# taz.de -- Flüssiggas aus den USA: Was Rügen und Texas verbindet | |
> Deutschland importiert dreckiges Fracking-Gas aus den USA, obwohl diese | |
> Fördermethode hierzulande verboten ist. Wie kommt man gegen den LNG-Boom | |
> an? | |
John Beard Junior atmet tief ein, als er auf die Terrasse tritt. Bei sich | |
zu Hause würde er das nicht machen. Es ist sein Geburtstag, wir feiern in | |
einer kleinen Runde von Klimaaktivist:innen in einem Vorort von | |
Boston. Hier geben wir zusammen Workshops zum internationalen Klimakampf. | |
Jemand bringt ein IPA-Bier, John prostet mir mit dunkler Stimme und breitem | |
Südstaatenakzent zu. Er kommt aus Port Arthur, von dort, wo sich Texas, | |
Louisiana und der Golf von Mexiko treffen. Seit 120 Jahren wird aus dieser | |
Kleinstadt Öl und Gas in die Welt verschifft. „Von meinem Küchenfenster | |
sehe ich sie alle“, erzählt John und meint die größten Raffinieren der USA. | |
38 Jahre lang hat er selbst beim Mineralölkonzern ExxonMobile gearbeitet, | |
so wie sein Vater vor ihm. Endlich ein Haus kaufen, ein Auto, die Kinder | |
zur Uni schicken, das verhießen diese Jobs damals. | |
Irgendwann hat John es nicht mehr ausgehalten, die Diskrepanz zwischen dem, | |
was der Konzern verspricht, und dem, was er macht. [1][Port Arthur] gehört | |
in den USA zu den 5 Prozent der Orte mit der schlechtesten Luft. Krebs und | |
Asthma sind omnipräsent. Mehr als jeder Vierte lebt in Armut. John gründete | |
eine Organisation zum Schutz der Menschen in Port Arthur und gegen die | |
Ausbeutung durch die fossilen Industrien. | |
Eine Weile konnte man hoffen, dass solche fossilen Brennpunkte nach und | |
nach dichtmachen, durch den Druck von Klimaabkommen und den Ausbau der | |
Erneuerbaren. Heute kann davon nicht mehr die Rede sein. Grund ist der | |
Frackingboom in den USA, der vor zehn Jahren die nationale Sorge vor | |
mangelnden Reserven beendete. Während die Welt im Dezember 2015 auf Paris | |
und das neue Klimaabkommen blickte, hoben die USA das 42 Jahre währende | |
Exportverbot für Rohöl auf – mit gewaltigen Konsequenzen. Mittlerweile | |
verschifft kein Land mehr LNG, also Flüssigerdgas, als die USA. | |
Die große Frage für mich und John an diesem Abend: Wie kommt man dagegen | |
an? 80 Prozent der LNG-Importe nach Deutschland kommen aus den USA. Dabei | |
ist Fracking in Deutschland verboten. John macht das wütend: „Ihr wollt die | |
verseuchte Luft, das Wasser und die Umweltschäden nicht. Aber ihr kauft das | |
Fracking-LNG aus den USA. Wieso sollte es okay sein, uns so etwas anzutun?“ | |
Sowohl in den USA als auch in der deutschen Energiepolitik wird der Handel | |
mit dem [2][russischen Angriffskrieg] und der Energiesicherheit | |
gerechtfertigt. Unter großer Kritik werden nicht nur neue LNG-Terminals in | |
Deutschland gebaut, der deutsche Staatskonzern SEFE investierte selbst in | |
den Bau eines neuen LNG-Exporthafens vor der Küste Louisianas. Die Verträge | |
laufen über 20 Jahre. Dabei erkennen Energieexperten in Deutschland schon | |
heute Überkapazitäten. | |
John und seine Organisation klagen auf verschiedenen Ebenen gegen die | |
LNG-Exporte. In Deutschland gibt es auch Klagen und [3][Proteste gegen die | |
Flüssiggaspläne der Regierung, etwa auf Rügen]. Bisher aber reicht das | |
nicht. „Es geht den Konzernen um das Geld und den guten Ruf“, sagt John. | |
Der globale LNG-Boom funktioniert durch massive Investitionen – man könnte | |
Banken und Investoren auffordern, diese zu stoppen. Und auch der | |
vergleichsweise saubere Ruf von Flüssiggas ließe sich demolieren. Bilder | |
dafür liefern Orte wie Port Arthur laufend. | |
Fossile-Energie-Konzerne profitieren von einer fragmentierten und | |
isolierten globalen Zivilgesellschaft, die nicht weiß, wie groß sie | |
wirklich ist und wie viele Leute vor ähnlichen Herausforderungen stehen. | |
Deswegen ist die internationale Vernetzung so wichtig. Und: Verantwortung | |
zu übernehmen. Etwa für den Preis, den andere für den deutschen | |
LNG-Wahnsinn zahlen. So gesehen sind Rügen und Texas längst Nachbarn. | |
26 Sep 2024 | |
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## AUTOREN | |
Luisa Neubauer | |
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