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# taz.de -- Sondierungsgespräche in Thüringen: Stachlige, aber nicht unerreic…
> In Thüringen stehen CDU, BSW und SPD vor Koalitionsverhandlungen. In
> Sachsen dauert es mit dem Ausloten der Optionen etwas länger.
Bild: Auf Schnittmengensuche: Tilo Kummer (l-r, BSW), Andreas Bühl (CDU), und …
Erfurt taz Gemessen an der schwierigen Konstellation [1][nach der
Thüringen-Wahl vom 1. September] erschienen die drei potenziellen
Koalitionspartner CDU, BSW und SPD an diesem Freitag relativ locker. Die
Parteien hatten nach Erfurt geladen, um die Ergebnisse ihrer Sondierungen
vorzustellen. Gegenseitige Profilierungsversuche der parlamentarischen
Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer blieben dabei aus. Nicht nur in
der Präambel des 19-seitigen Sondierungspapiers dominiert das „Thüringen
first“. Unterschiedliche Sichtweisen sieht offenbar man nicht als Hindernis
an, sondern als „Treiber für neue politische Kreativität“.
Das funktioniert erst einmal besonders gut durch Aussparen – vor allem bei
den außenpolitischen Bedingungen, die BSW-Parteigründerin Sahra Wagenknecht
genannt hatte: Klare Positionierung für den Stopp der Waffenlieferungen an
die Ukraine, keine Stationierung neuer amerikanischer Raketen und
Friedensverhandlungen mit Russland.
Dazu heißt es in dem Sondierungspapier lediglich auf der vorletzten Seite:
Man wolle diesem Thema „in den kommenden Verhandlungen Raum verschaffen“
und es in der Präambel eines möglichen Koalitionsvertrages verankern. Auch
die sächsische BSW-Landtagsfraktion hatte sich bei ihrer Konstitutierung in
der Friedensfrage auffallend zurückgehalten.
Nach Informationen des Stern [2][passt das Wagenknecht gar nicht]. Sie
setze demnach lieber auf die Tolerierung einer Minderheitsregierung durch
das BSW als auf eine Koalition. Wenn am Freitagabend der BSW-Landesvorstand
ebenso wie die anderen beiden Parteien über die Aufnahme formaler
Koalitionsverhandlungen entscheidet, wird nach Aussage des
Parlamentarischen Geschäftsführers Tilo Kummer allerdings „niemand aus
Berlin dabei sein“.
## Schuldenbremse mit Ausnahmen
Einigkeit herrscht über einen „Richtungswechsel in der Migrationspolitik“:
Eine zentrale Ausländerbehörde soll eingerichtet werden, die sowohl
Anerkennungen als auch Abschiebungen schneller bewältigt.
Abschiebehaftplätze sollen in Thüringen erstmals eingerichtet werden. Die
Erstaufnahmeeinrichtungen in Suhl und Eisenberg sollen geschlossen werden.
Unumstritten scheint bislang auch die prinzipielle Beibehaltung der
Schuldenbremse zu sein, auch wenn Ausnahmen möglich sein sollen. Der noch
von Finanzministerin Heike Taubert (SPD) eingebrachte Haushaltsentwurf
müsse alle Rücklagen angreifen. Für Andreas Bühl von der Union ist die
überarbeitete Haushaltsaufstellung ein Grund, warum Koalitionsgespräche
besonders drängen.
An erster Stelle im Sondierungspapier steht die Bildungspolitik, ein
Kernthema der CDU. Schulen sollen beispielsweise mit einem Budget mehr
Eigenverantwortung erhalten. Das BSW setzt auf soziale Themen wie
Wohnungsbau, gerechte Löhne im Niedriglohnland Thüringen, auf
Bürgerbeteiligung und sogar auf ökologische Akzente bei der
Energieproduktion. Ähnlich die SPD, der der Einstieg in ein kostenfreies
Kindergarten-Mittagessen und eine freie Hortbetreuung wichtig sind.
