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# taz.de -- Neuer Flutraum für die Elbe: Schön der Natur hinterhergehinkt
> Mit viel Verspätung eröffnet der Hamburger Senat ein Rückdeichungsprojekt
> an der Elbe. Umweltverbände finden, es hätte längst Schule machen müssen.
Bild: Raum für die Natur: Tidegebiet Kreetsand
Hamburg taz | Es könnte ein richtungsweisendes Projekt sein, dessen
Fertigstellung der Hamburger Senat Anfang Juni gefeiert hat. Auf der
Elbinsel Wilhelmsburg zwischen Norder- und Süderelbe hat er den Elbdeich
geöffnet und eine Flachwasserzone geschaffen. Das Projekt soll der
Verschlickung des Hafen entgegenwirken und den Fluss als Lebensraum
stärken. Umweltschützer finden, es stehe unter falschen Vorzeichen, komme
zu spät und sei halbherzig.
Die Hamburger Wirtschaftsbehörde sowie die ihr unterstellte Hamburg Port
Authority (HPA) sahen sich zum einen genötigt zu handeln, [1][weil die
wiederholten Elbvertiefungen den Tidenhub vergrößert und damit auch das
Verlanden der Fahrrinne begünstigt haben]. Zum anderen gilt es, das
Zurichten des Strom durch Aufwertung der Natur anderswo auszugleichen – ein
nicht ganz einfaches Unterfangen auf dem begrenzten Gebiet eines
Stadtstaats.
Das jetzt eröffnete Flachwassergebiet Kreetsand ist eine sackartige Bucht,
für die ein Auenwald abgetragen wurde. Mit 30 Hektar ist es etwas weniger
als doppelt so groß wie die Binnenalster. „Fischlarven finden hier künftig
eine Kinderstube und Schutz vor starker Strömung“, lobte Umweltsenator Jens
Kerstan (Die Grünen). „Lichtdurchflutetes Flachwasser fördert die
Fotosynthese und bietet Fischen ein Refugium bei niedrigen Sauerstoffwerten
in der Elbe.“ Zudem sei das neu entstandene Süßwasserwatt ein reich
gedeckter Tisch für Wasservögel.
Die Umweltverbände Nabu, BUND und WWF erkennen zwar den Gewinn für die
Natur an, sie könnten sich aber noch viel mehr solcher Projekte vorstellen.
So spiegele es bloß die „defizitäre Umweltpolitik des Hamburger Senats“,
kritisieren sie. Denn die neue Flachwasserzone sollte zunächst eine
Deicherhöhung aus dem vergangenen Jahrhundert ausgleichen – später dann
auch noch die Elbvertiefung von 2020. Diese [2][Doppelverwertung lehnte das
Bundesverwaltungsgericht im Februar 2017 ab]. Unterm Strich verzögerte sich
das Vorhaben um acht Jahre.
## Weitere Deichöffnungsprojekte auf der langen Bank
Inzwischen müsse das Rückdeichungsprojekt ein Potpourri an Schäden
ausgleichen, kritisieren die Verbände. „Diese sind in der Zwischenzeit so
gewaltig gewachsen, dass die Maßnahme nur noch ein Tropfen auf den heißen
Stein ist.“ Die positive Wirkung von Kreetsand verpuffe im Vergleich zu den
[3][negativen Auswirkungen der Elbvertiefung] und der nun noch mal
intensivierten Baggerarbeiten.
Dabei brauche das Ökosystem Tideelbe dringend großflächige
Naturschutzmaßnahmen, mahnen die Umweltverbände: „Nicht nur der Hafen
verschlickt, sondern auch die ökologisch wertvollen Flachwasserzonen in den
Seitenbereichen der Elbe gehen zunehmend durch Verlandung verloren.“
Weitere Deichöffnungsprojekte wie in der Haseldorfer Marsch oder der Alten
Süderelbe liegen seit Jahren auf der langen Bank und werden teils kräftig
bekämpft. Konkret vorbereitet wird eine Deichrückverlegung am Ellerholz
direkt neben dem Kreetsand. Damit soll der Naturverlust durch die Erhöhung
der Elbdeiche ausgeglichen werden.
Aber auch das [4][Flachwassergebiet Kreetsand ist nach Ansicht des
Förderkreises „Rettet die Elbe“ noch verbesserungsfähig]. Nach dessen
Vorstellungen soll es auch den Tidenhub dämpfen und so dafür sorgen, dass
mit der Flut weniger Sedimente die Elbe hochschwappen. Das sei nur insofern
richtig, als sich in dem künstlich geschaffenen Totarm Sand und Schlick wie
in einem Sack sammeln, moniert der Umweltverband. Im vergangenen Jahr
musste dort deshalb schon wieder gebaggert werden.
Außerdem, so kritisiert „Rettet die Elbe“, habe sich der Tidenhub nicht wie
von der HPA prognostiziert verringert. Aus den Daten des Portals Tideelbe
der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) ergebe sich
vielmehr das Gegenteil. Der Tidenhub habe sich in den vergangenen zehn
Jahren vergrößert.
Das habe verschiedene Ursachen, argumentiert die Wirtschaftsbehörde – neben
Veränderungen am Strom auch solche des Klimas. Sie stellt aber fest: „Das
Flachwassergebiet Kreetsand wirkt dieser Entwicklung grundsätzlich
entgegen, reicht aber allein nicht, um den langjährigen Trend aufzuhalten
bzw. umzukehren.“
Der Umweltverband schlägt daher vor, den Boden des Sacks zu durchstoßen und
einen Nebenarm zu schaffen, durch den die Elbe strömen kann. Der würde dann
auch nicht verschlicken und bedrohte Wasserlebewesen hätten bessere
Chancen, sich auszubreiten
9 Jun 2023
## LINKS
[1] /Einigung-ueber-Elbschlick/!5926832
[2] https://www.gdws.wsv.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Planfeststellungsverfa…
[3] /Die-Zukunft-des-Hamburger-Hafens/!5891833
[4] https://www.rettet-die-elbe.de/
## AUTOREN
Gernot Knödler
## TAGS
Elbe
Elbvertiefung
Deiche
Naturschutz
Elbe
Umweltbehörde Hamburg
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