# taz.de -- Anwältin zu Equalpay-Klage gegen Daimler: „Das ist nicht das let… | |
> Eine Abteilungsleiterin bei Daimler klagte auf das Gehalt ihres direkten | |
> Kollegen. Das Landesarbeitsgericht Stuttgart sprach ihr dieses nicht zu. | |
Bild: Bei Daimler liegt das Gehalt der weiblichen Beschäftigten im Mittel deut… | |
taz: Frau Lincoln, Sie vertreten eine Abteilungsleiterin der Daimler Truck | |
AG im Verfahren gegen Ihren Arbeitgeber. Ihre Mandantin [1][hatte darauf | |
geklagt], genauso entlohnt zu werden wie ihr direkter Kollege, der zwar | |
gleich qualifiziert ist wie sie selbst und gleich lang im Unternehmen | |
arbeitet – aber deutlich mehr verdient. Wie lautet das Urteil des | |
Stuttgarter Landesarbeitsgerichts? | |
Sarah Lincoln: Der Richter erkennt zwar eine systematische Benachteiligung | |
von Frauen bei Daimler, weil das Gehalt der weiblichen Beschäftigten im | |
Mittel deutlich unter dem der männlichen liegt. Zudem fehlen dem | |
Unternehmen nach [2][Auffassung des Gerichts] klare Kriterien, die diese | |
Gehaltsunterschiede erklären könnten. | |
Aber? | |
Leider bleibt das Gericht trotzdem hinter dem zurück, was der Klägerin in | |
der vorherigen Instanz bereits zugesprochen worden war. Zum einen soll sie | |
nicht die Gehaltsdifferenz zu den männlichen Angestellten auf | |
vergleichbaren Positionen im Unternehmen bekommen. Und zum zweiten wurde | |
entschieden, dass die Klägerin keine Anpassung an das Gehalt ihres direkten | |
Kollegen verlangen kann. | |
Wie wird das begründet? | |
Damit, dass die Klägerin nicht nur unterhalb des Mittels der männlichen, | |
sondern auch der weiblichen Vergleichsgruppe im Unternehmen liegt. Aber es | |
kann ja nicht sein, dass es darauf ankommt, ob andere Frauen im Unternehmen | |
mehr verdienen und eben nicht diskriminiert werden – das wäre ja absurd. | |
Sondern es kann nur maßgeblich sein, ob die Klägerin selbst diskriminiert | |
wird. | |
Durch die Gesetzgebung der EU und die Urteile des Bundesarbeitsgerichts ist | |
doch bereits bestätigt, dass eine Angleichung an den Mittelwert der | |
männlichen Vergleichsgruppe zwingend ist – oder nicht? | |
Richtig. Das jetzige Urteil ist mit den europarechtlichen Vorgaben und der | |
progressiven Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) nicht | |
vereinbar. Es will beides in Frage stellen – und das in Deutschland, das in | |
Sachen Equal Pay Schlusslicht in Europa ist. Arbeitgeber und | |
Arbeitsgerichte halten sich hierzulande schlicht nicht an das, was sowohl | |
das Entgelttransparenzgesetz als auch die Europäische Union vorgeben. Hier | |
wird versucht, diese verbindlichen Vorgaben zu torpedieren. | |
Wie kann das sein? | |
Die Rechtsprechung des BAG besagt, dass eine Entgeltdiskriminierung | |
vermutet wird, wenn das Gehalt vom Median der männlichen Vergleichsgruppe | |
oder von dem Gehalt eines konkreten Kollegen abweicht. Zudem hat es sehr | |
deutlich gemacht: Wenn es bei gleicher Arbeit eine Lohndifferenz gibt, gibt | |
es eine Umkehr der Beweislast. Dann muss der Arbeitgeber beweisen, dass es | |
dafür objektive Gründe gibt, die mit dem Geschlecht nichts zu tun haben. | |
Der Richter des Landesarbeitsgerichts widerspricht nun aller bisherigen | |
Systematik: Er findet offenbar, dass beides zu weit geht. | |
Was sind Ihre nächsten Schritte? | |
Die Revision ist zugelassen und wir müssen und werden diese Fragen vor dem | |
BAG klären. Ich bin guter Dinge, dass dieses seine bisherige Rechtsprechung | |
nicht über den Haufen werfen wird. | |
Was bedeutet das Urteil für Ihre Klägerin? | |
Emotional ist das natürlich belastend. Und es ist sowohl für sie selbst als | |
auch zunächst für weitere Equal-Pay-Klagen hierzulande ärgerlich. Der | |
weitere Verlauf des Verfahrens wird zudem nochmal ein bis zwei Jahre | |
dauern. Aber dann gibt es die Chance, eine höchstrichterliche Klarstellung | |
zu erwirken, die auch anderen Frauen etwas bringt. So war der Weg bisher | |
bei allen Equal-Pay-Klagen hierzulande: Die Frauen mussten bis vors | |
Bundesarbeitsgericht ziehen, bis in ihrem Sinn entschieden wurde. Auch | |
diesmal gilt: Das Urteil muss dringend höchstrichterlich überprüft und | |
richtiggestellt werden. Es ist ein ärgerlicher Rückschlag für Equal Pay in | |
Deutschland – aber längst nicht das letzte Wort. | |
1 Oct 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Equal-Pay-Gerichtsprozess/!6036865 | |
[2] https://landesarbeitsgericht-baden-wuerttemberg.justiz-bw.de/pb/site/pbs-bw… | |
## AUTOREN | |
Patricia Hecht | |
## TAGS | |
Equal Pay | |
Daimler | |
Frauenrechte | |
Social-Auswahl | |
Daimler | |
Equal Pay | |
Schwerpunkt Armut | |
Gender Pay Gap | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Ehemaliger Daimler-Chef: Edzard Reuter ist tot | |
Reuter wollte Daimler vom Autobauer zum Technologie-Imperium aufbauen – und | |
scheiterte. Der Sozialdemokrat äußerte sich immer wieder politisch. | |
Equal-Pay-Gerichtsprozess: Frau verklagt Daimler | |
Eine Abteilungsleiterin bekommt 20 Prozent weniger Gehalt als ihr direkter | |
Kollege im gleichen Betrieb. Jetzt wehrt sie sich vor Gericht. | |
Altersarmut bei Frauen: 400 Euro weniger Rente | |
Klar, Staat und Unternehmen müssen geschlechterbedingte Ungerechtigkeit | |
abstellen. Aber auch Frauen können mehr für eine höhere Rente tun. | |
Equal Pay Day: Bis zum 6. März umsonst gearbeitet | |
Trotz aller Kampagnen verdienen Frauen immer noch weniger als Männer. 2023 | |
bekamen sie für die gleiche Arbeit im Schnitt 6 Prozent weniger Geld. |