Landeskomponenten wie ein Landespflegegeld und sogar Rentenzuschüsse und
steuerliche Entlastung von Senioren stehen ebenfalls auf ihrer Agenda.
Im Thüringer Landtag sitzen in dieser Legislatur nur noch CDU, SPD, BSW,
Linke und AfD. Eine eigene Mehrheit erreichen die potentiellen
Brombeer-Partner nicht. Andreas Brühl von der CDU verweist auf die 44
Parlamentssitze, auf die die angebahnte Koalition käme – also genau die
Hälfte der 88 gewählten Abgeordneten. Das sei eine „De-facto-Mehrheit“, so
Bühl – weil auch nichts gegen die Koalition beschlossen werden könne.
## Wie wird's mit der Linken?
[3][Mit der AfD will formal niemand gemeinsame Sache machen], jedenfalls
keine „aktive Zusammenarbeit“, wie es Bühl für die CDU formuliert. Als
Mehrheitsbeschafferin könnte hingegen die Linke auftreten. Der noch
amtierende Ministerpräsident Bodo Ramelow hat dafür eine Vereinbarung
gefordert wie es ihn in ähnlicher Form schon in der letzten Legislatur
gegeben hatte.
2020 hatte die CDU nach dem Eklat bei der Wahl des
Kurzzeit-Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich (FDP) durch die AfD einem so
genannten Stabilitätsmechanismus zugestimmt: Beim Haushalt und in
Sachfragen einigte man sich von Fall zu Fall mit der rot-rot-grünen
Minderheitskoalition.
„Es braucht für eine Ministerpräsidentenwahl keine Vereinbarung mit der
Linken“, erklärten allerdings sowohl die CDU als auch der Ex-Linke und
jetzt BSWler Tilo Kummer. Für dieses Amt wird vermutlich der CDU-Partei-
und Fraktionschef Mario Voigt kandidieren.
Stattdessen haben sich die drei Parteien auf ein interessantes neues
„prälegislatives Konsultationsverfahren“ zur jeweiligen
Mehrheitsbeschaffung verständigt. Bevor ein Gesetzentwurf der Regierung
formal dem Landtag zugeht, sollen sich alle Fraktionen unter Einschluss der
AfD schon mit Eckpunkten dieses Vorhabens beschäftigten. Die sollen ihnen
über den Landtagspräsidenten zugehen.
## Sachsen nimmt sich Zeit
Stimmen am Wochenende die drei Landesvorstände zu, könnten in der kommenden
Woche die Modalitäten offizieller Koalitionsverhandlungen geklärt werden.
„Es verbleiben gar keine großen Differenzen“, übte sich Andreas Bühl für
die CDU in Optimismus. „Niemand hat ein Interesse, acht Monate
Verhandlungen zu führen“, mahnte für die SPD auch Katharina Schenk zur
Eile.
Eile ist in derweil [4][in Sachsen, wo im September ebenfalls gewählt
wurde], so nicht zu verspüren. Am vergangenen Mittwochabend haben CDU, BSW
und SPD zunächst ihre dreitägigen intensiven „Kennenlerngespräche“
abgeschlossen. Sondierungsgespräche sollen erst noch folgen. Darüber wird
ebenfalls bis zum Wochenende in den Landesgremien entschieden.
Der Trend deutet auch hier auf Kompromisse für eine Koalition hin. Wie in
Thüringen sind auch in Sachsen die Verschärfung der Asylverfahren und eine
Haushaltspolitik, die auch Investitionsspielräume schafft, zentrale Punkte.
Anders als offiziell in Thüringen behauptet, will sich
BSW-Landesvorsitzende Sabine Zimmermann aber ausführlich mit Sahra
Wagenknecht abstimmen.
18 Oct 2024
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Landtagswahl-Thueringen/!t5016731
[2] /BSW-Strategie-in-Sachsen-und-Thueringen/!6031067
[3] /Landtag-in-Thueringen-konstituiert/!6039386
[4] /Schwerpunkt-Landtagswahl-Sachsen-2024/!t5993922
## AUTOREN
Michael Bartsch
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