# taz.de -- UN-Biodiversitätskonferenz: Countdown in Cali | |
> Seit einer Woche und noch bis zum 1. November debattieren in Kolumbien | |
> die 23.000 Teilnehmenden der COP16 der Vereinten Nationen über | |
> Biodiversität. Dazu einige Fragen – und Antworten. | |
Bild: Parade für Leben, Artenvielfalt und Frieden auf der COP 16 in Cali, Kolu… | |
## Wieso geht es bei der UN-Konferenz um „Biodiversität“? Kann man nicht | |
einfach Artenvielfalt sagen? | |
Einprägsamer wäre das vielleicht, aber es geht in dem UN-Prozess nicht nur | |
um [1][Artenvielfalt]. Neben der Vielfalt von Tieren, Pflanzen, Pilzen und | |
so weiter geht es auch „um die genetische Vielfalt und die Vielfalt von | |
Ökosystemen“, sagt Yves Zinngrebe vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung | |
in Leipzig. Das ist wichtig, denn ist die genetische Vielfalt innerhalb | |
einer Art zu gering, ist sie weniger anpassungsfähig, etwa an sich ändernde | |
Umwelten. Die Vielfalt von Ökosystemen wiederum ist Voraussetzung für | |
Artenvielfalt. Zinngrebe ist allerdings auch dieser Zugang – Biodiversität | |
als Vielfalt der Arten, der Genressourcen und der Ökosysteme – zu eng. Es | |
gehe ebenso „um kulturelle Werte wie Erholungsräume, historische Bezüge und | |
Landschaftsbilder, um Rechte der Natur und um Verteilungsfragen, wie den | |
Zugang zu genetischen Ressourcen und zu gesunden Ökosystemen“. | |
## Wie weit ist Deutschland beim Schutz der Biodiversität? | |
Geht so. Die Umweltorganisation [2][BUND hat vergangene Woche Beschwerde | |
beim Bundesverfassungsgericht erhoben], um eine bessere | |
Naturschutzgesetzgebung zu erzwingen – ähnlich wie dies der Klimaklage der | |
Deutschen Umwelthilfe 2021 gelang. Auf die politische Agenda müssten die | |
Pestizidreduktion, mehr und bessere Schutzgebiete sowie die ambitionierte | |
Umsetzung der „Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt“. Auf allen | |
drei Feldern passiert bislang wenig. Bundesumweltministerin Steffi Lemke | |
(Grüne) verteidigt sich damit, die Ampel habe „für den Schutz der | |
Biodiversität bereits mehr getan als jede zuvor“. Sie verweist auf | |
Maßnahmen wie das „Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz“, mit dem | |
Ökosysteme wie Wälder und Meere gestärkt, wiederhergestellt und erhalten | |
werden können. Bis 2028 stünden für die verschiedenen Maßnahmen mehr als | |
3,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Auch das europäische Gesetz zur | |
Wiederherstellung der Natur sei ein Meilenstein für den | |
Biodiversitätsschutz. | |
## Umweltschützer erwarten von dieser COP konkrete Ergebnisse, Maßnahmen, | |
Geldzusagen, Überwachungsmechanismen. Zeichnet sich nach einer Woche schon | |
etwas ab? | |
Bislang noch nicht. „Schon die ersten Verhandlungsdokumente sehen nach sehr | |
schwachen Umsetzungsinstrumenten aus“, berichtet Yves Zinngrebe. Es gebe | |
bislang wenig Interesse, den Druck auf einzelne Staaten durch eine | |
individuelle Prüfung zu erhöhen oder gute, handlungsorientierte Indikatoren | |
zu verwenden. „Es gibt leider keine Vorstöße zu bestimmten | |
Best-Practice-Maßnahmen, rechtlichen Maßnahmen oder Koalitionen für | |
bestimmte transformative Veränderungen“, sagt Zinngrebe. Allerdings ist in | |
Cali ja noch eine ganze Woche Zeit, üblicherweise gibt die Anreise der | |
Ressort- oder gar Regierungschefs den Verhandlungen einen Schub. Zum | |
