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# taz.de -- Indigenen-Vertreterin über Naturschutz: „Wir haben uns versammel…
> Indigenen-Vertreterin Karen Ulchur fordert mehr Macht bei den
> UN-Verhandlungen zum Schutz der Natur. Ihr Volk der Nasa in Kolumbien
> löse Umweltprobleme.
Bild: Ackerbau im kolumbianischen Hochland
taz: Frau Ulchur, was erwarten Sie vom derzeitigen Weltnaturgipfel im
kolumbianischen Cali?
Karen Ulchur: Uns Frauen interessiert besonders, die Mutter Erde besser zu
beschützen. Wie bewahren wir den Páramo, also unsere Hochmoorlandschaften.
Welche Institutionen helfen uns, unser Land vor kriminellen Banden und
Konzernen zu schützen? Die indigenen Gemeinden haben von je her am meisten
für die Umwelt getan, aber sie können die Verantwortung nicht alleine
tragen. In den Verhandlungen auf der COP sind wir zu unsichtbar. Dabei sind
wir es letztendlich, die wissen, was auf unseren Territorien passiert. Wir
brauchen echte Teilhabe. Bislang dürfen wir aber nur zusehen, nicht
mitentscheiden.
taz: Wie ist es denn dort, wo Sie herkommen?
Ulchur: Unser Reservat Jebalá ist im unteren Teil eben und warm, im oberen
bergig und gemäßigt. Es gibt verschiedene Lebensräume. Wälder, einen
Wasserfall, ein Schutzgebiet, das wir nicht betreten. Im unteren Teil wird
Kaffee angebaut. Der höchste Punkt heißt loma de la culebra, Schlangenberg.
Man kann unser Reservat mit dem Motorrad in etwa einer Stunde abfahren. Es
leben 2.300 Menschen in Jebalá, nicht alle an einem Ort, sondern verstreut.
Wir haben weder Gas noch Trinkwasser aus der Leitung, sondern kochen Wasser
vom Berg ab. Strom gibt es seit Kurzem in manchen Häusern. Fürs Abwasser
nutzen wir Klärgruben und Latrinen.
taz: Ist die Umwelt intakt in Jebalá?
Ulchur: Wir haben ein Problem mit der Wasserversorgung. Im Sommer, in der
Trockenzeit, scheint die Sonne viel zu stark und unsere Quellen trocknen
aus. Die Mehrheit der Bewohner:innen hat dann kein Wasser und ist auf
Tankwagen angewiesen. Das war schon immer schwierig bei uns. Aber es ist
wegen der Abholzung immer schlimmer geworden. Vor sechs Jahren wurde es
schließlich gefährlich.
taz: Wer hat denn bei Ihnen abgeholzt?
Ulchur: Das war unsere Gemeinschaft selbst – wegen Kohle, Agavenfaser und
Brennholz. Die Kohle und die Agavenfaser, die wir nutzen, um Schnüre oder
Taschen herzustellen, sind Einkommensquellen. Mit dem Brennholz kochen wir.
taz: Sie haben sich selbst das Wasser abgegraben. Und dann?
Ulchur: Wir haben uns versammelt und gesagt: Wir machen das falsch. Wir
schaden uns. Wenn wir nichts ändern, haben wir in fünf Jahren kein Wasser
mehr. Ohne Wasser ziehen die Leute weg. Also haben wir unser Verhalten
geändert. Meine Rolle dabei war, Strategien zu entwickeln, wie wir Bäume
herbekommen, Bewusstsein schaffen. Ich habe gemeinschaftliche Versammlungen
geführt.
taz: Konnten Sie das Wasserproblem lösen?
Ulchur: Wir haben bestimmte Gebiete um die Quellen abgesperrt und dort mit
einheimischen Baumarten aufgeforstet. Statt der Holzkohle verkaufen wir
jetzt nur noch Agavenfaser und daraus gefertigte Taschen. Das Brennholz
gewinnen wir jetzt aus dem Teil des Reservats, wo Rinderweiden sind. Und
wir sammeln in der Regenzeit das Wasser, das von den Dächern
herunterfließt. Wir merken, wie sich die Situation verbessert hat. Wir
haben jetzt den ersten Sommer ohne Tankwagen überstanden! In den drei
Monaten hat sich die Wassermenge zwar stark verringert, aber wir haben es
geschafft. Das war eine gemeinschaftliche Leistung.
taz: In der Region Cauca gibt es viele Probleme mit illegalen bewaffneten
Gruppen. Bei Ihnen auch?
Ulchur: In letzter Zeit ist das sehr ausgeprägt mit der ELN-Guerilla und
der Farc …
taz: … das sind Farc-Splittergruppen, die sich nicht dem historischen
Friedensabkommen von 2016 angeschlossen haben.
Ulchur: Genau, sie haben allen, die Alkohol trinken, mit einer sozialen
Säuberung gedroht – also, dass sie sie ermorden werden. Unsere indigenen
Autoritäten versuchen, ihnen Grenzen zu setzen und sie zu vertreiben. Damit
riskieren sie ihr Leben.
taz: Was wollen die bewaffneten Gruppen auf Ihrem Land?
Ulchur: Was sie genau wollen, wissen wir nicht. Wir haben keine illegalen
Drogenpflanzen wie Coca und Marihuana und wollen auch keine. Aber durch
unser Reservat führt die Verbindung zwischen Gemeinden, die für den
Drogenhandel wichtig sind. Bisher haben sie zum Glück noch nicht versucht,
Kinder zu rekrutieren. Vor einer Woche stahlen sie auf der Panamericana
mehrere Jeeps und brachten sie auf unser Land. Die Armee reagierte schnell
und vertrieb sie. Aber auf unserem Land sollten weder illegale Gruppen noch
staatliche Sicherheitskräfte sein. Das ist verboten.
29 Oct 2024
## AUTOREN
Katharina Wojczenko
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