# taz.de -- Equal-Pay-Gerichtsprozess: Frau verklagt Daimler | |
> Eine Abteilungsleiterin bekommt 20 Prozent weniger Gehalt als ihr | |
> direkter Kollege im gleichen Betrieb. Jetzt wehrt sie sich vor Gericht. | |
Bild: Der Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen ist oft noch eklatant | |
Berlin taz | Fast 30 Jahre ist sie bei Daimler angestellt, inzwischen | |
Abteilungsleiterin, zwei Mal war sie in Elternzeit. Ihr Monatsgehalt liegt | |
fast 20 Prozent unter dem Durchschnittsgehalt der männlichen | |
Vergleichsgruppe des Unternehmens. Das ist über die Frau bekannt, deren | |
Klage gegen ihren Arbeitgeber am Dienstag vor dem Stuttgarter | |
Landesarbeitsgericht verhandelt wird. | |
Denn die Frau, die bis zu Prozessbeginn öffentlich nicht identifizierbar | |
sein möchte, will diese Gehaltsunterschiede nicht hinnehmen. Seit 2017 gilt | |
hierzulande das [1][Entgelttransparenzgesetz], das im Kern verspricht, was | |
selbstverständlich klingt: gleiches Gehalt für gleiche Arbeit. Trotzdem ist | |
es bis heute üblich, dass Frauen und Männer für gleiche oder gleichwertige | |
Arbeit verschieden bezahlt werden. Der bundesweite Unterschied zwischen den | |
Geschlechtern liegt bei rund 7 Prozent – für dieselben Jobs, bei demselben | |
Arbeitsumfang, derselben Qualifikation. | |
Die ehemalige Daimler AG spaltete sich 2021 in Daimler Truck und | |
Mercedes-Benz, die Klägerin arbeitet seitdem bei Daimler Truck. In keinem | |
der beiden Unternehmen existiere ein transparentes und objektiv | |
nachvollziehbares Entgeltsystem für Führungskräfte auf der Stufe der | |
Klägerin, so die [2][Gesellschaft für Freiheitsrechte] (GFF), die die Klage | |
der Frau unterstützt. „Die Vorgesetzten entscheiden frei darüber, wie das | |
vorhandene Budget auf die Abteilungsleiter*innen verteilt wird“, sagt | |
Sarah Lincoln, die Verfahrenskoordinatorin der GFF. | |
## Unterschiede von fast 70 Prozent | |
Dadurch wiesen die Gehälter der mehr als 200 Abteilungsleiter*innen, die | |
auf der Stufe der Klägerin beschäftigt seien, im Jahr 2022 Unterschiede von | |
fast 70 Prozent auf. Neben der Klägerin gegen Daimler Truck gebe es derzeit | |
sechs weitere Klagen von Frauen aufgrund von Gehaltsdiskriminierung gegen | |
den Konzern, so die GFF. „Lohndiskriminierung ist beim Daimler-Konzern ein | |
strukturelles Problem in allen Entgeltgruppen.“ | |
Das Entgelttransparenzgesetz besagt, dass Beschäftigte in Unternehmen mit | |
mehr als 200 Mitarbeitenden Anspruch darauf haben, den Medianwert des | |
Entgelts der männlichen Vergleichsgruppe zu erfahren. Der Median liegt in | |
der Mitte einer nach Größe sortierten Zahlenreihe. Die Daimler AG ging bei | |
der Veröffentlichung mit gutem Beispiel voran, so die GFF: 2018 richtete | |
das Unternehmen ein Tool ein, mit dem jedeR Beschäftigte das Gehalt der | |
jeweiligen Vergleichsgruppe einsehen kann. | |
Bei der Klägerin zeigte sich sogar, dass ihr Gehalt, wenn weitere Bezüge | |
wie virtuelle Aktien einberechnet wurden, zum Teil sogar bis fast 40 | |
Prozent unterhalb dem ihrer männlichen Vergleichsgruppe lag. Zudem | |
bestätigte sich, dass sie auch weniger als ihr direkter, gleich | |
qualifizierter Kollege verdient, der noch dazu gleich lang im Unternehmen | |
arbeitet wie sie selbst. | |
## Ein fünfstelliger Betrag | |
Seit 2021 nun klagt die Frau auf gleiche Entlohnung wie der Kollege, | |
mittlerweile in zweiter Instanz. Im November 2023 verurteilte das | |
Stuttgarter Arbeitsgericht in erster Instanz zwar Daimler Truck: darauf, | |
der Klägerin die Differenz zum Medianentgelt der männlichen | |
Vergleichsgruppe zu zahlen – einen fünfstelligen Betrag für einen Zeitraum | |
von fünf Jahren. | |
Die Differenz zum Gehalt ihres direkten Kollegen sprach das Gericht ihr | |
jedoch nicht zu. Der Grund: Von Lohndiskriminierung betroffene Frauen | |
könnten höchstens eine Anpassung an das Medianentgelt der männlichen | |
Vergleichsgruppe fordern, jedoch kein konkretes Gehalt, so das Gericht. | |
Sowohl die Klägerin als auch Daimler Truck hatten gegen dieses Urteil | |
Berufung eingereicht. Seitdem war auch die GFF mit ins Verfahren | |
eingestiegen. | |
„Daimler gelingt es nicht, die Gehaltsdifferenz stichhaltig zu begründen“, | |
