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# taz.de -- SPD-Politiker über E-Autos: „Die USA haben eine China-Phobie“
> Die EU will Zölle auf chinesische E-Autos erheben. Deutschland ist
> dagegen. EU-Handelspolitiker Bernd Lange (SPD) verteidigt das Vorgehen
> der EU.
Bild: China hat gewaltige Überkapazitäten geschaffen. Nun drängten die chine…
taz: Herr Lange, mit der Führung in Peking gibt es Streit über die drohende
Schwemme chinesischer E-Autos nach Europa. Die EU wird sie mit großer
Mehrheit der Mitgliedsstaaten am Freitag beschließen. Deutschland möchte
sie nach Möglichkeit vermeiden, wie sehen Sie das?
Bernd Lange: Zunächst einmal sind das keine Strafzölle. Es geht um
Ausgleichszölle, und es geht um Evidenz. Da muss man eben gucken, wie die
Subventionen geflossen sind. Deswegen waren die Chinesen fünf Wochen hier
und haben jede Zahl überprüft. Und dann gab es zweimal Anpassungen der
Zollhöhe. So machen wir das immer. Am Ende soll der Konsument oder die
Konsumentin entscheiden können, ob sie hier BYD kauft oder Volkswagen.
taz: Sie plädieren nicht dafür, alles zu tun, um diese neuen Zölle zu
verhindern?
Lange: Nein. Wir haben eine klare Gesetzgebung. Die haben wir reformiert,
um sicherzustellen, dass unser Markt offen bleibt – ob es nun aus China
kommt oder aus Kenia oder sonst woher. Aber die Bedingungen müssen
entsprechend der WTO-Regeln fair sein. Die Zölle sind für mich immer ein
Anreiz, um eine vernünftige Verhandlungslösung zu finden, sodass illegale
Dumping- und Subventionsmaßnahmen aufhören.
taz: Die Zölle sollen wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl in den USA
eingeführt werden. Zufall?
Lange: Wir haben viel früher mit unseren Untersuchungen bei den E-Autos
angefangen. Und die Verhandlungen sind auch noch nicht abgeschlossen. Der
Stichtag ist der 30. Oktober.
taz: China hat Vergeltung angedroht und eine Untersuchung zu europäischen
Milchprodukten eingeleitet. Derweil versuchen die USA offenbar, chinesische
E-Autos von den Straßen zu verbannen. Droht ein neuer Handelskrieg?
Lange: Die USA haben wirklich eine Chinaphobie, das muss man schon sagen.
Sie versuchen jetzt ja auch, in europäische Firmen hineinzuregieren, etwa
beim niederländischen Chiphersteller ASML. Das ist nicht in Ordnung, das
müssen wir uns noch einmal näher ansehen. Aber einen europäischen
Handelskrieg mit China sehe ich nicht.
taz: Die deutschen Autohersteller machen sich große Sorgen.
Lange: Erinnern Sie sich noch an die „gelbe Gefahr“? Das war mal ein
Spiegel-Titel. Wir hatten ähnliche Situationen vor 45 Jahren mit
japanischen Anbietern gehabt und vor 30 Jahren mit koreanischen Anbietern.
Das hat sich dann mit der Zeit eingespielt. Wenn es irgendwann einen
signifikanten Marktanteil der Chinesen bei E-Autos in Europa geben sollte,
werden sie anfangen, auch hier zu produzieren – vielleicht sogar in
Brüssel. Das ist dann auch richtig und gut so – dann entscheidet eben der
Markt. Und in dem Fall bin ich ein überzeugter Anhänger des Marktes, der
das entscheiden sollte.
taz: Sie leiten seit zehn Jahren den Ausschuss für Internationalen Handel
im Europaparlament. Fast genauso lange streiten die EU-Staaten schon über
das Ceta-Abkommen mit Kanada und das Freihandelsabkommen mit den
südamerikanischen Mercosur-Staaten – und es ist kein Ende in Sicht. Ist das
nicht frustrierend?
Lange: Ich gebe nie auf. Und wir haben in der Zwischenzeit ja auch schon
einiges erreicht und unseren eigenen Ansatz geändert. In den
EU-Handelsabkommen geht es nicht mehr nur um Freihandel und Marktöffnung,
sondern auch um Nachhaltigkeit, Arbeitnehmerrechte, das Pariser
Klimaschutzabkommen etc. Das ist ein großer Fortschritt.
taz: Aber die Abschlüsse lassen trotzdem auf sich warten?
Lange: Ja. Das Problem liegt aber nicht bei den Handelspartnern, sondern es
liegt bei uns im Agrarbereich und insbesondere in Frankreich. Die
Agrarlobby sagt dort sehr deutlich, wir wollen keine Wettbewerbssituation
mit anderen Ländern. Und das in einer Situation, wo wir eigentlich mehr
Agrargüter exportieren als importieren.
taz: Widerstand gegen neue Freihandelsabkommen gibt es aber auch in
Deutschland, Österreich und anderswo. Und Frankreich ist immerhin die
größte Agrarnation in der EU.
