# taz.de -- Bebauung am Gleisdreieckpark: Schlechtes Klima für Hochhäuser | |
> Im Park am Gleisdreieck werben Aktivist*innen für eine „ökologische | |
> und soziale Bauwende“ und sammeln Unterschriften für eine | |
> Volksinitiative. | |
Bild: Der Himmel am Park soll frei bleiben: Mitglieder der Initiative gegen den… | |
Berlin taz | Infowochenende im Park am Gleisdreieck: Ein Dutzend | |
Aktivist*innen der Initiative „Klimaneustart Berlin“ in lila Westen | |
sammelt Unterschriften für eine ökologische und soziale „Bauwende“. Grupp… | |
wie Architects4Future, die Deutsche Umwelthilfe und weitere versuchen, | |
Passant*innen für dieses Anliegen zu interessieren. Es gibt ein | |
Pappmodell mit Hochhäusern und Infoflyer, auch Malkreide für die – nicht | |
anwesenden – Kinder liegt bereit. | |
Im „Kiosk der Solidarität“, einem mobilen Metallgestell, steht ein Mann am | |
Mikrofon: „Aktuell haben wir in Berlin ungefähr eine Million Quadratmeter | |
leer stehender Büros und gleichzeitig Wohnraummangel“, sagt er zu einem | |
weiteren Dutzend Menschen auf Holzschemeln. „Wir wollen eine Stadt für | |
Menschen und nicht für Investoren.“ Dann ertönt leise der Rauchhaus-Song. | |
Trotz des geringen Zuspruchs an diesem schwülwarmen Samstag ist der Ort der | |
Veranstaltung nicht zufällig gewählt: Seit 2005 ist am Rand des Parks die | |
Errichtung von sieben bis zu 90 Metern hohen Gebäuden geplant, die fast | |
ausschließlich Büros und Gewerbe beherbergen sollen. „Das ist ein reines | |
Spekulationsobjekt. Der Stadt bringt das nichts“, ärgert sich Patrick Vater | |
von der [1][Arbeitsgemeinschaft Gleisdreieck], die seit Jahren gegen das | |
Projekt kämpft. „Hier werden keine Wohnungen gebaut, der Park wird | |
verschandelt, es ist nicht gut fürs Klima – es gibt viele Gründe, die | |
dagegen sprechen.“ | |
## Angst vor Regressforderung | |
Obwohl viele Anwohner*innen und auch ein Großteil der BVV | |
Friedrichshain-Kreuzberg gegen die Hochhäuser sind, hält der Senat an dem | |
Projekt fest – angeblich aus Angst, dass der luxemburgische | |
Investmentfonds, der das Gelände inzwischen besitzt, Regressforderungen von | |
bis zu 150 Millionen Euro stellen könnte, sollten die Türme nicht gebaut | |
werden. [2][Zwar sieht ein von der Arbeitsgemeinschaft Gleisdreieck in | |
Auftrag gegebenes Gutachten keinen „Entschädigungsanspruch für enttäuschte | |
Spekulationsgewinne“], womit eine Neuplanung des Gebiets möglich wäre. Doch | |
Anfang Juni zog Bausenator Christian Gaebler (SPD) die Planung an sich. | |
„Es gibt jetzt dieses Schneller-Bauen-Gesetz, was im Grunde dazu führt, | |
dass wichtige Prozesse übergangen werden“, so Patrick Vater. Die | |
Landesregierung habe das Projekt an sich gezogen, um dem Investor gerecht | |
zu werden und ein Exempel zu statuieren: „Reiner Aktionismus“, findet er. | |
Gerrit Naber von Klimaneustart Berlin hingegen teilt das Ziel, „in der | |
Stadt schneller dringend benötigten Wohnraum zur Verfügung zu stellen“. | |
Dafür hat sich seine Initiative eine neue Kampagne ausgedacht, für die sie | |
heute Unterschriften sammelt: „Bauwende für Berlin – ökologisch und | |
sozial“, heißt sie. | |
## Realpolitisch, nicht revolutionär | |
Die Kernpunkte sind eher realpolitisch als revolutionär: Die Initiative | |
fordert unter anderem ein Bestandsregister, das alle leerstehenden und | |
nutzbaren Gebäude erfasst, ein begrenztes CO2-Budget für Neubau- und | |
Sanierungsprojekte sowie die Sanktionierung von dauerhaftem Leerstand und | |
missbräuchlicher Nutzung. Für eine Volksinitiative will sie bis Mitte | |
Oktober 20.000 Unterschriften sammeln. Sollte sie die zusammenbekommen, | |
kann sie ihre Vorschläge direkt ins Abgeordnetenhaus tragen. | |
„Wir müssen bedarfsgerecht planen, wir müssen genau das bauen, was wir | |
brauchen“, erklärt Gerrit Naber die Forderung nach einem Bestandsregister, | |
„und bevor wir bauen, müssen wir nutzen, was da ist, und sanieren.“ Abriss | |
könne man sich „vor dem Hintergrund dieser Doppelkrise, die wir haben, | |
Wohnraummangel und Klimakrise, nicht mehr erlauben. Bauen dauert zu lange, | |
erzeugt ganz viel CO2, Abfall, Lärm und Stress in der Stadt – und die | |
Wohnungen sind teuer.“ | |
Obwohl die Initiative Klimaneustart Berlin mit ihrem Klima-Volksentscheid | |
im vergangenen Jahr gescheitert ist, und obwohl erfolgreiche | |
Volksentscheide vom Berliner Senat bekanntermaßen verschleppt werden, gibt | |
sich Naber optimistisch: „Im Grunde bleibt uns keine andere Wahl“, sagt er: | |
„Wir müssen die Transformation anschieben, und dafür ist die | |
Volksinitiative ein gutes Mittel. Es ist wichtig, dass die Stadtbevölkerung | |
erfährt, was eigentlich geschieht. Dass es Bauprojekte wie am Gleisdreieck | |
gibt, und dass es Wohnraummangel gibt, der aber kaum angegangen wird – | |
obwohl es Potenzial im Bestand gäbe.“ | |
18 Aug 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.aktionsgemeinschaft-gleisdreieck.de/ | |
[2] /Urbane-Mitte-am-Gleisdreieck/!5985818 | |
## AUTOREN | |
Darius Ossami | |
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