sagt Anwältin Sarah Lincoln. „Unter anderem wird der Klägerin schlechte | |
Leistung vorgeworfen. Allerdings wurde ihre Arbeit sowohl im internen | |
Feedbacksystem wie auch von ihren Vorgesetzten immer als gut bis sehr gut | |
bewertet.“ Erst seitdem die Klägerin versuche, ihren Anspruch auf | |
Lohngleichheit durchzusetzen, stelle das Unternehmen ihre Leistungen | |
infrage, so Lincoln. | |
## Objektiv und nachvollziehbar | |
Aus Sicht der GFF ist sowohl durch das Entgelttransparenzgesetz als auch | |
durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz klar, dass Gehaltsunterschiede | |
durch objektive und nachvollziehbare Kriterien wie Berufserfahrung | |
begründet sein müssen. „Es ist am Arbeitgeber, zu beweisen, dass es für | |
diese Ungleichbehandlung sachliche Gründe gibt, die nicht ans Geschlecht | |
anknüpfen“, sagt Lincoln. Verhandlungsgeschick oder höhere Lohnforderungen | |
seien dabei keine gültigen Kriterien, ebenso wenig wie eine Beschäftigung | |
in Teilzeit. | |
Es überrasche sie deshalb nicht, dass die Begründungen von Daimler zum | |
konkreten Fall sehr vage blieben, so Lincoln. So trage das Unternehmen etwa | |
vor, dass das mittlere Entgelt der männlichen Vergleichsgruppe deshalb | |
generell höher sei, weil Frauen bei Daimler schneller aufstiegen und damit | |
kürzer auf den einzelnen Leitungsebenen verbleiben würden. Allerdings könne | |
Daimler nicht belegen, dass es eine besonders hohe Quote von Frauen auf | |
Leitungspositionen gebe – und ebenso wenig, dass die männlichen | |
Vergleichspersonen länger auf Führungspositionen beschäftigt seien als die | |
Klägerin, die seit mehr als 15 Jahren Abteilungsleiterin sei. | |
Der GFF zufolge steht die bisherige Rechtssprechung des Stuttgarter | |
Arbeitsgerichts nicht in Einklang mit der des Bundesarbeitsgerichts und des | |
Europäischen Gerichtshofs. Beide hätten bereits dargelegt, dass der | |
Arbeitgeber konkrete Gehaltsunterschiede bei Vergleichspersonen begründen | |
müsse. „Wir streiten hier für die wichtige Klarstellung, dass Frauen sich | |
beim Gehalt nicht mit Mittelmaß zufriedengeben müssen“, so Lincoln. Es | |
brauche eine Klarstellung, dass Gehaltsunterschiede nur mit gerichtlich | |
überprüfbaren Kriterien begründet werden können – auch auf Leitungsebene. | |
## Was sagt Daimler Truck? | |
Die Daimler Truck AG erklärte auf Anfrage, das Unternehmen äußere sich | |
nicht zu laufenden Verfahren. Generell aber gelte: Die individuelle | |
Bezahlung für außertariflich Beschäftigte richte sich nach „objektiven | |
Kriterien wie zum Beispiel der jeweiligen Ebene und der | |
Aufgabenschwierigkeit“. Damit werde die „Angemessenheit der Vergütung im | |
Marktvergleich“ dargestellt. | |
1 Oct 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/gleichstellung/frauen-und-arbeitswelt/l… | |
[2] https://freiheitsrechte.org/ | |
## AUTOREN | |
Patricia Hecht | |
## TAGS | |
Equal Pay | |
Daimler | |
Frauenpolitik | |
GNS | |
Feminismus | |
Gleichstellung | |
Social-Auswahl | |
Gender Pay Gap | |
Equal Pay | |
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
Schwerpunkt Armut | |
Gender Pay Gap | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Gender Pay Gap: Lohnlücke zwischen Frauen und Männern schrumpft – langsam | |
Der Abstand wird zwar kleiner, aber Frauen verdienen immer noch weniger als | |
Männer. Sechs Prozent der Lohnlücke können weiterhin nicht erklärt werden. | |
Anwältin zu Equalpay-Klage gegen Daimler: „Das ist nicht das letzte Wort“ | |
Eine Abteilungsleiterin bei Daimler klagte auf das Gehalt ihres direkten | |
Kollegen. Das Landesarbeitsgericht Stuttgart sprach ihr dieses nicht zu. | |
Bezahlung von Olympiasportlern: Endlich kriegen auch sie Kohle | |
Jeder Drittligaprofi aus dem Fußball verdient mehr als hochtalentierte | |
Olympioniken. Nun gibt es erstmals Prämien bei den Sommerspielen von Paris. | |
Altersarmut bei Frauen: 400 Euro weniger Rente | |
Klar, Staat und Unternehmen müssen geschlechterbedingte Ungerechtigkeit | |
abstellen. Aber auch Frauen können mehr für eine höhere Rente tun. | |
Equal Pay Day: Bis zum 6. März umsonst gearbeitet | |
Trotz aller Kampagnen verdienen Frauen immer noch weniger als Männer. 2023 | |
bekamen sie für die gleiche Arbeit im Schnitt 6 Prozent weniger Geld. |