# taz.de -- Rückgabe von Kulturgütern: Nofretete will zurück nach Hause | |
> Eine Petition fordert die Rückgabe von Nofretete aus Berlin nach Ägypten. | |
> Die Frage spiegelt die Debatte um die koloniale Vergangenheit Europas | |
> wider. | |
Bild: Nofretete gilt als das wichtigste Exemplar einer nur kurzen politischen u… | |
Istanbul taz | Nofretete, die berühmte 3.500 Jahre alte Büste der | |
ägyptischen Königin, Prunkstück des Ägyptischen Museums auf der Berliner | |
Museumsinsel, soll nach Hause. Rund 21.000 Unterzeichner aus dem In- und | |
Ausland fordern das in einer neuen Petition, da sich Nofretete | |
„unrechtmäßig“ in Berlin befinde und stattdessen ins neue Pharaonenmuseum | |
in Kairo gehöre. Initiator der Petition ist Zahi Hawass, der frühere | |
Direktor der Ägyptischen Antikenverwaltung, der sich seit Jahrzehnten um | |
eine Rückgabe der Nofretete bemüht. Obwohl, wie die [1][Stiftung | |
Preußischer Kulturbesitz] nicht müde wird zu betonen, die berühmte | |
Nofretete 1913 „völlig rechtmäßig“ in deutschen Besitz gekommen ist, wird | |
praktisch seit hundert Jahren ihre Rückgabe gefordert. | |
Warum gerade um die Büste der schönen Nofretete seit Jahrzehnten gestritten | |
wird, hat vor allem drei Gründe. Einmal der [2][koloniale Hintergrund,] | |
dann die selbst auf der Grundlage der kolonialen Gesetzgebung im damaligen | |
Ägypten umstrittene Fundteilung, bei der die Deutschen die Büste für sich | |
sichern konnten, und nicht zuletzt die herausragende archäologische | |
Bedeutung der Büste. Sie gilt als das wichtigste Exemplar einer nur kurzen | |
politischen und ästhetischen Periode Ägyptens, nämlich die Zeit des | |
„monotheistischen Pharaos“ Echnaton, ihres Mannes. Als der deutsche | |
Archäologe Ludwig Borchardt neben anderen Schätzen in Amarna im Dezember | |
1912 auch die Nofretete-Büste fand, war Ägypten von den Briten besetzt und | |
die Franzosen leiteten den ägyptischen Antikendienst, in dem die Ägypter | |
selbst nichts zu melden hatten. | |
Nach dem britischen Gesetz mussten antike Grabungsfunde geteilt werden – | |
eine Hälfte konnten ausländische Archäologen mitnehmen, die andere Hälfte | |
ging ins Ägyptische Museum. Am 20. Januar 1913 kam es zwischen Borchert und | |
dem jungen französischen Angestellten des Antikendienstes, Gustave | |
Lefebvre, zur Fundteilung. Dabei gelang es Borchardt wunderbarerweise, die | |
Nofretete für sich zu reklamieren. Wie außergewöhnlich dieser Coup war und | |
wie sehr Borchardt klar war, dass er Lefebvre dabei über den Tisch gezogen | |
hatte, ergibt sich schon aus seinen Briefen, die er anschließend nach | |
Berlin schrieb. | |
Es ist eine politische Entscheidung | |
Darin beschwor er den Leiter des Ägyptischen Museums, die Nofretete nicht | |
öffentlich zu zeigen, sondern schön im Depot zu halten. Tatsächlich wurde | |
die Nofretete erst zehn Jahre später, 1923, erstmals öffentlich gezeigt. | |
Kurz darauf forderte die damals immer noch französische Antikenverwaltung | |
Ägyptens ihre Rückgabe. | |
Seitdem beruft sich das Berliner Ägyptische Museum darauf, formal im Recht | |
zu sein. Tatsächlich hätte die ägyptische Regierung über den Gerichtsweg | |
keine Chance, die Büste zurückzubekommen, genauso wenig, wie die | |
griechische Regierung per Klageweg die Parthenon-Friese aus dem Britischen | |
Museum oder die türkische Regierung den Pergamon-Altar wiedererlangen kann. | |
Damit aber fängt die Debatte erst an. Gehören die einmaligen Kunstwerke, | |
die europäischen Schatzjägern zu einer Zeit in die Hände fielen, als die | |
europäischen Großmächte den halben Erdball kolonisiert hatten, nicht viel | |
eher zurück zu den Stätten, wo sie entstanden sind, als in die europäischen | |
Museen? [3][Restitution ist keine formale rechtliche Frage,] es ist eine | |
politische Entscheidung, wie mit dem kolonialen Erbe umzugehen ist. Als die | |
Rückgabe der Nofretete schon einmal kurz bevorstand, entschied übrigens | |
Adolf Hitler 1933 persönlich, er werde den Kopf der Königin niemals | |
aufgeben. „Es ist ein Meisterwerk“, sagte er damals. | |
29 Oct 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.preussischer-kulturbesitz.de/index.html | |
[2] /Das-Erbe-des-Kolonialismus/!5691178 | |
[3] /Umgang-mit-menschlichen-Ueberresten/!5956616 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
## TAGS | |
Ägypten | |
Kolonialismus | |
Restitution | |
Antike | |
Museum | |
NS-Raubkunst | |
Raubkunst | |
Kolonialismus | |
Deutscher Kolonialismus | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Pergamonaltar aus Styropor: Ein bisschen Utopie | |
In einer Berliner Galerie hat die Künstlerin Zuzanna Czebatul Teile des | |
Pergamonaltars nachgebaut und wirft so Fragen über den Status von Museen | |
auf. | |
NS-Raubkunst: Bundeskabinett billigt Reform zu Rückgabeverfahren | |
Ein Schiedsgericht soll künftig die Restitution von NS-Raubkunst | |
erleichtern. Experten und Nachfahren von NS-Opfern haben Zweifel an dem | |
Verfahren. | |
Film „Dahomey“ über Raubkunst: König Ghezo spricht | |
Berlinale-Gewinner: Mati Diops Film „Dahomey“ nimmt sich Restitutionsfragen | |
mit magischem Dokumentarismus an. | |
Schädel von Indigenem aus Chile: Eine halbe Rückgabe | |
Lübecks Sammlung der Kulturen der Welt hat Indigenen aus Feuerland einen | |
Schädel zurückgegeben. Begraben wird er dennoch in Lübeck – zu seinem | |
Schutz. | |
Umgang mit menschlichen Überresten: Die Ahnen sollen zurückkehren | |
Dass in Berlin lagernde Schädel aus Kolonialzeiten identifiziert wurden, | |
ist ein Erfolg der Zivilgesellschaft. Nun fordern die Nachfahren sie | |
zurück. |