Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Küstenschutz-Forschung in Braunschweig: Kooperation mit dem Meer d…
> Der Küstenschutz durch Lahnungen gewinnt in Zeiten des Klimawandels an
> Bedeutung. Umweltingenieur Felix Spröer erforscht die Jahrhunderte alte
> Methode.
Bild: Müssen auch immer wieder renoviert werden: Lahnungen wie hier bei Hilgen…
Osnabrück taz | Wissenschaftler denken sich für ihre Projekte oft Akronyme
aus, und teils klingt das dann ziemlich schräg, augenzwinkernd und lustig.
Auch Umweltingenieur Felix Spröer vom Leichtweiß-Institut für Wasserbau
(LWI) der Technischen Universität Braunschweig, Fachgebiet Hydromechanik,
Küsteningenieurwesen und Seebau, verwendet oft eins: „Vemolahn“. Es steht
für „Interaktion von Vegetation und Morphodynamik in Lahnungsfeldern“ und
ist eins der unspektakuläreren.
„Wir machen da oft selbst Witze drüber“, sagt Spröer der taz. „Aber sol…
Abkürzungen helfen in der alltäglichen Kommunikation. Wissenschaftliche
Projekttitel können ja sehr lang und komplex sein. So wissen alle sofort,
was gemeint ist.“
Eine Lahnung ist eine traditionelle Küstenschutzanlage im seeseitigen
Vorland des Deichs, klassischerweise aus zwei Reihen von Holzpflöcken
gebaut, zwischen die Reisig geschnürt wird. Zuweilen besteht sie auch aus
Steinwällen. In rechteckigen, gestaffelten Feldern angelegt, beruhigen
Lahnungen die Strömung und wirken durch Sedimentablagerung der Erosion
entgegen. Schlick- und Sandzonen entstehen so, Salzwiesen. Der Boden hebt
sich. Die Belastung des Deichs sinkt. Eine Technik, angewandt seit
Jahrhunderten.
„Bisher wurde da allerdings wenig Wissenschaft reingesteckt“, sagt Spröer,
der den Lahnungen seine Dissertation widmet. Vemolahn, auf drei Jahre
ausgelegt, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert, holt
das jetzt nach, nicht zuletzt als Prävention gegen die Folgen der
Klimakrise.
Das Projekt ist eine Kooperation mit dem Ludwig-Franzius-Institut für
Wasserbau und Ästuar- und Küsteningenieurwesen (Lufi) der
Leibniz-Universität Hannover. Der Landesbetrieb für Küstenschutz,
Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein und der Niedersächsische
Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz leisten
Zuarbeit.
Sie alle zielen auf Praxisanwendungen. Wenn Vemolahn im Herbst 2025
abgeschlossen ist, wird es ein Tool für den Küstenschutz sein, um
Lahnungsfelder zu optimieren und der Klimakrise anzupassen.
Um Landgewinnung wie in [1][Theodor Storms legendärer
Deichbau-Schauernovelle „Der Schimmelreiter“] geht es in Vemolahn nicht. Im
Wattenmeer, Weltnaturerbe von den Niederlanden bis Dänemark, geprägt von
Nationalparkflächen und Biosphärenreservaten, findet sie nicht mehr statt.
„Ein Haufen neuer Plag und Arbeit erhob sich vor der Seele des
Deichgrafen“, schreibt Storm. „Nicht nur der alte Deich mußte hier
verstärkt, auch dessen Profil dem des neuen angenähert werden; vor allem
aber mußte der als gefährlich wieder aufgetretene Priel durch neuzulegende
Dämme oder Lahnungen abgeleitet werden.“ Storms bedrohliche Beschreibung
des nordfriesischen Meeres, so realistisch wie poetisch, [2][wirkt bis
heute nach.]
