# taz.de -- Die Kunst der Woche: Was wo den Rahmen vorgibt | |
> Besondere Malerei: Cosima von Knyphausen malt Maestras im Miniaturformat. | |
> Maja Ruznic trägt Farbe wie die Schleier auf, die Erinnerungen umgeben. | |
Bild: Blick in Maja Ruznics Ausstellung „Mutter“ | |
Erinnert sich noch jemand an t.A.T.u.? An jenes russische Popduo, das im | |
Jahr 2002 mit „all the things she said“ die internationalen Charts stürmte? | |
Und das mit einem Musikvideo für Aufsehen sorgte, in dem die beiden | |
Sängerinnen in knappen Schuluniformen als lesbisches Liebespaar posierten? | |
Szenen aus jenem Clip dienten Cosima von Knyphausen als Vorlage für ein | |
kleines Gemälde. Sechs winzige Bilder sind es, positioniert vor dem Muster | |
eines Maschendrahtzauns, wie er damals Teil des Settings war. | |
Rund um Queerness, Begehren und unterschiedliche Interpretationen des | |
Künstlerinnentums kreisen auch die anderen Arbeiten Cosima von Knyphausens, | |
die in ihrer ersten Einzelausstellung bei [1][Thomas Schulte]hängen. Nicht | |
nur popkulturelle Referenzen sind dort zu finden, auch Motive von Artemisia | |
Gentileschi oder auch Angelika Kauffmann. Und Anspielungen auf das | |
Alltagsleben der Künstlerin. | |
Die Kreuzberger Bar Möbel Olfe ist verewigt, weitere Bilder zeigen sie | |
selbst beim Bespannen eines Keilrahmens, beim Verzweifeln vor der Leinwand, | |
beim Befüllen einer Waschmaschine. Auch älteren Frauen, Ratgeberinnen, | |
einer Professorin begegnet man mehrfach. Ist es die „Maestra“, nach der die | |
Schau benannt ist? | |
Nah an die Bilder herantreten muss man stets, denn von Knyphausen | |
beschränkt sich auf Kleinstformate, die etwas von mittelalterlichen | |
Miniaturen haben oder von Comiczeichnungen. Einige hat sie eingebettet in | |
abstrakte Muster, die ihnen eine Art Rahmen geben. Mal beziehen sie sich | |
auf konkrete Muster, wie den Maschendrahtzaun im eingangs beschriebenen | |
Bild, oder auf die Fußbodenfliesen in der Hochschule für Grafik und | |
Buchkunst in Leipzig, wo von Knyphausen studierte. Andere hat sie | |
zusammengesetzt aus Eierschalenstückchen oder verbogenen Heftklammern. Die | |
Frage scheint sie umzutreiben: Was gibt wo den Rahmen vor – auch im | |
übertragenen Sinne? | |
Mit „Maestra“ eröffnet die Galerie Thomas Schulte ihre neuen zusätzlichen | |
Räume in den Mercator-Höfen an der Potsdamer Straße. Nicht weit davon | |
entfernt befand sich, so steht es im Ausstellungstext, im späten 19. | |
Jahrhundert die erste Malschule Deutschlands, an der Frauen Kunst studieren | |
konnten. | |
## Durchscheinende Erinnerung | |
Vieldeutige Formen und Figuren bestimmen auch die Malerei von Maja Ruznic. | |
Diese nimmt sich dafür jedoch mehr Platz, großformatig sind viele ihrer | |
Leinwände, die sie mit geometrischen Mustern füllt, aus denen sich immer | |
wieder mal mehr, mal weniger deutlich Körper, Gliedmaßen – oft sind es | |
Hände oder Füße – oder Gesichter herausschälen. Traumverhangen wirken die… | |
allesamt, eine tiefe Melancholie strahlen sie aus. | |
Maja Ruznic ist 1983 in Bosnien geboren. Neun war sie, als der Bosnienkrieg | |
ausbrach, als sie mit ihrer Familie die Heimat verließ, in verschiedenen | |
Flüchtlingslagern unterkam, bevor sie sich 1995 in San Francisco | |
niederließen. In New Mexico lebt die Malerin heute, ihre Kunst jedoch ist | |
nach wie vor von ihrer Familiengeschichte, der Vergangenheit, ihrer | |
Kindheit, dem Krieg, der Flucht beeinflusst, von den Empfindungen vor | |
allem, die sie mit all dem verbindet. Um konkrete Abbildungen geht es ihr | |
dabei nicht. Ihre Bilder sind verschwommen, unscharf, aufgeladen – so wie | |
Erinnerungen eben sind. | |
Nur ein Gemälde in ihrer Ausstellung bei [2][CFA] bezieht sich direkt auf | |
eine Fotografie aus den 1990er Jahren, die sie selbst an der Hand ihrer | |
Mutter zeigt, zwei dicht aneinandergedrängte Personen, die eine groß, die | |
andere klein. Wie durch einen Schleier oder durch grünlich-buntes Glas | |
blickt man auf der gemalten Version auf die beiden. | |
Grün, so hat die Künstlerin es kürzlich in einem Interview erklärt, sei die | |
Farbe, die sie mit Bosnien verbinde. Das Grün der Küchentür ihrer 2017 | |
verstorbenen Großmutter etwa, der sie eine kleine Arbeit gewidmet hat. Eine | |
Größere der Großmutter selbst. Schemenhaft ist diese darauf als Figur zu | |
erkennen, kauernd zwischen Tupfen und Linien, einer surrealen Landschaft | |
aus schimmernden durchscheinenden Tönen, die zu flirren beginnt, wenn man | |
sie länger betrachtet. Ruznic trägt ihre Farbe lasierend, in dünnen | |
Schichten auf, sodass keine Pinselstriche sichtbar werden, das Gemalte fast | |
pastellig, aquarellig erscheint. | |
„Mutter“ heißt die Schau, wobei offenbleibt, ob Ruznic damit das deutsche | |
oder das englische Wort meint, die Mutter oder das Murmeln, dessen Inhalt | |
nur zu erahnen ist. Passen würde beides. | |
11 Oct 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.galeriethomasschulte.com/exhibitions/ | |
[2] https://cfa-gallery.com/ | |
## AUTOREN | |
Beate Scheder | |
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