelernt:
„Da sitzt jemand nur zwei Räume weiter, und plötzlich sieht man: ‚Cool, w…
der rausgefunden hat!‘“
Über die Wissenschaftsfeindlichkeit der Leugner der Klimakrise schüttelt
Buschbaum den Kopf: „Es ist schon erstaunlich, wie man sich so vor der
Realität verschließen kann“, sagt er. „Da müssen die Sozialwissenschaften
ran, um zu erklären, wie so etwas passiert, woher diese Ängste kommen, die
ja auch Verlustängste sind.“
Veränderung gehört zum Ökosystem wie zur Gesellschaft. Sich nicht
mitzuverändern, ist fatal. Buschbaum ist sich daher sicher: „Wir müssen die
Leute mitnehmen. Anders geht es nicht.“ Die Jubiläums-Studie könnte dazu
beitragen. Das „Klimakonzert“ in der Kirche St. Jürgen in List auf Sylt
Anfang Oktober tut es ganz gewiss: Anlässlich des 100-jährigen Bestehens
der AWI-Wattenmeerstation vernetzt sich hier wissenschaftlicher Input mit
Orgelmusik, Illumination und Projektionen. Buschbaum spielt den Part „für
den Verstand“, lockt das Plakat.
26 Aug 2024
## LINKS
[1] /Erwaermung-der-Meere/!6029587
[2] /Gasbohren-vor-Borkum/!6027035
[3] /Noch-ein-Fluessiggas-Terminal/!6020403
[4] /Einigung-ueber-Elbschlick/!5926832
[5] https://www.awi.de/ueber-uns/standorte/sylt/wattenmeerstation.html
[6] https://link.springer.com/article/10.1007/s12526-024-01453-5
[7] /invasive-Arten/!t5021247
[8] /Neuer-Flutraum-fuer-die-Elbe/!5938483
## AUTOREN
Harff-Peter Schönherr
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