# taz.de -- Radweg auf der Kantstraße: Ein schlechtes Tauschgeschäft | |
> Die CDU-geführte Senatsverkehrsverwaltung vertauscht Rad- und | |
> Parkstreifen auf der Charlottenburger Kantstraße. Die Fahrradlobby | |
> protestiert. | |
Bild: Bald Geschichte: der geschützte Radweg auf der Kantstraße | |
Update 26.10.24 Der Beschluss von Senatorin Ute Bonde (CDU) zur Kantsstraße | |
schlägt Wellen: Der grüne Verkehrsstadtrat von Charlottenburg-Wilmerdorf, | |
Oliver Schruoffeneger, [1][erklärte am Freitagabend, von einer Einigung in | |
der Sache könne „keine Rede sein“]. Ihm liege bisher keine Information der | |
Senatsverwaltung über eine neue Planung vor. | |
Die Verwaltung habe es jahrelang versäumt, eine Planung für eine dauerhafte | |
Lösung vorzulegen. Noch im Frühjahr habe das Bezirksamt der Senatorin einen | |
Vorschlag übersandt, „wie sich die Anforderungen der Feuerwehr und eine die | |
Sicherheit für die Fahrradfahrenden gewährleistende Gestaltung der Straße | |
realisieren lässt“ – Schruoffeneger meint die Verschmälerung des | |
Mittelstreifens. „Dazu gibt es nicht einmal eine Eingangsbestätigung“, so | |
der Stadtrat. | |
Stattdessen habe er erst vor ein paar Tagen – also vor der Wohnungs-Volte | |
seines CDU-Kollegen im Bezirksamt – ein Schreiben aus der | |
Verkehrsverwaltung erhalten, das er wie folgt zitiert: „Aus hiesiger Sicht | |
stellt sich die tatsächliche Situation in der Kantstraße nicht besonders | |
kritisch dar.“ Das sei „fast als Arbeitsverweigerung zu bewerten“, ätzt | |
Schruoffeneger. | |
Er erwarte nun, dass der Senat ein „normales ordentliches | |
Anhörungsverfahren“ einleite, Senatorin Bonde solle ihre | |
„Verlautbarungspolitik über die Presse“ beenden. Falls eine weitere | |
Zwischenlösung unabdingbar sein sollte, müsse „gleichzeitig klargestellt | |
werden, wie dann im nächsten Jahr eine endgültige Herstellung der Straße | |
durchgeführt werden soll und die Finanzierung muss zugesagt werden“. | |
Derweil schießen sich Changing Citites und seine Unterorganisationen auf | |
Schruoffeneger ein: Sascha Broy vom Netzwerk fahrradfreundliches | |
Charlottenburg-Wilmersdorf, ließ verlauten, der Verkehrsstadtrat stehe „wie | |
eine Marionette da“ und sehe „teilnahmslos zu, wie die Verkehrswende | |
rückabgewickelt wird“. | |
Schruoffeneger, so Broy, hätte die Umwandlung des jetzigen Parkstreifens | |
„längst anordnen können, um Platz für die Feuerwehr und die BVG zu | |
schaffen“. Der CDU wiederum sei offensichtlich auch die seit dem 11. | |
Oktober gültige StVO-Novelle „egal“, die den Klimaschutz und die Sicherheit | |
der Verkehrsteilnehmenden jetzt höher bewerte: „Ein starkes Stück für eine | |
Recht-&-Ordnung-Partei!“ | |
Berlin taz | An der Charlottenburger Kantstraße lässt sich aktuell gut | |
ablesen, was dem Senat die Verkehrswende wert ist: nicht so furchtbar viel. | |
Denn die CDU-geführte Mobilitätsverwaltung hat am Freitagvormittag | |
mitgeteilt, dass eine bauliche Umgestaltung der Straße, um die Bedürfnisse | |
von Rad- und Autofahrenden sowie der Berliner Feuerwehr gleichermaßen zu | |
gewährleisten, „unverhältnismäßig aufwändig und teuer“ wäre. Ergo wer… | |
einfach der neben dem Gehweg verlaufende Radweg und der links anschließende | |
Parkstreifen per Markierung getauscht. Geradelt wird voraussichtlich noch | |
in diesem Jahr wieder zwischen sich öffnenden Autotüren und fahrenden Lkws. | |
Die Entscheidung, auf die sich Verkehrssenatorin Ute Bonde, | |
Verkehrsstaatssekretär Johannes Wieczorek und der | |