## Miteinander von Mensch und Natur
Damals sah, wer eine Lahnung baute und instand hielt, das Meer als Gefahr,
der es Agrarfläche abzutrotzen und gegen dessen Sturmfluten es
Abwehrfestungen zu errichten galt. Heute fokussiert sich das Handeln auf
ein Miteinander von Mensch und Natur, nicht auf ein Gegeneinander. Vemolahn
ziele auf „naturnahen, nachhaltigen“ Küstenschutz, sagt Spröer. „Klar, …
Lahnung ist ein Eingriff in die Natur. Aber gleichzeitig entstehen dadurch
neue Lebensräume, mit großer Artenvielfalt.“
In Vemolahn geht es nicht nur darum zu verstehen, wie Lahnungen
funktionieren, von der Positionierung bis zur Baugeometrie, und wie man sie
verbessern kann. Es geht auch darum, das Meer zu verstehen.
Das tut Spröer meist weit vom Meer entfernt. Von seinem Mess-Turm im
[3][Watt] vor der nordfriesischen Insel [4][Pellworm], der Seegang und
Sedimenttransport erfasst, Boden- und Vegetationsdaten, ist Braunschweig
über fünf Autostunden entfernt.
## Daten aus Pellworm als Grundlage für Laborforschung
Der mastähnliche Turm überträgt die Daten per Mobilfunk zu Spröer. Das
silberne Edelstahlgebilde ragt hoch aus dem Wattboden empor. „Eine Welle
darf da ruhig mal drübergehen“, sagt der Forscher. „Aber natürlich sollte
die Elektronik nicht dauerhaft unter Wasser sein.“ Der Strom für das
Forschungsequipment an den Spitze des Mastes kommt aus einer
Methanol-Brennstoffzelle, die nur Sauerstoff und Wasser emittiert. Sie hält
ein paar Monate. Danach muss Ströer dann doch mal rauf ans Meer.
„Derzeit arbeite ich im Labor“, sagt Spröer. „In unserem Wellenkanal mac…
wir kleinskalige Versuche mit Modell-Lahnungen.“ Die Daten aus Pellworm
bilden dafür die Grundlage. Dass die Wahl auf Pellworm fiel, ist kein
Zufall. „Inseln spüren den Klimawandel als Erste“, sagt Spröer.
Die Daten aus Pellworm, von der Wellenlaufrichtung bis zu Vorkommen
salztoleranter Pionierpflanzen, münden in prognostische
Computer-Modellierungen, die auch für jeden anderen Standort die
Wechselwirkungen simulieren können, die zwischen Lahnung und Natur
entstehen. „Verhalten sie sich wie in der Natur, sind sie richtig“, sagt
Spröer. „Tun sie das nicht, sind sie nur Mathematik.“
25 Nov 2024
## LINKS
[1] /orte-des-wissens/!6011576&s=Schimmelreiter&SuchRahmen=Print/
[2] /Deichgraf-ueber-Umweltschutz/!6028945
[3] /Wattenmeer/!t5032898
[4] /Pellworm-will-Sterneninsel-werden/!5771227
## AUTOREN
Harff-Peter Schönherr
## TAGS
Küste
Nordsee
Braunschweig
Schwerpunkt Klimawandel
Forschung
Küstenschutz
Deiche
Nationalpark Wattenmeer
Schwerpunkt Klimawandel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Auf Deichschau an der Nordseeküste: Warten auf die nächste Sturmflut
Deiche an Schleswig-Holsteins Küste müssen höher und breiter werden, um das
Meer auf Dauer auszusperren. Aber ist das überhaupt möglich?
Studie zur Veränderung des Wattenmeers: Der globale Druck
Über 30 WissenschaftlerInnen haben eine Studie zur Veränderung des
Wattenmeers durch die Klimakrise erstellt. Der Wandel erfolgt schneller
denn je.
Bebauung an spanischen Küsten: Die Playas verschwinden einfach
Natürliche Strände passen sich dem Klimawandel an. Sind sie zugebaut,
werden sie bei Extremwetter weggeschwemmt. In Spanien wird das zum Problem.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.