Lange: Richtig. Deshalb müssen wir jetzt noch mal an unsere gemeinsame
Agrarpolitik ran. Das wird die Aufgabe der nächsten EU-Kommission und des
designierten neuen Agrarkommissars Hansen sein. Allerdings müssen wir uns
irgendwann fragen, ob man auch gegen Frankreich ein Handelsabkommen
schließen kann. Der neue Handelsminister in Paris hat sich schon explizit
gegen Ceta ausgesprochen und gegen Mercosur. So kann das nicht ewig
weitergehen.
taz: Was können Sie als Europaabgeordneter überhaupt tun? Auch wenn Sie den
Handelsausschuss leiten – die Abkommen werden von der EU-Kommission
ausgehandelt. Reisen Sie durch die Welt?
Lange: In der Tat reise ich viel. Mit dem Lissabon-Vertrag hat das
Parlament eine starke Rolle in der Handelspolitik bekommen, aber auch bei
den außenwirtschaftlichen Beziehungen. Und deswegen hat man natürlich sehr
viel Kontakt zu anderen Ländern. Bei der Welthandelsorganisation (WTO) in
Genf bin ich oft und rede mit den Botschaftern der Länder, auch mit der
Generaldirektorin. Und natürlich kümmere ich mich besonders um die Länder,
mit denen wir Handelsverträge verhandeln.
taz: Sind Sie auch an anderen EU-Gesetzen beteiligt?
Lange: Ja, in Brasilien habe ich mit Umweltministerin de Silva lange über
die Entwaldungsgesetzgebung gesprochen.
taz: Warum?
Lange: Vielleicht ist die Kommunikation der EU nicht so, dass man das auf
den ersten Blick als ein partnerschaftliches Ansinnen verstehen könnte.
Also versuche ich zu vermitteln. Um die Umsetzung von EU-Gesetzen kümmere
ich mich auch. In Vietnam zum Beispiel haben wir ein sehr gutes Abkommen
geschlossen. Da schaue ich nach, ob die Bedingungen auch alle eingehalten
werden. Insofern habe ich eine vielfältige Aufgabe.
taz: Spricht man sich dabei mit dem zuständigen Kommissar oder der
Kommissarin ab – oder läuft das aneinander vorbei?
Lange: Wir sprechen uns schon häufig ab. Das heißt aber nicht, dass ich nur
Fragen stelle – im Gegenteil. Ich hatte gerade ein Gespräch mit
Handelskommissar Valdis Dombrovskis. Hinterher hat eine Mitarbeiterin zu
mir gesagt: Oh, Sie können ja auch richtig hart sein!
taz: Ging es da um China?
Lange: Nein, es ging um eine Handelsfrage. Aber das Parlament und der
Handelsausschuss haben schon eine eigenständige Rolle, und die ist auch
proaktiv. Es ist nicht so, dass wir nur hinterherlaufen und uns am Ende
fragen: Sagen wir Ja oder nicht Ja.
taz: Was ist denn im Moment ein besonders heißes Eisen? Der Deal mit
Mercosur? Kanzler Olaf Scholz will das Abkommen unbedingt abschließen und
macht Druck auf die EU, oder?
Lange: Im Grunde ist das Abkommen fertig, auch das Zusatzprotokoll ist
durch. Es hakt eigentlich nur noch in Frankreich. Was die
Handelsverhandlungen anbetrifft, beschäftigt uns im Moment mehr die Frage,
wie wir mit Australien weiter umgehen. Das Abkommen ist ja nur an ein paar
Tausend Tonnen zollfreiem Rindfleisch und Schafsfleisch gescheitert. Und
dann wäre da noch Indonesien – da hoffen wir auf einen schnellen Abschluss.
taz: Wie sehen Sie die neue EU-Kommission? Können Sie mit dem designierten
Handelskommissar Maroš Šefčovič gut leben?
Lange: Šefčovič ist eine gute Wahl. Er kann hart verhandeln und hat sich
beim Brexit als zuverlässig erwiesen. Allerdings habe ich schon noch einige
Fragen. Die Anhörung im Europaparlament wird sicher spannend.
taz: Šefčovič soll sich nicht nur um Handel, sondern auch um
„wirtschaftliche Sicherheit“ kümmern. Was halten Sie davon?
Lange: Die Titel der Kommissare sind alle vage. Wir müssen abwarten, was
das in der Praxis bedeutet. Mir ist schon wichtig, dass wir nicht genauso
protektionistisch werden wie andere.
taz: An wen denken Sie da in erster Linie?
Lange: Auch an die USA. Die Anti-Coercion-Geschichte (eine EU-Gesetzgebung;
die Red.) ist ja entstanden, weil der frühere US-Präsident Donald Trump
gedroht hat: Wenn ihr eine Digitalsteuer für meine kleinen
Silicon-Valley-Unternehmen einführt, dann gibt’s Zölle auf eure Autos. Er
hat versucht, Handelsmaßnahmen als politisches Druckmittel zu nutzen.
taz: Muss sich Europa auf noch mehr Ärger einstellen, wenn Trump
zurückkommt?
Lange: Ja, klar. Aber nicht nur mit ihm, auch mit Kamala Harris als
US-Präsidentin wird nicht alles gut. Joe Biden hat ja auch nicht alles, was
Trump eingesetzt hat, abgebaut – denken Sie nur an die Stahlzölle. Insofern
ist damit zu rechnen, dass diese Fokussierung auf die eigene Wirtschaft
weitergeht. Und da müssen wir als EU dagegenhalten, um
Wettbewerbsgleichheit zu schaffen.
4 Oct 2024
## AUTOREN
Eric Bonse
## TAGS
Elektroauto
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Handel
Social-Auswahl
Strafzölle
China
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Kamala Harris
Welthandel
E-Autos
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