# taz.de -- Neuer Radweg in Schöneberg: Freie Fahrt nur dank Abschleppdienst | |
> Auf der Schöneberger Hauptstraße ist der lang ersehnte geschützte | |
> Radstreifen fertig. Ob jetzt auch Busse zu ihrem Recht kommen, liegt am | |
> Ordnungsamt. | |
Bild: Ab jetzt immer freie Fahrt? Der neue Radstreifen auf der Hauptstraße in … | |
Berlin taz | Es rollt was in Schöneberg: Während am Montag in der | |
Grunewaldstraße die ersten Arbeiten für den [1][künftigen geschützten | |
Radstreifen] begonnen haben, wurde am frühen Dienstagabend etwas weiter | |
südlich auf der Hauptstraße angeradelt: Die Tempelhof-Schöneberger | |
Verkehrsstadträtin Saskia Ellenbeck (Grüne) und Staatssekretär Johannes | |
Wieczorek aus der Senatsverkehrsverwaltung eröffneten damit symbolisch den | |
dortigen geschützten Radstreifen – der zumindest in Teilen schon seit | |
Monaten benutzt werden kann. | |
Beide Projekte [2][standen im Sommer 2023 auf der berüchtigten Prüfliste] | |
der damaligen Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU), wurden aber – mit | |
Modifikationen – wieder freigegeben. Die Mittel stammen in beiden Fällen | |
aus dem Landeshaushalt sowie dem Sonderprogramm „Stadt und Land“ des | |
Bundes. Im Fall der Hauptstraße war das bezirkliche Straßen- und | |
Grünflächenamt für die Umsetzung zuständig, den Kostenrahmen für die | |
Umgestaltung des 1,2 Kilometer langen Abschnitts zwischen Dominicusstraße | |
und Kleistpark gibt das Bezirksamt mit rund 1 Million Euro an. | |
RadfahrerInnen hatten sehnlich auf den für sie reservierten Streifen | |
gewartet: Viele Jahre lang zogen sie den Kürzeren auf der | |
Bezirksmagistrale, die gleichzeitig Teil der Bundesstraße B1 und | |
traditionelle Einkaufsmeile ist. Zwar gab es eine Busspur, die sie | |
ebenfalls benutzen durften, sie galt jedoch nur tagsüber und war auch dann | |
oft regelwidrig zugeparkt. Jetzt verläuft am rechten Rand der Fahrbahn der | |
mit orangen „Leitboys“ abgegrenzte Radstreifen, links davon folgen eine | |
Busspur sowie ein Fahrstreifen für den restlichen motorisierten Verkehr. | |
Allerdings zeigt sich, dass beim Jonglieren mit den unterschiedlichen | |
Bedürfnissen der StraßennutzerInnen noch lange kein idealer Zustand | |
erreicht worden ist: RadaktivistInnen beklagen, dass die Reihen der eher | |
symbolischen Minipoller immer wieder von langen – aus ihrer Sicht zu langen | |
– ungeschützten Abschnitten unterbrochen wird, um Gebäudeeinfahrten und | |
Bushaltestellen freizuhalten. Und die Busspur gilt nun zwar ganztägig, | |
enthält aber markierte Bereiche zum Be- und Entladen, die zwischen 9 und 14 | |
Uhr verwendet werden dürfen. | |
## Komplizierte Beschilderung | |
In der Praxis wird dort auch jetzt wieder falsch geparkt, meist wohl von | |
AutofahrerInnen, die „eben mal schnell“ etwas in einem der anliegenden | |
Geschäfte besorgen oder einen Imbiss zu sich nehmen wollen. Begünstigt wird | |
das von der nicht ganz unkomplizierten Beschilderung: große weiße Tafeln | |
mit drei schwarzen Richtungspfeilen, auf deren mittlerem ein | |
Busspur-Zeichen mit den zeitlichen Einschränkungen prangt, all das so | |
klein, dass die Informationen im Vorbeifahren kaum zu lesen sind. | |
In der Twitter-Bubble, die sich seit Jahren mit den Zuständen auf der | |
Hauptstraße beschäftigt, macht der Nutzer „poliauwei“ – [3][das Pseudon… | |
von Falschparker-Schreck Andreas Schwiede] – zudem auf eine vermeintliche | |
Regelungslücke aufmerksam: Laut der von ihm zitierten Website, die sich aus | |
fachlicher Sicht mit Baustellenanordnungen und der entsprechenden | |
Verkehrslenkung befasst, ist die Anordnung einer Busspur auf einer | |
sogenannten Fahrstreifentafel in den Verwaltungsvorschriften zur | |
Straßenverkehrsordnung (StVO) nicht vorgesehen – die Ahndung von | |
Falschparken als Ordnungswidrigkeit wäre so nicht gerichtsfest. | |
## Auf die Stadträtin eingeschossen | |
„Diese Behauptung ist nicht korrekt“, sagt Stadträtin Ellenbeck auf | |
taz-Anfrage. Allerdings sei die Beschilderung erst seit Anfang des Monats | |
„so fertiggestellt, damit nun rechtssicher geahndet werden kann“. Das | |
Ordnungsamt sei dort jetzt in eigener Zuständigkeit unterwegs, es seien | |
aber auch „Verbundeinsätze und Schwerpunktkontrollen gemeinsam mit der BVG | |
und der Polizei vereinbart“, um die Busspur rund um die Uhr freizuhalten. | |
„Das ist nicht nur für den ÖPNV elementar, sondern auch für die | |
Rettungswege der Feuerwehr.“ | |
Andreas Schwiede und die von ihm gegründete „Abschleppgruppe Berlin“ haben | |
sich seit Längerem auf Ellenbeck eingeschossen: Der Stadträtin, in deren | |
Zuständigkeit auch das Ordnungsamt liegt, werfen sie vor, nicht konsequent | |
gegen Falschparker vorzugehen – das führe alle Bemühungen um eine fairere | |
Verteilung des Verkehrsraums ad absurdum. | |
Auf diese Kritik angesprochen, sagt Ellenbeck, das Ordnungsamt unternehme | |
„alles Mögliche im Rahmen seiner personellen Möglichkeiten“. | |
Selbstverständlich wünsche sie sich eine bessere personelle Ausstattung des | |
Amts – „denn bei aller Kritik muss man darauf hinweisen, dass in unserem | |
Bezirk sehr viele Straßen durch die Mitarbeitenden zu kontrollieren sind – | |
mehr als 400 Kilometer öffentliches Straßenland“. Dabei lege man einen | |
Schwerpunkt auf Schulwegsicherheit und Barrierefreiheit. „Dennoch“, so | |
Ellenbeck, „bin ich zuversichtlich, dass wir auch in der Hauptstraße eine | |
spürbare Verbesserung der Situation zeitnah erreichen werden.“ | |
So richtig wird das ihre Kritiker nicht überzeugen: Die fordern nämlich – | |
nicht nur in Tempelhof-Schöneberg – nicht nur „Knöllchen“, sondern | |
konsequentes Abschleppen als einzig wirksame Maßnahme gegen Falschparken. | |
15 Oct 2024 | |
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## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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