Charlottenburg-Wilmersdorfer Bezirksstadtrat Christoph Brzezinski (alle | |
CDU) „gemeinsam mit engagierten Charlottenburg-Wilmersdorfer Abgeordneten | |
des Abgeordnetenhauses“ verständigt haben, [2][hat eine lange | |
Vorgeschichte]: Seit 2020 gibt es den „Pop-up-Radweg“, der zumindest | |
insofern als „geschützt“ gelten kann, als er nicht neben dem fließenden | |
motorisierten Verkehr verläuft und auch nicht gut zugeparkt werden kann. In | |
der seit Langem schwelenden Debatte um seine „Verstetigung“ wurde immer | |
wieder das Problem aufgeworfen, dass Löschfahrzeuge nun zu wenig | |
Aufstellraum hätten. | |
[3][In diesem Zusammenhang hatte Stadtrat Brzezinski zuletzt eine fast | |
schon groteske Ankündigung gemacht]: Das Bezirksamt werde in den | |
anliegenden Gebäuden die Nutzung aller Wohnungen ab dem 3. Stock | |
untersagen, weil dort im Brandfall nicht mehr sicher „angeleitert“ werden | |
könne. Die Senatsverwaltung sicherte prompt zu, für eine schnelle Lösung | |
des Falls zu sorgen – was sie nun getan hat. | |
Zu „aufwändig und teuer“ war der ihr dagegen der vom | |
Charlottenburg-Wilmersdorfer Verkehrsstadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) | |
eingebrachte Vorschlag, den Mittelstreifen der Kantstraße schmaler zu | |
machen – was der Feuerwehr ausreichend Platz auf dem aktuellen Fahrstreifen | |
verschafft hätte. Ebenso wenig in Betracht gezogen wurde der Wunsch von | |
RadlobbyistInnen wie dem Verein Changing Cities, den Parkstreifen zur | |
Busspur umzuwandeln – das hätte etliche Stellplätze für Autos gekostet. | |
Changing-Cities-Sprecherin Ragnhild Sørensen ist denn auch alles andere als | |
begeistert von diesem „guten Ergebnis“ (Brzezinski): Sie hält den | |
Fahrspur-Tausch für eine „typische CDU-Scheinlösung, damit um jeden Preis | |
Parkplätze erhalten bleiben“. Den Preis zahlten Radfahrende und die | |
Feuerwehr: Es sei künftig mit „massivem Falschparken auf dem Radweg“ zu | |
rechnen, was auch im Falle von Löscharbeiten große Probleme bereiten werde. | |
## „Man muss nur wollen“ | |
Sørensen verweist auf den gerade eröffneten geschützten [4][Radweg auf der | |
Hauptstraße in Schöneberg], wo man durch die gleichzeitige Anlage einer | |
Busspur mit temporären Lieferzonen das Problem langfristig gelöst habe. | |
„Schwer ist es nicht, man muss es nur wollen“, meint die Sprecherin. | |
Auch ADFC-Sprecher Karl Grünberg spricht sich klar gegen die Entscheidung | |
der Verkehrsverwaltung aus. Wenn sie denn schon umgesetzt werde, fordert | |
seine Organisation zumindest ausreichend breite Schutzmarkierungen, um das | |
„Dooring“- Risiko zu minimieren. Grünberg weist darauf hin, dass die früh… | |
häufigen Autorennen auf der Kantstraße mit der Verlegung der Radspur jetzt | |
wieder praktisch möglich würden. | |
Zumindest solange dort nicht illegal geparkt wird – oder legal: Bonde und | |
Co. wollen nun prüfen, ob in die Radspur nicht sogar „zeitlich ausgewiesene | |
Lieferzonen für den notwendigen Wirtschaftsverkehr sowie auch Anfahrten zu | |
Arztpraxen“ integriert werden könnten. „Analog etwa der Hauptstraße“, w… | |
es in der Mitteilung heißt. Nur: Dort befinden sich die Lieferzonen – wie | |
erwähnt – auf der Busspur, nicht auf dem Radweg. | |
25 Oct 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/aktuelles/pressemitteil… | |
[2] /Radwegeausbau-in-Berlin/!5998458 | |
[3] /Streit-um-den-Radweg-in-der-Kantstrasse/!6041364 | |
[4] /Neuer-Radweg-in-Schoeneberg/!6039994 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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