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# taz.de -- Volksinitiative für nachhaltiges Bauen: Es muss nicht immer Abriss…
> Mit fast 35.000 Unterschriften zwingt die Volksinitiative „Bauwende für
> Berlin“ das Parlament, sich mit Alternativen zum Wohnungsneubau zu
> befassen.
Bild: Das Volk vertreibt die Wolken: Sketch von Klimaneustart Berlin vor der Un…
Berlin taz | Bauen, bauen, bauen, lautet das Mantra des schwarz-roten
Senats – wie auch seiner Vorgängerregierungen. Die wachsende Berliner
Bevölkerung braucht bezahlbaren Wohnraum, und weil der knapp ist wie nie,
sollen private und landeseigene Unternehmen möglichst schnell möglichst
viele Gebäude hochziehen. Bekanntlich werden die vom Senat anvisierten
20.000 Wohneinheiten pro Jahr dennoch weit verfehlt, die Mieten fallen
durch den Zuwachs nicht, und Umweltverbände warnen vor den ökologischen
Folgen des „Schneller-Bauen-Gesetzes“.
So gesehen ist es kein Wunder, dass bis Mittwoch fast 35.000 Unterschriften
für die Volksinitiative „Bauwende für Berlin – ökologisch & sozial“
zusammengekommen sind. Gesammelt hat sie die BürgerInneninitiative
Klimaneustart Berlin, bekannt durch den Volksentscheid zur Berliner
Klimaneutralität, der 2023 knapp scheiterte.
Die Listen übergaben die AktivistInnen von Klimaneustart Berlin am Mittag
dem Präsidium des Abgeordnetenhauses. Vorher gab es eine Kundgebung vor dem
Preußischen Landtag, die in einem hochsymbolischen Sketch gipfelte:
Menschen mit Kartons, auf die die Unterschriftenzahlen gemalt waren,
schlugen fiese Pappkameraden – einen Immobilienhai, einen Bagger und eine
dicke CO2-Wolke – in die Flucht.
[1][Ursprünglich sollte die Unterschriftensammlung, die im Mai gestartet
war, schon im September abgeschlossen sein.] Es habe dann aber doch länger
gedauert, eine deutlich größere Zahl als die erforderlichen 20.000 zu
erreichen, sagte Klimaneustart-Sprecher Gerrit Naber zur taz. Nicht weil
die BürgerInnen der Initiative kritisch gegenüberstehen würden: „Wir
mussten selten jemanden überzeugen, es gab von vornherein eine große
Zustimmung der Menschen.“ Vielmehr sei es anfangs nicht so einfach gewesen,
Sammelnde für das vermeintliche Spezialthema zu motivieren, so Naber.
## 40.000 leer stehende Wohnungen
Dabei vereint es die Ziele Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit quasi
perfekt: Einerseits erzeuge der Bausektor 55 Prozent aller Abfälle in
Deutschland und im europäischen Durchschnitt fast 40 Prozent aller
CO2-Emissionen, hieß es auf einer Pressekonferenz von Klimaneustart Berlin,
andererseits stünden in Berlin geschätzt 40.000 Wohnungen leer – manche,
weil die Gebäude stark sanierungsbedürftig seien, andere, weil sie zu
spekulativen Zwecken errichtet worden seien.
Nach einer zweiwöchigen Auszählungsphase muss sich das Parlament innerhalb
von vier Monaten in einer Anhörung mit den Forderungen der Volksinitiative
befassen. Ganz oben auf deren Liste steht das Thema „Bestandsaufnahme“: Nur
auf der Basis einer vollständigen Datenlage über den Wohnungsbestand und
seiner Nutzung lasse sich beurteilen, ob es im konkreten Fall einen Neubau
brauche oder Bestandsgebäude genutzt werden könnten. Ein solches
berlinweites Register gebe es aber schlicht nicht.
Seine Organisation werde ständig auf Leerstand hingewiesen, sagte Sebastian
Bartels, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins und eine von fünf
Vertrauenspersonen der Initiative. Allein in Mitte gebe es seiner Kenntnis
nach rund 80 „Geisterhäuser“. Dass es an einem Kataster fehle und das Land
„nicht in die Pötte“ komme, weil es auf den Bund warte, sei dramatisch.
„Die Bezirke müssen sich mit dem Senat zusammensetzen und einfach mal
anfangen“, so Bartels.
Weitere Forderungen der Initiative: Abrissgenehmigungen sollen nur im
Ausnahmefall erteilt werden, ein Nutzungsgebot für den Bestand müsse her.
Eine Gewerbehalle könne man gut in eine Turnhalle umbauen, so ein Beispiel
von Klimaneustart Berlin. Zudem könnten in der Bauordnung CO2-Budgets pro
Quadratmeter Nutzfläche verankert werden, die sich am CO2-Budget im
Berliner Gebäudesektor orientierten. Das würde es für Investoren
attraktiver machen, zu sanieren und umzubauen, statt abzureißen und neu zu
bauen.
Theresa Keilhacker, Präsidentin der Berliner Architektenkammer und
ebenfalls Vertrauensperson der Volksinitiative, sagte der taz, viele
ArchitektInnen seien diesen Forderungen gegenüber aufgeschlossen – obwohl
Neubau natürlich traditionell im Interesse des Berufsstands ist. Keilhacker
verwies darauf, dass sich viele Altgebäude – auch DDR-Plattenbauten – gut
ertüchtigen und klimaneutral umbauen ließen. Als gelungenes Beispiel nannte
sie die Umwandlung eines früheren Schul-Serienbaus aus den 60er Jahren in
Friedrichshain zur heutigen Pablo-Neruda-Bezirksbibliothek.
## „Neubau ist nicht des Teufels“
Der baupolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Mathias Kollatz, sagte der
taz, tatsächlich könne und müsse Leerstand besser kontrolliert werden, die
rechtlichen Instrumente, um eine Wiedernutzung zu erzwingen, seien noch
unzureichend. Um den Neubau komme Berlin aber nicht herum. „Abriss ist
nicht das Mittel der Wahl. Aber Neubau ist nicht des Teufels, wenn es
gelingt, deutlich mehr Holzbau zu verwirklichen und dichter zu bauen“, so
Kollatz.
Bei landeseigenen Bauvorhaben gebe es schon „große Beispiele für Erhalt und
neue Nutzung“: Etwa das Haus der Statistik am Alex und die
Senatsbauverwaltung in Wilmersdorf. Allerdings habe sich bei der neuen
Nutzung im Bestand „bisher gezeigt, dass die Kosten höher ausfallen als
geplant. Daran gilt es zu arbeiten.“
30 Oct 2024
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## AUTOREN
Claudius Prößer
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Unterschriften.
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