| # taz.de -- Fellini-Adaption am DT Berlin: Bumm bumm bumm | |
| > Wie wird es weitergehen? Düstere Aussichten auf und hinter der Bühne | |
| > verhieß ein Abend am Deutschen Theater in Berlin: „Das Schiff der | |
| > Träume“. | |
| Bild: Der Großherzog (Julia Gräfner), und die anderen Künstler:innen in den … | |
| Dies ist ein Untergang mit Ansage. Im letzten Bild der Inszenierung „Das | |
| Schiff der Träume (fährt einfach weiter)“, die im Deutschen Theater Berlin | |
| ein Premierenwochenende eröffnete, sitzen eine Möwe und ein Nashorn | |
| nebeneinander. Stumm, eine ganze Weile. Bis die Möwe fragt: „Erinnerst du | |
| dich noch an die Menschen?“. Kurz schnaubt das Nashorn und schweigt weiter. | |
| Erinnerst du dich noch an das Theater in Berlin? So könnte die Frage auch | |
| bald lauten, wenn die jetzt angekündigten Einsparungen von 10 Prozent im | |
| Berliner Kulturhaushalt tatsächlich kommen sollten. Bevor die Premiere | |
| begann, trat die Intendantin Iris Laufenberg auf die Bühne. Wenn 10 Prozent | |
| gespart werden müssen, sind Theater und Opern nicht mehr spielfähig, sagte | |
| sie. | |
| So steht es auch in einem offenen Brief des Deutschen Bühnenvereins. 10 | |
| Prozent weniger Etat bedeute nicht etwa 10 Prozent weniger Kunst, sondern | |
| gar keine. Weil 90 Prozent in die Infrastruktur der Häuser fließen, Mieten | |
| und Honorare, und gebunden sind. Eine Struktur, die sich kurzfristig nicht | |
| ändern lässt. | |
| Kultur gehöre zur DNA von Berlin, sagte Laufenberg. Auf Kultur als die | |
| attraktive Seite der Stadt und ihre internationale Ausstrahlung verweisen | |
| auch Thomas Ostermeier, Intendant der Schaubühne, und Barrie Kosky, | |
| ehemaliger Intendant der Komischen Oper, in einem Interview in der | |
| Süddeutschen Zeitung. | |
| Die Ankündigung des Senats hat Alarmstimmung, Entsetzen und Unverständnis | |
| unter Theaterleitern ausgelöst. Sie rechnen vor, dass 10 Prozent Einsparung | |
| in der Kultur 0,25 Prozent Einsparung im gesamten Haushalt bedeutet, die | |
| Zerstörung aber wesentlich größer ist. | |
| ## Versenkt von einem Kriegsschiff | |
| Am Ende verweist Iris Laufenberg in der kurzen Rede auf die [1][Petition | |
| des Bühnenvereins]. Das Publikum wird jetzt um Hilfe gebeten, die Theater | |
| zu retten. | |
| Dass dieser kulturpolitische Albtraum ausgerechnet auf die Premiere von | |
| „Das Schiff der Träume (fährt einfach weiter)“ nach dem Film von Federico | |
| Fellini fiel, ist schon ein eigenartiges Menetekel. Denn hier startet im | |
| Jahr 1914, der Erste Weltkrieg hat gerade begonnen, eine Gesellschaft von | |
| Künstlern, um die Asche einer toten Diva zu ihrer Heimatinsel im Mittelmeer | |
| zu bringen. | |
| Unterwegs nehmen sie serbische Flüchtlinge auf. Ein Kriegsschiff bedroht | |
| sie deswegen und versenkt sie am Ende. Ein Ende, das in den Texten von | |
| Thomas Perle von Anfang an angekündigt wird. | |
| [2][Die Regisseurin Claudia Bauer] hat die Inszenierung begonnen, | |
| krankheitsbedingt wurde sie von [3][Anna Bergmann] abgelöst. Das kann mit | |
| ein Grund sein, warum das skurrile Kabinett der eitlen, selbstverliebten | |
| und empfindlichen Künstlertypen, die hier auf die Reise gehen, so lange | |
| seinen Rhythmus nicht findet. Sie sind Karikaturen einer Epoche der | |
| Vergangenheit, so lange schon vergangen, dass ihre Zurschaustellung auf der | |
| Bühne jetzt kaum die Kraft hat, zur Kunst der Gegenwart und zu den wunden | |
| Stellen im Kunstbetrieb heute einen Bogen zu schlagen. | |
| ## Geflüchtete kommen kaum vor | |
| Die Kostüme von Vanessa Rust betonen das Überkandidelte der | |
| Untergangsgesellschaft. Was in dieser Inszenierung aber kaum zum Tragen | |
| kommt, von Anja Weber als moderierende Begleiterin der Reise mit Namen | |
| Orlando nur erzählt wird, ist die zweite Gruppe an Bord, die Geflüchteten. | |
| Zwar spielt Webers Text auf das Mittelmeer, mare nostrum, als das Meer an, | |
| das inzwischen zum Grab so vieler Toter, die sich in eine andere Welt | |
| retten wollten, geworden ist, aber das sind wenige epische Sätze, die sich | |
| mit der übrigen Inszenierung kaum verbinden. | |
| 2016 hatte [4][Karin Beier Fellinis Film als Vorlage für ein Stück im | |
| Deutschen Schauspielhaus in Hamburg] genutzt und aus dem Aufeinandertreffen | |
| der beiden Gruppen eine interessante Perspektive auf ästhetische, soziale | |
| und postkoloniale Diskurse entwickelt. Das Hamburger Ensemble spielte dies | |
| zusammen mit Gastkünstlern aus Haiti und afrikanischen Ländern. | |
| Da ging es nicht nur um verschiedene Klassen und Fragen der Ausbeutung, | |
| sondern auch um überholte Traditionen der europäischen Kunst und die | |
| Erwartung, von afrikanischen Performern authentische Erlebnisse geliefert | |
| zu bekommen. Am Deutschen Theater dagegen bleibt „Das Schiff der Träume“ | |
| jenseits aktueller Diskurse, was auch an diesem Theater ungewöhnlich ist. | |
| Unter den Mitreisenden ist auch ein junger Erzherzog mit seiner Schwester. | |
| Er (gespielt von Julia Gräfner) sieht in seiner Uniform aus wie ein Kind, | |
| das Krieg mit Operette verwechselt. Orlando will unbedingt ein Gespräch mit | |
| dem Herzog, seine Schwester wimmelt sie immer wieder ab. Bis er ein | |
| einziges Mal auf ihre Frage danach, wie es denn weitergehen wird, | |
| antwortet, mit drei leise gelallten Lauten „Bumm bumm bumm“. Keine falsche | |
| Aussicht auf das, was im Ersten Weltkrieg geschah. Aber wenigstens amüsiert | |
| er sich dabei, erfreut sich durchaus am Untergang seiner Welt. | |
| Wie wird es weitergehen? Gibt es noch eine andere Antwort? | |
| 29 Sep 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.castforward.de/castmag/petition-deutscher-buehnenverein-in-berl… | |
| [2] /Dadaismus-am-Deutschen-Theater-Berlin/!5977678 | |
| [3] /Theaterstueck-ueber-Marilyn-Monroe/!5973854 | |
| [4] /Archiv-Suche/!5299446&s=Katrin+Bettina+M%C3%BCller+Karin+Beier+Schiff+… | |
| ## AUTOREN | |
| Katrin Bettina Müller | |
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