| # taz.de -- Konsum in der Krise: Armes Deutschland | |
| > Deutsche verzichten laut einer Umfrage wegen Wirtschaftsflaute auf Hobbys | |
| > und Luxus. Die eigene finanzielle Lage ist aber auch eine Frage des | |
| > Timings. | |
| Bild: Am Ende wird doch noch gefeiert? | |
| Heute geht es wie immer allgemein ums Haushalten – und speziell um Timing. | |
| Ich kannte mal einen guten Theaterwitz dazu. Aber ich habe leider die | |
| Pointe vergessen. Was soll’s: Ich lese jedenfalls Folgendes zu einer | |
| [1][Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY]: „Konsum in der Krise: | |
| Deutsche verzichten wegen Wirtschaftsflaute auf Hobbys und Luxus“. Damit | |
| gehe ich konform, denn Hobbys habe ich keine und so weit Luxus nicht bei | |
| Biomilch beginnt, sondern bei Grills für mehr als 50 Euro, bin ich nicht | |
| mitgemeint. | |
| Sparen tun die Deutschen bei zubereitetem Essen (48 Prozent; am Essen | |
| sparen ist tragisch) sowie bei der Mitgliedschaft im Sportstudio (43 | |
| Prozent; wer geht freiwillig in eine Stinkebude?): So gesehen habe ich also | |
| keinen „pessimistischen Blick in die Zukunft“, der darauf zurückgeführt | |
| wird, dass „nur gut ein Viertel der Befragten glaubt, dass sich die eigenen | |
| finanziellen Möglichkeiten im kommenden Jahr verbessern werden. 74 Prozent | |
| sind hingegen der Meinung, die Lage mit Blick auf das eigene Geld werde | |
| sich verschlechtern oder gleich bleiben.“ | |
| Womit wir wieder beim Timing sind: Meine wirtschaftliche Lage wird sich | |
| nämlich im nächsten Jahr unabhängig von Börsenkursen, Beförderungen oder | |
| einer durch Stimmungen einer verunsicherten Bevölkerung herbeigeführten | |
| Machtergreifung der Putin-Parteien verbessern. Denn ab dem Sommer nächsten | |
| Jahres werde ich nicht mehr die Rate eines Kredits bedienen müssen, den ich | |
| wegen familiären Unglücks vor 15 Jahren aufgenommen habe, immerhin 425 | |
| Euro, die jeden Monat einfach so den Weg zur Bank finden, Slurp, Schluck, | |
| weg. | |
| Bei einem Nettoverdienst von 2.000 Euro, wozu dann noch Kindergeld und je | |
| nach Fleiß und Glück ein 13. oder auch 14. Monatsgehalt auf dem freien | |
| Markt kommen, hat das zu einer chronischen Unterbudgetierung geführt. | |
| Natürlich werde ich, wenn der Großkredit abbezahlt ist, erst mal | |
| zurückerstatten, was ich denen schulde, die mir geholfen haben, diese 15 | |
| Jahre zu überstehen. Und mir wird vor allem der Stein von der Seele fallen, | |
| dass ich keine Schulden vererbe. | |
| ## „Auf die Wiesn geht man nicht zum Sparen!“ | |
| Aber um aufs Timing zurückzukommen: Ich bin gespannt, wie das so wird, in | |
| einer schwer mies drauf seienden, weil vollkommen verarmten Bevölkerung in | |
| einem von Totaldeindustrialisierung geprägten Deutschland mit hoher | |
| Arbeitslosigkeit. Und dann noch die ganze Rüstung! Wer weiß, vielleicht | |
| wählen die Leute unter diesen extremsten Extrembedingungen am Ende zu einem | |
| Drittel Nazis und zu einem Achtel niederträchtige Ex-Linke! Und ich dann da | |
| so dazwischen: gut drauf, so weit das in dieser Existenz möglich ist, | |
| manchmal sogar mit einem Lächeln im Gesicht oder gar einem Liedchen auf den | |
| Lippen. | |
| Ob es mich da retten kann, zu bekennen, dass ich noch nie ein Auto besessen | |
| habe? Dass ich aber mit einem Vater aufgewachsen bin, der seinen Söhnen | |
| einmal im Jahr die damals bedeutende Summe von 50 Mark in die Hand drückte, | |
| mit dem Satz: „Auf die Wiesn geht man nicht zum Sparen!“? Oder wird das | |
| eher provozierend wirken auf Menschen, die Würste aus vom Schlachthofboden | |
| gekratzten Fleischresten auf einem 1.000-Euro-Grill braten müssen? | |
| [2][Clemens Schittko], der Dichter der Stunde, hat die Probleme des Timings | |
| natürlich längst in Verse gefasst: „es ist fünf vor zwölf/ und es ist fü… | |
| nach zwölf/ es ist aber auch zwölf vor fünf/ und es ist zwölf nach fünf“. | |
| 28 Oct 2024 | |
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| [1] https://www.morgenpost.de/wirtschaft/article407424296/deutsche-einkaufsverh… | |
| [2] https://xs-verlag.de/buch/clemens-schittko-nur-sex/ | |
| ## AUTOREN | |
| Ambros Waibel | |
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