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# taz.de -- Queerness und kurdische Kultur: Noch immer ein Tabu
> Das 14. Kurdische Filmfestival startet am Mittwoch im Babylon Kino. Der
> Fokus liegt auf Filmen zu den Lebenswelten queerer Kurd_innen.
Bild: In Gitta Gsells „Beyto“ versucht ein junger Mann sein Schwulsein vor …
Wer durch Berlin spaziert, hat es vielleicht schon erspäht: das Poster des
14. Kurdischen Filmfestivals in dem Rot-Gelb-Grün der kurdischen Flagge mit
einer Figur, die halb Frau und halb Schlange ist. Es handelt sich um
„Şahmaran“. Die Göttin aus kurdischen Legenden wird von der
LGBTQIA+-Bewegung der Region als Symbol für Stärke im Kampf für Rechte und
Freiheit genutzt.
„Queerness ist immer noch ein Tabuthema“, sagt Fatma Parmaksiz, die
Festivalleiterin, im Gespräch mit der taz. Deswegen liegt der Schwerpunkt
dieses Jahr auf LGBTQIA+-Filmen. Zwölf Spiel-, Kurz- und Dokumentarfilme
beleuchten die Erfahrungen von queeren Kurd_innen und hinterfragen
kulturelle und gesellschaftliche Normen. Das Filmprogramm findet vom 9. bis
15. Oktober im Berliner Babylon Kino statt und zeugt von der wachsenden
Präsenz queerer kurdischer Stimmen.
Die Fokusfilme repräsentieren diverse Geschichten und Perspektiven der
kurdischen LGBTQIA+-Community. Der Dokumentarfilm „Toutes les Vies de
Kojin“ (15.10., 16 Uhr) handelt von der Heimkehr eines schwulen Kurden und
dem Outing bei seiner Familie. „Viele Kurd_innen haben Angst, ihren Eltern
von ihrer Queerness zu erzählen. Das sollte nicht so sein. Dass Leute queer
sind, muss normalisiert werden. Bis dahin ist es sehr mutig, diese
Geschichten zu erzählen“, so die Festivalleiterin.
In dem Spielfilm „Beyto“ (12.10., 17.15 Uhr) geht es um einen schwulen
Mann, der von seiner Familie zwangsverheiratet wird – kein Einzelfall laut
Fatma Parmaksiz. Die Regisseurin Gitta Gsell dokumentiert einfühlsam die
Erkenntnis des Hauptdarstellers über die eigene Sexualität und das Leben in
einer konservativen Familie.
Lesung mit Yusuf Yeşilöz
Die Buchvorlage für den Film lieferte der bekannte kurdische Autor Yusuf
Yeşilöz, der am 12. Oktober um 15 Uhr im Rahmen des Filmfestivals eine
Lesung geben wird. Die Dokumentarfilme „Trans x Istanbul“ (13.10., 17 Uhr)
und „Trans* But-Fragments of Identity“ (14.10., 19.30 Uhr) begleiten den
Alltag und den politischen Aktivismus von [1][trans* Frauen in Istanbul.]
Über das Filmprogramm hinaus ist am 11. Oktober um 14.30 Uhr die Kunst- und
Fotoausstellung „Jenseits der Grenzen: LGBTQIA+ Darstellung in der
kurdischen Kunst“ zu sehen.
Neben dem Themenschwerpunkt werden zahlreiche weitere zeitgenössische Filme
präsentiert. Der Eröffnungsfilm „Sieger Sein“ von Soleen Yusef (9.10.,
19.30 Uhr) handelt von einem aus Rojava geflohenen Mädchen, das ihren Platz
an einer Berliner Schule finden muss. Sie erfährt Ausgrenzung, aber
erkämpft sich Respekt durch ihr Talent für Fußball.
„Touching Freedom“ (10.10., 19.30 Uhr) dokumentiert den Kampf kurdischer
Studierender gegen den IS in Kobanê, „Roman Istanbul“ (14.10., 17.15 Uhr)
Musik und Roma-Identität in der türkischen Metropole und „Lêger“ (11.10.,
19.30 Uhr) das Leben von Kurd_innen in Anatolien sowie eine Rückkehr aus
dem Exil.
Außerdem gibt es den jährlichen Kurzfilmwettbewerb mit 15 nominierten
Filmen. Einer davon wird von der Jury, bestehend aus Schauspielerin Halima
Ilter, Anthropologen und Journalist Ergin Opengin und Regisseurin Gitti
Grüter, ausgezeichnet.
Filme auf Kurdisch als Widerstand
Das Programm ist geprägt von politischen Filmen. „Kurdisch sein ist
politisch. Unsere Identität ist politisch“, sagt Fatma Parmaksiz, denn
[2][Kurd_innen müssen ständig gegen Diskriminierung kämpfen]. Die kurdische
Kultur und Sprache in ihren verschiedenen regionalen Ausprägungen waren
lange verboten, deswegen ist Filme auf Kurdisch zu machen eine Art von
Widerstand, so Parmaksiz.
Das Kurdische Filmfestival in Berlin ist ein wichtiger Treffpunkt für den
Austausch und die Vernetzung unter Kurd_innen. Fatma Parmaksiz sagt:
„Vielen Kurd_innen in der Diaspora fehlt ein Gefühl von Zugehörigkeit. Wir
fühlen uns immer fehl am Platz. Wo ist unsere Heimat? Wo sind wir sicher?
Es gibt diesen Ort weder in der Diaspora noch in der Heimat. Aber durch
kurdische Kulturevents, wie das Filmfest, kann dieses Gefühl der
Zugehörigkeit entstehen.“
Parmaksiz erzählt auch von dem Mangel an medialer Repräsentation kurdischer
Realitäten und Charaktere, besonders für Kinder und Jugendliche. Um neue
Perspektiven und Raum für Identifikation zu bieten, wird dieses Jahr ein
Kinderkurzfilmpreis verliehen. Das soll Filmemachende ermutigen, ein junges
Publikum anzusprechen.
Wie im Vorjahr hofft das Team, viele Leute aus der kurdischen Diaspora und
darüber hinaus zu erreichen: „Wir wollen, dass unsere Geschichten und
Kultur gesehen werden. Das Programm soll Gruppen eine Stimme geben, die
nicht oft gehört werden.“ Das 14. Kurdische Filmfestival ist eine Hommage
an die [3][Diversität kurdischer Identitäten]. Diese wird auch auf der
Abschlussparty am 15. Oktober im SO36 gefeiert.
8 Oct 2024
## LINKS
[1] /Sexuelle-Gewalt-gegen-Transfrauen/!5461337
[2] /Kurdischer-Journalist-ueber-Pressearbeit/!6036832
[3] /HJiroks-kurdisch-deutscher-Electroclash/!5994454
## AUTOREN
Ilo Toerkell
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