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# taz.de -- Debatte über Koalitionen mit BSW: Gegen die Bundesrepublik
> Wie kann man ernsthaft auf die Idee kommen, mit dem Bündnis Sahra
> Wagenknecht regieren zu wollen? Das BSW ist eine rein destruktive Kraft.
Bild: Realer Personenkult: Wahlkampf des BSW in Potsdam, 18. September 2024
Deutschland hat wieder eine Führerpartei, und alle laufen ihr nach. Das
Bündnis Sahra Wagenknecht gab es vor einem Jahr noch gar nicht, heute sitzt
es in drei Landtagen und demnächst vielleicht in drei ostdeutschen
Landesregierungen. Parteiführerin Sahra Wagenknecht sitzt fast jeden Abend
im Fernsehen und erklärt den Deutschen die Welt.
Das BSW ist [1][nach eigenem Bekunden „für Vernunft und Gerechtigkeit“.]
Wieso wird betont, man sei für Vernunft? Man ist ja auch nicht für
Hirntätigkeit und Stuhlgang, man denkt und scheißt einfach. Wer sagt, er
sei „für Vernunft“, will Zweifel ausräumen. Das BSW gründet, wie der Name
schon sagt, auf Personenkult, das ist weder vernünftig noch gerecht.
Der letzte deutsche Politiker, der das Wort „Vernunft“ politisch einsetzte,
war Erich Honecker, DDR-Regierungschef bis 1989. Eine [2][„Koalition der
Vernunft“] strebte er mit der Bundesrepublik Deutschland an – eine
Vereinbarung, mit der die DDR ihre Interessen ohne Gegenleistung
durchsetzt. Diese Art von „Vernunft“ – wir einigen uns auf meine
Forderungen – entspricht der, die Russlands Präsident Wladimir Putin
derzeit gegenüber der Ukraine vorbringt, mit deutlich mehr Nachdruck; und
Putin nachzugeben, ist Wagenknechts Hauptanliegen.
Die größten politischen [3][Schnittmengen hat das BSW mit der AfD:]
Feindseligkeit gegenüber Flüchtlingen, Sympathie für Putin, Wunsch nach
einer Allianz „souveräner“ europäischer Staaten gegen die USA. Wäre der
Begriff nicht verbraucht, könnte man Wagenknecht als nationale Sozialistin
bezeichnen. Das rechtsextreme Magazin Compact titelte im Dezember 2022 zu
einem Wagenknecht-Foto [4][„Die beste Kanzlerin“.]
## Zerstörerische Agenda
„Die Wiederkehr der DDR als Frau namens Sahra“ nannte ein britischer
Kollege unlängst das Phänomen Sahra Wagenknecht. Das ist nicht falsch, aber
nur ein Teil der Wahrheit. Sahra Wagenknecht ist Deutschlands [5][Nigel
Farage:] eine Konservative im subversiven Gewand, die sich als Irrlicht
inszeniert, um die Gegenwart rückgängig zu machen. Als Personen trennen sie
Welten – die stocksteife Wagenknecht ist anders als der leutselige Farage
eine fürchterliche Rednerin und hat keinen Humor – aber beide verfolgen
eine zerstörerische Agenda, die alle vergiftet, die sich darauf einlassen.
Farages Kunstgriff bestand darin, die EU-Mitgliedschaft zur Ursache aller
britischen Probleme zu erklären und den Brexit als Hebel für eine
ambitioniertere nationale Wende, „für echten Wandel“, zu betreiben. Er
führte erst die United Kingdom Independence Party, die ein Referendum
erzwang und gewann, dann gründete er die Brexit Party, die den Vollzug des
Brexits sicherte, und schließlich [6][Reform UK, das nun die erstrebte
nationale Wende herbeiführen will] und als ersten Schritt die Tories
sprengt. Reform UK ist keine Partei mit Mitgliedern; es entstand juristisch
als GmbH im mehrheitlichen Besitz von Nigel Farage, die Reform-Führer sind
seine Angestellten, die Aktivisten seine Kunden. Das soll sich demnächst
ändern, aber an Farages Vormachtstellung ist nicht zu rütteln.
Für Wagenknecht ist die Westbindung Gesamtdeutschlands nach der
Wiedervereinigung 1990 die Wurzel allen Übels. Im Kampf dagegen gründete
sie die „Kommunistische Plattform“, saß in der Führung der Linken, gründ…
die außerparlamentarische Bewegung „Aufstehen“ und schließlich das BSW, d…
die Linke gesprengt hat. Auch das BSW ist keine normale Partei. Ihre
wenigen Mitglieder sind von Wagenknecht handverlesen, in Sachsen sind es
derzeit rund 70, in Thüringen [7][und Brandenburg unter 50]. Die sitzen
demnächst alle in den Landtagen als Abgeordnete und Mitarbeiter. Es ist
keine Partei, es ist ein elitärer Klub.
Die angestrebte Läuterung beginnt für Farage mit dem Brexit, für
Wagenknecht in einem Schulterschluss mit Moskau als erster Schritt zur
mindestens mentalen Rückabwicklung der Wiedervereinigung. Deswegen stellt
sie in den Sondierungen vor allem außen- und verteidigungspolitische
Forderungen. Landespolitik ist ihr egal. Es geht ihr um die Sprengung des
deutschen Nachwendekonsenses von 1990; am liebsten würde sie aus
Deutschland eine große DDR machen.
## Und die Mehrheiten?
Keine demokratische Kraft kann sich darauf ernsthaft einlassen. Eine
Annäherung der alten Ost-CDU in Sachsen und Thüringen an den
Nachfolgeverein der SED hat zwar einen gewissen Retrocharme, aber genau das
zerlegt die CDU wieder in ihre östlichen und westlichen Bestandteile.
Ähnliches blüht auch der SPD, wenn sich deren Putinfreunde in Brandenburg
durchsetzen. Wenn die beiden Bundesparteien irgendein politisches Gespür
haben, schieben sie dem sofort einen Riegel vor. Die Devise muss lauten:
keine Zusammenarbeit mit AfD und BSW. Kein Fußbreit den Faschisten oder den
Stalinisten.
Und wenn es anders keine Mehrheiten gibt? Dann gibt es eben keine
Mehrheiten. Stabile Mehrheiten gibt es mit einem BSW, das bei jeder
Gelegenheit den Partner erpressen könnte, sowieso nicht. Es sind auch keine
anderen Mehrheiten in Sicht, [8][wie der Thüringer Landtag gerade
eindrucksvoll beweist]. Die demokratischen Kräfte in allen drei
Bundesländern müssen sich treu bleiben, sich nicht kompromittieren und
direkt auf vorgezogene Neuwahlen setzen, bei denen sie sich diesmal besser
aufstellen. Alles andere ist politischer Selbstmord.
28 Sep 2024
## LINKS
[1] https://buendnis-sahra-wagenknecht.de/
[2] https://www.chronik-der-mauer.de/material/178863/brief-von-erich-honecker-a…
[3] /Forscher-ueber-den-Blog-Nachdenkseiten/!6035623
[4] /Verbot-vom-Compact-Magazin/!6022327
[5] /Comeback-von-Nigel-Farage/!6017715
[6] /Grossbritanniens-Reform-UK-im-Parteitag/!6035369
[7] /Erfolg-fuer-das-Buendnis-Sahra-Wagenknecht/!6037856
[8] /Forderung-nach-AfD-Verbot/!6039276
## AUTOREN
Dominic Johnson
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