# taz.de -- Bedeutung der Paralympischen Spiele: Anhängsel von Olympia | |
> Die Paralympics in Paris befreien ihre Teilnehmer aus der Unsichtbarkeit | |
> und wirken doch beschränkend. Der Gedanke der Inklusion hat seine | |
> Grenzen. | |
Bild: Kleine Fenster der Aufmerksamkeit: Goldmedaillen-Gewinner Markus Rehm (Mi… | |
Sie haben sich bemüht. Das ist wohl die Bilanz der Paralympischen Spiele | |
2024 in Paris. Doch nicht den Athleten und Athletinnen gilt dieses nicht | |
wirklich positive Urteil, die haben ja Großes, teils Sensationelles | |
geleistet. Es gilt anderen. Die 15 Minuten Ruhm, die laut Andy Warhol jedem | |
Menschen zustehen, haben sich bei den paralympischen Sportlern und | |
Sportlern als bestenfalls 1:30 Minuten erwiesen, die durchschnittliche | |
Länge eines „Tagesschau“-Beitrags. | |
Meist tauchen sie wesentlich kürzer auf, manchmal, zugegeben, auch länger | |
und ausführlicher. Fernsehen, Radio, Online- und auch Printmedien ([1][die | |
taz nicht ausgenommen]) bemühen sich tatsächlich, den Sport von Menschen | |
mit Behinderung zu präsentieren. | |
Doch die Instrumente, mit denen der Markt die Leistung von Menschen | |
bemisst, sagt doch alles: kaum Einschaltquote, keine Werbeverträge, keine | |
Sponsorenangebote. Es ist eine kapitalistische Werttaxierung, und Parasport | |
ist dort die Nische der Nischen, die Unterabteilung von Sportarten, die | |
selbst nur alle vier Jahre mal kurze Aufmerksamkeit erheischen. | |
Bei Betrachtung der Paralympics, wie sie medial vermittelt werden (live, im | |
Stadion oder in der Halle ist das anders), fällt auf: Der Bewunderung für | |
die dort gezeigten Leistungen fehlt oft das Emotionale, das Spontane, das, | |
was man gerne [2][den „olympischen Moment“] nennt. | |
## An den Rand gedrängt | |
Das ist schade, aber eigentlich ist es noch ärgerlicher. Denn dieses | |
fehlende Prickeln offenbart einmal mehr, dass der Parasport in einen | |
gesellschaftlichen Randbereich gedrängt ist. Er ist Anhängsel von Olympia, | |
steht unter dem Patronat des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), | |
das zugleich sehr darauf achtet, dass die Weltklassesportler und | |
-sportlerinnen, die es ja bei den Paralympics gibt, nicht bei den großen | |
Olympischen Spielen auftauchen. Sportlich ist das nicht zu begründen, man | |
schaue sich nur etwa den [3][unterschenkelamputierten Weitspringer Markus | |
Rehm] an, der mit einem Rekord von 8,72 Metern zur absoluten Weltelite | |
seines Sports gehört; in Paris wurde er mit 8,13 Metern erneut | |
Goldmedaillengewinner. | |
Eine ketzerische Frage: Gilt das Ziel der Inklusion, von der doch alle so | |
gerne reden, eigentlich nur so lange, wie gewährleistet ist, dass Menschen | |
mit Behinderung mit ihren Prothesen und sonstigen Hilfsmitteln schlechter | |
abschneiden als diejenigen Athleten und Athletinnen, die immer noch so oft | |
als „normal“ bezeichnet werden? | |
Die Frage drängt sich auf, denn die Grunddiagnose der Disability Studies | |
lautet, dass Menschen nicht behindert sind, sondern behindert werden. Wenn | |
dieser Befund richtig ist, wogegen ja nichts spricht, wäre zu fragen, ob | |
nicht eine Funktion der Trennung von Olympics und Paralympics ist, | |
behindernde Barrieren bewusst aufrechtzuhalten, obwohl die technische | |
Entwicklung eine Behinderung nahezu aufheben könnte. | |
An den Parasportlern und -sportlerinnen liegt das kein bisschen. Und ihrem | |
Verband, dem International Paralympic Committee (IPC), könnte man lediglich | |
kritisch attestieren, dass es eine zu große Nähe zum mächtigen IOC gesucht | |
hat. Aber wie sollte das IPC an olympische Großsponsoren kommen, wenn es | |
sich nicht mit dem IOC arrangiert? Es gibt ja Behindertensport, der bei den | |
Paralympics nicht vertreten ist, etwa den der Gehörlosen, aber wann wurde | |
eigentlich mal deren großes Sportfest, die „Deaflympics“, in großem Stil | |
übertragen? | |
Parasport ist durch die Spiele in Paris wieder sichtbarer geworden. Das ist | |
gut. Zugleich aber wurde das Terrain markiert, in dem Menschen mit | |
Behinderung belassen werden. Das ist nicht gut. Aber herrje, wir haben uns | |
doch bemüht. | |
6 Sep 2024 | |
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## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
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