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# taz.de -- Tech-Branche will Atomkraft verwenden: Ein tückisches Narrativ
> Die Tech-Branche will alte Atommeiler hochfahren und sogar neue bauen.
> Geht's noch? Der Energiebedarf fürs Digitale muss ausgehandelt werden.
Bild: AKW in Harrisburg: Die Techbranche will ihren Energiebedarf nicht senken,…
Problematische Themen rund um die künstliche Intelligenz gibt es genug:
Gefahr für die Demokratie, Quelle von algorithmischer Diskriminierung,
unfaire Konkurrenz für Künstler:innen, Black Box. Als wäre das alles nicht
genug, holen die IT-Konzerne nun noch was aus ihrem
Dystopie-Nachschlagewerk.
Gerade kündigt ein Konzern nach dem anderen – Amazon, Microsoft und diese
Woche auch Google – an, wieder auf Atomkraft setzen zu wollen. Microsoft
will dafür sogar dem Nachbarreaktor des in den 1970er Jahren havarierten
AKW in Harrisburg [1][wieder zur Inbetriebnahme verhelfen]. Und von Michael
Terrell, Senior Director für Energie und Klima bei Google, kommt dieser
Satz: „Wir sind der Meinung, dass Kernenergie eine wichtige Rolle spielen
kann, um unseren Bedarf rund um die Uhr auf saubere Weise zu decken.“
Das ist in mehrerlei Hinsicht ein tückisches Narrativ. Denn eigentlich
sollte längst klar sein: Atomkraft ist alles andere als sauber. Klar, es
wird nichts verbrannt, was unmittelbar als CO2 aus dem Schornstein käme.
Aber sauber? Der Weltklimarat IPCC bezifferte die Emissionen in seinem
[2][2014er-Bericht] auf bis zu 220 Gramm CO2-Äquivalente pro
Kilowattstunde. Windparks kommen [3][laut Zahlen des Umweltbundesamtes von
2021] auf maximal um die 10 Gramm. Und über Atommüll und Unfälle haben wir
da noch nicht einmal gesprochen.
## KI kann nicht nur Dystopie
Dazu kommt, dass die Erzählung, mehr Strom zu benötigen, den
Energieverbrauch der Tech-Branche als quasi naturgegeben hinstellt: Wir
brauchen mehr, also erzeugen wir mehr. Dabei ist das ein Trugschluss. Ob im
Verkehrssektor, in der Landwirtschaft oder beim Bauen – eigentlich ist
mittlerweile klar, dass sich Emissionen und Energiebedarfe reduzieren
lassen.
Und da ist im Tech-Bereich noch sehr viel möglich. Zum Beispiel: Müssen wir
wirklich in alles KI einbauen, wo es machbar ist? Wird die Onlinesuche
durch KI tatsächlich besser, werden Service-Chatbots weniger nervig oder
ist nicht KI in Software häufig eher ein Marketing-Move als ein echter
Vorteil für die Nutzer:innen?
Oder: Wie lässt sich gerade das energieintensive Training von KI-Modellen
ressourceneffizienter machen? Green Coding, also bereits bei der
Entwicklung von Software auf Nachhaltigkeit zu achten, das ist schon beim
herkömmlichen Programmieren eine Nische. Wie lässt sich das ändern? Und
dann die Rechenzentren: Von kluger Klimatisierung über sparsame Hardware
bis Abwärmegewinnung gibt es hier einige Stellschrauben.
Da muss man nicht einmal in die USA blicken, sondern kann gleich
hierzulande anfangen: In Deutschland gibt es eine drei- bis vierstellige
Zahl an Rechenzentren. Je nachdem, ob jeder Serverraum eines Unternehmens
zählt oder nur die großen Standorte. Und wie viele tragen aktuell den
Blauen Engel, das Zertifikat des Umweltbundesamtes für besonders
energieeffiziente und ressourcenschonende Rechenzentren? 100, 50, 10,
bietet jemand noch weniger?
Wir müssen anfangen, den Tech-Sektor, was Energie betrifft, so zu
verstehen, wie auch den Verkehrssektor oder die Baubranche: als extrem
energieintensiven Bereich, auf den wir nicht verzichten können und wollen,
den wir aber auch nicht einfach weiter fröhlich vor sich hin emittieren
lassen können.
Schließlich kann KI nicht nur Dystopie, sondern auch Gutes. Etwa in der
Medizin bei der Analyse bildgebender Verfahren wie Röntgen oder MRT bessere
Ergebnisse erzielen als der menschliche Blick. Extremwetterereignisse
präziser vorhersagen und damit Leben retten. Unterhaltungen zwischen
Menschen ermöglichen, die nicht die gleiche Sprache sprechen. Wer diesen
Fortschritt will – und selbst, wem es nur um lustige KI-generierte
Katzenvideos geht –, muss ihn so gestalten, dass die künftigen Generationen
nicht unter dessen Nebenwirkungen leiden.
16 Oct 2024
## LINKS
[1] /Ungluecksreaktor-Three-Mile-Island/!6038836
[2] https://www.ipcc.ch/site/assets/uploads/2018/02/ipcc_wg3_ar5_full.pdf
[3] https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/5750/publikatione…
## AUTOREN
Svenja Bergt
## TAGS
Atomstrom
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