sogenannten „High-Level-Segment“ wird auch Steffi Lemke erwartet. | |
## Um mehr globale Gerechtigkeit geht es in Cali bei den Verhandlungen über | |
[3][Digitale Sequenzinformationen] (DSI). Das sind Erbgut-Informationen, | |
die in Datenbanken vorliegen. Wie wird garantiert, dass sie der | |
öffentlichen Forschung zur Verfügung stehen? Wie werden biodiverse Länder | |
an Gewinnen beteiligt, die private Unternehmen mit DSI erzielen? | |
Diskutiert wird ein globaler Fonds, in den Nutzer von DSI einzahlen. Welche | |
Länder daraus Geld empfangen sollen – alle mit reicher Biodiversität, oder | |
nur besonders arme – ist einer der Streitpunkte. Schließlich „sind alle | |
Länder sowohl Nutzer als auch Anbieter von DSI“, sagt Amber Scholz von der | |
Deutschen Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen in Braunschweig, | |
die das Thema in Cali verfolgt. Das übliche Nord-Süd-Gefälle in den | |
Verhandlungen zeige sich hier erst mal nicht. Vor allem die großen | |
lateinamerikanischen Länder wie Brasilien pochten darauf, dass so schnell | |
wie möglich Geld in einen Fonds fließt, so Scholz. Die Länder des Nordens | |
hingegen fürchten juristische Untersicherheiten für ihre Start-ups und | |
Wissenschaftler:innen und wollen ein klares Regelwerk. Vor allem | |
afrikanische Länder drängen darauf, dass auch der Wissenschaftssektor in | |
den Fonds einzahlt. Die Organisation Avaaz sieht nach einer Woche | |
Verhandlungen über DSI kaum Fortschritte, nicht ein Paragraf sei bisher zum | |
Abschluss gebracht worden, der regele, wofür das Geld aus dem Fonds | |
verwendet werden solle. | |
## Bringt das eigentlich was, wenn jedes Umweltproblem – Plastik, | |
Wüstenbildung, Klima, Artenkrise – ein eigenes UN-Abkommen bekommt? | |
Die Umweltszene ist sich weitgehend einig, dass es eine weltweite | |
Koordination von globaler Umweltpolitik braucht. Allerdings betonen die | |
Expert:innen auch, dass die verschiedenen Themen nur gemeinsam gelöst | |
werden könnten. Sie hängen zusammen, außerdem werden so auch Zielkonflikte | |
sichtbar. Etwa könnte die Anlage von Plantagen auf schlechten Böden dem | |
Klimaschutz dienen – der Biodiversität aber schaden, wenn dadurch | |
Magerwiesen vernichtet würden. Einen Ansatz zur Vernetzung haben im Sommer | |
die Präsidenten der drei COPs gestartet, die bis Weihnachten stattfinden: | |
Die zur Biodiversität in Cali, die Klimaschutz-COP im November [4][im | |
aserbaidschanischen Baku] und die COP zur Wüstenbildung im Dezember in | |
Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad. Das „Rio-Trio“ soll die globale | |
Zusammenarbeit zu den Themen Klimawandel, biologische Vielfalt und | |
Wüstenbildung fördern. Kolumbien, Aserbaidschan und Saudi-Arabien wollten | |
[5][ihre Präsidentschaften nutzen], um dringende und koordinierte Maßnahmen | |
einzuleiten. In Kolumbien können sie schon mal zeigen, was genau das heißt. | |
25 Oct 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Weltbiodiversitaetskonferenz/!6041077 | |
[2] /Schutz-der-biologischen-Vielfalt/!6041554 | |
[3] /Digitale-Sequenzinformationen/!5832157 | |
[4] /Weltklimagipfel-in-Baku-im-November/!6034333 | |
[5] /UN-Artenschutzkonferenz-in-Kolumbien/!6041300 | |
## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
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